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Wer braucht mehr?

1.650 Stunden musste der John Deere 6120M zeigen, was er kann. Einsatzmöglichkeiten gibt es für den 133-PS-starken Vierzylinder genügend.

Auf den Punkt

  • Der 6120M war 1.650 Betriebsstunden im Testeinsatz. Es gab keine größeren Ausfälle.
  • Er ist der erste und einzige Traktor von John Deere mit schräger Haube für mehr Sicht.
  • Die Ausstattung ist solide und erweiterbar – das ist eine Stärke des Stufenlostraktors.

Wie schlägt sich ein Traktor nicht nur im Kurzeinsatz, sondern über einen längeren Zeitraum? Welche Probleme stehen innerhalb der ersten Betriebsstunden an und welche treten erst nach dem zweiten Ölwechsel auf?

Um das herauszufinden, begleiteten wir einen stufenlosen John Deere 6120M im Langzeittest. Er musste 1.650 Betriebsstunden auf einem Milchviehbetrieb mit Ackerbau schuften und für alle dort typischen Arbeiten herhalten: mähen, den Futtermischwagen antreiben, misten, transportieren, grubbern und pflügen. Das ist auch schon unsere erste Erkenntnis: Je vielseitiger die Aufgaben, desto wohler fühlt sich der 6120M.

The One-And-Only-Hirsch

Im Bereich von 100 bis 130 PS ist das Angebot an bezahlbaren Stufenlostraktoren nicht so üppig, denn das war unsere Testmaschine: stufenlos und im Vergleich zu den noblen Geschwistern der 6R-Baureihe rund 17.000 Euro günstiger. Das ist ein Argument, dass den 6120M so interessant macht für alle, die volle Hütte nicht brauchen und sich auch nicht dazu hinreißen lassen wollen.

John Deere stellte 2019 mit dem 6120M nicht nur einen Kompakttraktor vor. Die kleinsten Modelle der 6M-Baureihe sind ein Novum: Sie sind die ersten und einzigen Traktoren von John Deere mit schräger Motorhaube.

Während vor rund 30 Jahren Deutz-Fahr und danach auch Massey Ferguson die Schräghauber zeigten, blieb John Deere seinem kantigen und eher wuchtigen Design treu. Mit dem 6M hat sich das geändert und nur noch Massey Ferguson bietet mit seinem MF 5 S eine vergleichbare Freisichthaube an.

Alles drauf, was nützlich ist

Anfang 2021 rollte der 6120M zum ersten Mal auf den Hof. Wir haben den Test-M so ausgerüstet, dass er sein Potenzial als Allrounder voll ausspielen kann: mit Fronthubwerk und -zapfwelle, Frontlader, dritter Steuerkreis, elektrischen Steuerventilen, Spurführung und großer Bereifung.

1,5 Jahren später – nach drei Ölwechseln und 1.650 Betriebsstunden – können wir sagen: Größere Ausfälle gab es keine. Innerhalb der ersten 50 Stunden wurde lediglich die Riemenscheibe der Wasserpumpe locker und verabschiedete sich. Mit leicht erhöhter Temperatur schaffte es der 6M zurück auf den Hof. Neuer Riemen, Scheibe festziehen – läuft wieder.

Für alle, die im John-Deere-Kosmos nicht zu Hause sind, ordnen wir den Traktor ein: Der 6120M hat mit seinen größeren Brüdern wie dem 6120R oder dem 6130M wenig zu tun. Nur die kleinen Modelle der 6M-Serie bekommen die schräge Haube. Eigentlich würde als Modellname eher 5M passen, aber den gab es bereits.

Die kleinen 6M sind die Nachfahren der beliebten 6430er-Generation. Diese wurde bis 2013 in Mannheim gebaut. Die Modelle gab es damals mit Grünlandausstattung etwas einfacher und günstiger als die Variante mit dem Zusatz Premium auf der Haube.

Von 2013 an klaffte mit dem Wegfall der 6430er eine Lücke im Produktprogramm der springenden Hirsche. Die neuen 6R-Modelle waren größer und vor allem hochwertiger ausgestattet und damit teurer. Schnell kam der 6MC als günstige Alternative und ab 2015 der 5R mit 8-fach-Lastschaltgetriebe. Beide Modelle werden in Deutschland nicht mehr verkauft, dafür gibt es den 6120M.

Unter der Haube ist wenig Platz

Die Diskussion über die Schräghaube ist so alt wie die Erfindung selbst. Was wir sagen können: Wenn eine Freisichthaube einen Nutzen bringt, dann an einem kompakten Allroundtraktor mit Frontlader und Fronthubwerk – also absolut passend für den 6120M. Eine weitere Erkenntnis aus unserem Langzeittest ist das Fendt-Geräteträger-Phänomen: Wer die freie Sicht nach vorne einmal hat, möchte sie nicht mehr hergeben.

Das kostet der freie Blick

Bezahlt wird das mehr an Sicht mit weniger Platz unter der Haube und die Herausforderung, alle Technik drunterzubekommen ist mit der Abgasnorm größer geworden. Die Mannheimer Ingenieure stammen vermutlich aus der Generation Tetris. Sie dürfen sich auf die Schulter klopfen, haben sie es doch geschafft, neben dem 4-Zylinder-Triebwerk die mächtigen Kühlerpakete unter der Haube zu arrangieren. Trotz begrenzten Platzverhältnissen im Maschinenraum des 6120M hatten wir mit dem Triebwerk der konzerneigenen Motorschmiede Deere Power Systems keine Probleme im Hinblick auf Motortemperatur und Kühlleistung.

Die Kühlerpakete sind fest verbaut. Ihnen fehlen die praktischen Lüftungsgitter aus den Vorgängermodellen, die einige Mannheim-Enthusiasten fehlen werden. Wir können sie aber beruhigen: Auch ohne die Schmutzgitter vor dem Kühlerpaket blieb es im Motorraum sauber; mit Druckluft auspusten ging gut. Die Lüftungsgitter auf der Haube halten viel ab und lassen den Motor dennoch genügend Frischluft atmen.

Das Auspuffrohr verrät, dass ein Bauteil trotzdem an die frische Luft musste: der SCR-Katalysator. Geschickt versteckten die Ingenieure ihn in der Verbreiterung im Endrohr hinter der A-Säule. Der ebenfallsverbaute Dieselpartikelfilter (DPF) brennt sich von Zeit zu Zeit automatisch frei. Das passierte fast immer unbemerkt und beeinträchtigte nicht das Arbeiten mit dem Traktor.

Kräftiger Motor mit Extra-PS

In Sachen Motorleistung ist der 6M ausgeglichen. 120 PS stehen bei Nennleistung an und 133 PS bei 1.900 U/min. Noch wichtiger ist das Zusatzangebot des Vierzylinders. Bei Zapfwellenarbeiten oder ab 15 km/h Geschwindigkeit zünden mehr Pferde und schieben weitere 25 PS auf die Kurbelwelle. Diese sind deutlich spürbar und damit auch nützlich.

Wie es sich für einen Stufenlostraktor gehört, regelt der Motor bei 40 km/h runter auf rund 1.650 U/min. Die Motordrückung stellt der Fahrer im Display an der A-Säule ein. Statt Prozentangaben gibt es lediglich die Werte stark, mittel oder wenig. Das reicht in den meisten Fällen aus. Trotzdem hätten wir uns einen groben Orientierungswert über das Ausmaß der Drückung gewünscht.

Selten: Kompakt und stufenlos

Das AutoPowr-Getriebe ist ein altbekanntes und der orange Hebel mit Drehrad für die Maximalgeschwindigkeit ein Klassiker in den John-Deere-Kabinen. Die Fahrbereiche schalten automatisch. Hier kann der Fahrer draufsitzen und losfahren.

Nochmal der Hinweis: AutoPowr bedeutet immer: Der Fahrer muss die Bremse drücken, damit der Traktor stillsteht. Lässt er sie los, bewegt sich der Traktor langsam vorwärts.Das ist zum Rangieren super, aber wer andere Fahrstrategien gewohnt ist, muss umdenken. Auch anders: Wer den Fahrtrichtungshebel auf Neutral stellt, legt die Parkbremse rein. Eine Handbremse gibt es nicht – gut.

Die Kabine ist eine Mischung aus bewährten Kabinenelementen der vergangenen Jahre in John-Deere-Beige und schicken Updates wie beispielsweise dem A-Säulen-Display. Eine 6-Pfosten-Kabine gilt mittlerweile als Ausnahme statt Standard. Was wir daran schätzen, sind die handlichen Türen, die ohne viel Kraftanstrengung schließen.

Auf dem klappbaren Beifahrersitz verbrachten vermutlich Generationen von John-Deere-Fahrern ihre Kindheit. Auch Details wie die Türschlösser, das Aufstellen der Seitenscheiben oder das Heckfenster mit seinem Bügel lassen erkennen, dass es sich im Kern um die Kabine der 6030er-Baureihe handelt. Doch das ist neu: Vorne schwingt sich das Kabinendach nach oben und gibt dem Fahrer mehr Blick frei für den Frontlader.

Raus aus der Mitte, ran an die Seite

Das Armaturenbrett wirkt verwaist, wanderte doch die komplette Bordinformation in das schicke Display in der A-Säule. Das hat uns bereits in anderen John-Deere-Maschinen überzeugt. Eine John-Deere-Besonderheit: Auf dem schmalen Display läuft die Sparversion der Spurführung, zwar nur mit A-B-Linien, aber dafür kinderleicht einstellbar und selbsterklärend.

Der 6120M bietet mehr Komfort als nur einfach und legt trotzdem den Fokus auf das Wesentliche.

Thomas Göggerle, agrarheute-Traktortester

Wer mehr will und beispielsweise Feldkonturen lenken lassen möchte, der rüstet einfach ein Universal-Display 4240 mit AutoTrac-Freischaltung nach (Aufpreis insgesamt 4.500 Euro).

Und noch etwas stellen wir heraus und bewerten es positiv: Mit dem Drehschalter auf der Seitenkonsole navigierten wir einfach durch die Menüs. Sie sind neben den treffenden Symbolen sogar beschriftet. Wir würden es nicht erwähnen, wenn wir es nicht schon anders erlebt hätten. Wer ein Grundverständnis für moderne Traktoren mitbringt, kommt damit ohne große Einweisung zurecht.

Kabinenglück in Beige und Braun

Die Abmessungen der Kabine passen für die Leistungsklasse. Mehr Platz haben wir nicht erwartet. Wie bei fast allen Traktoren in dieser Größe sind Ablagefächer rar. Die Handyhalterung im Lenkrad bleibt ungenutzt. An der Seitenkonsole sind USB-Buchsen gut zugänglich und versorgen das Handy mit Saft.

Die rechten Seitenkonsole ist unspektaku- lär. Klar geordnet finden sich die Funktionen des 6M zu Getriebe, Zapfwelle und Hydraulik. Wo wir meckern: Der häufig benutzen Taster für Allrad ist uns nicht prominent genug platziert und die Haptik unterscheidet sich nicht von den anderen Tastern. Wir sagen: Der Allradantrieb muss sich ohne hinzuschauen aktivieren lassen.

Sehr angenehm sind die Schnellwahltasten. Mit ihnen hüpft der Fahrer flux in die Untermenüs, beispielsweise in das der Hydraulik, und ändert die Zeiteinstellung.Die elektrischen Steuerventile über Fingertipphebel passen. Das Drehrad für das Heckhubwerk mit Tiefenbegrenzung und Anschlag verbaut John Deere gefühlt seit der Übernahme von Lanz. Statt zu meckern müssen wir zugeben: Es ist selbsterklärend, robust und lässt für Standardanwendungen eigentlich keine Wünsche offen.

Der Joystick hat es drauf

Der Hydraulikjoystick gefällt uns gut. Das haben wir bereits in unserem Test mit dem 6140M vor zwei Jahren herausgefunden. 6M-Fahrer wechseln die Fahrtrichtung mit einer Taste auf dem Hebel. Das ist sehr praktisch für Arbeiten mit dem Frontlader.

Der elektronische Kreuzsteuerhebel bietet außerdem vier Tasten. Die lassen sich mit ISOBUS-Funktionen oder den beide Hubwerken in Front und Heck belegen. Voraussetzung dafür ist das John-Deere-Fronthubwerk und nicht eines vom Drittanbieter.

Das 6M-Heck bietet so weit alles, was wir uns wünschen, und das ist ein extern bedienbares Ventil für den hydraulischen Oberlenker. Mit dem umgangssprachlichen Güllemodus schaltet auch die Zapfwelle von außen. Auch die Erhöhung der Zapfwellendrehzahl zum Ansaugen lässt sich mit dem Taster auf dem Kotflügel aktivieren.

Das Vorgewendemanagment nennt John Deere iTEC Basic. Der Name ist hier Programm, da es lediglich als Grundfunktion die Zapfwelle abhängig von der Position des Hubwerks schaltet und Allrad oder Differentialsperre dazu nimmt. Was nicht funktioniert: Motordrehzahl erhöhen oder Hydraulikventil weg- oder zeitabhängig steuern.

Der Dieseltank fasst 175 l – die untere Grenze in diesem Leistungsbereich. Optional gibt es 30 l dazu. Was wir festgestellt haben: Türmt die Tankanzeige nur noch wenig Balken, sollte die Zapfsäule nicht weit sein. Viel Puffer gibt es dann nicht mehr. Unser 6120M musste nicht nur einmal Luft aus den Kraftstoffleitungen saugen, weil vorher der Tank leer gefahren wurde.

Wir haben uns umgeschaut, wer es mit dem 6120M denn so aufnehmen kann. Seine Mischung aus gut und günstiger ist mittlerweile auf dem Traktormarkt nicht mehr so einfach zu finden. John Deere trifft hier ins Schwarze, der Konkurrent Fendt hier weniger zu bietet hat. Vergleichbar gut ausgerüstet und aufrüstbar sind die Modelle aus dem CNH-Konzern.

Unser Testurteil

Was uns am 6120M überzeugt hat, ist die ausgeglichene Kombination von Motorleistung, genügend Hubkraft, mehr Komfort als üblich und dem Fokus auf das Wesentliche. Wer mehr will, bekommt mehr: beispielsweise mehr Hydraulikleistung oder mehr Spurführung.

Das magere Vorgewendemanagment kann schmerzen. Was es im 6120M nicht gibt: Front- hubwerksentlastung, frei belegbare Steuerventile, Klimaanlage mit Automatik – alles Dinge, ohne die man zwischen Futtertisch und Stoppelsturz zurechtkommen kann. Vorausgesetzt, man kommt statt hochgerüsteter voller Hütte auch mit Brot und Butter klar. Beim John Deere 6120M ist sogar noch Wurst und Käse oben drauf. ●

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