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Interview

Klauen brauchen Platz

Das Tier-Liegeplatz-Verhältnis ist für ausreichende Ruhephasen besonders wichtig.

Wie wirkt sich ein überbelegter Milchkuhstall auf die Klauengesundheit der Herde aus?

In einem überbelegten Stall ist die geringe Liegezeit der entscheidende Risikofaktor bei der Klauengesundheit. Wird die Klaue mechanisch belastet, reagiert sie mit verstärktem Hornwachstum. Die Hohlkehlung bleibt nicht lange erhalten und die Klauen werden oft länger. Die daraus resultierende Fehlbelastung fördert vor allem die Entstehung von Rusterholzschen Sohlengeschwüren. Der ständige Kontakt mit Kot und Urin führt zu einer chemischen Vorschädigung des Zwischenzellkitts und zu einem Aufweichen des Hornschuhs. Beides begünstigt das Eindringen von bakteriellen Erregern in das Klauenhorn und in die Haut. Deutlich sichtbar werden die Folgen vor allem im Ballenbereich. Ballenhornfäule oder Erreger der Mortellaroschen Krankheit profitieren von der Vorschädigung der Haut und können auf diese Weise leichter eindringen. Während der Liegephase der Kuh ist die Klaue entlastet und kann sich erholen.

Interviewpartner

Frieder Gundling 

Der Tierarzt und staatlich geprüfte Klauenpfleger hat sich auf die Klauengesundheit spezialisiert.

info@kuhundklaue.de

Warum ist Überbelegung überhaupt problematisch?

Jede Kuh sollte einen eigenen Fressplatz und einen eigenen Liegeplatz haben. Ist das nicht der Fall, werden rangniedere Tiere immer Schwierigkeiten haben, ihren Bedarf zu decken. Während zu wenig Fressplätze durch häufige Futtergaben bis zu einem gewissen Maß kompensiert werden können, funktioniert das bei den Liegeplätzen nur sehr eingeschränkt. Zwar liegen selten alle Tiere im Stall gleichzeitig, aber es bleiben vor allem die Liegeplätze frei, die zu kurz oder zu schmal sind oder andere Mängel aufweisen. Überbelegung führt zu Stress. Wird gefüttert, kommt es zu Rangeleien um den Fressplatz und die Grundfutteraufnahme wird gestört. Ähnlich sieht es an den Tränken aus, zumal in den meisten Ställen sowieso deutlich zu wenig Tränkeplätze vorhanden sind. Auf den vollen Laufgängen sind öfter konfrontative Begegnungen zu beobachten und am Ende findet nicht jede Kuh einen geeigneten Liegeplatz, um zu ruhen und wiederzukauen.

Für welche Tiere ist ein überbelegter Stall besonders schädlich?

Schwache Tiere leiden in einem überbelegten Stall überproportional. Besonders kritisch ist die Situation in einem übervollen Stall für die empfindlichen Tiere, also für kranke Kühe, für Kühe kurz nach der Kalbung und für junge rangniedere Tiere. Die Futteraufnahme und die Zeit der Ruhe sind reduziert, die Standzeiten verlängert. Diese Tiere magern ab, geben weniger Milch und zeigen eine reduzierte Fruchtbarkeit. Typische Abgangsgründe. Ein weiteres Problem ist die subklinische Pansenazidose, die meist durch eine zu geringe Aufnahme von strukturierter Rohfaser entsteht. Das Risiko steigt in überbelegten Ställen, da die Tiere hier oft nicht genügend Grundfutter am Futtertisch aufnehmen, aber sehr wohl das Milchleistungsfutter am Kraftfutterautomat oder im Melkroboter. Die subklinische Pansenazidose ist neben zu kurzen Liegezeiten ein entscheidender Auslöser für Klauenrehe.

Wie hoch dürfen Ställe ihrer Meinung nach überbelegt sein, um die Gesundheit der Klaue nicht zu gefährden?

Die Überbelegung hinsichtlich des Fressplatzes ist für die Klauengesundheit nicht das Wichtigste. Entscheidender sind hier die Liegeplätze. Es gibt Betriebe, die trotz genügend Platzreserven im Stall ihre Klauenproblematik nicht in den Griff bekommen und es gibt einige wenige Betriebe, die trotz Überbelegung eine sehr gute Klauengesundheit verwirk- lichen. Trotzdem: Überbelegung gilt es zu vermeiden, um unseren Nutztieren die Haltungsbedingungen für ein möglichst ange- nehmes, gesundes und leistungsstarkes Leben zu bieten.

Welche wirtschaftlichen Folgen hat Überbelegung für Landwirte?

Kühe, die in übervollen Ställen leben müssen, können nie ihr volles Leistungspotenzial ausschöpfen, und das hat wirtschaftliche Einbußen zur Folge. Welche Problematik am deutlichsten auffällt, ist von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich und vom Grad der Überbelegung in den jeweiligen Bereichen abhängig. Neben einer geringeren Milch- und Reproduktionsleistung fällt vor allem der zusätzliche Arbeitsaufwand ins Gewicht. Es erkranken vermehrt Tiere, um die man sich kümmern muss. Dazu kommen die Kosten für tierärztliche Behandlungen und für vorbeugende Maßnahmen, wie beispielsweise die zusätzliche Klauenpflege.

Wie kann man die Klaue auch bei Überbelegung gesund erhalten?

Grundsätzlich sollte man Ställe nicht überbelegen. Der Schlüssel zum Erfolg ist hier die sehr gut ausgebildete Tierbeobachtungsgabe der Betriebsleiter in Verbindung mit einem deutlich erhöhten Klauenpflegeaufwand, einer wiederkäuergerechten Fütterung und einem sehr guten Stallmanagement. Dazu gehören unter anderem Liegeboxenpflege, Laufflächenhygiene, kurze Wartezeiten und häufige Futtergaben. In einem überbelegten Kuhstall sollten die Klauen häufiger gepflegt werden, als zweimal im Jahr. Auch wenn die Klauen noch nicht übermäßig lang sind, ist die Hohlkehlung meist bereits nach sechs bis acht Wochen zugewachsen und es kommt zu einer Überbelastung am typischen Druckpunkt, vor allem an den Außenklauen der Hinterbeine. Durch ein Nachschneiden der Hohlkehlung kann man Sohlengeschwüren vorbeugen. Zudem erkennt man frühzeitig Tiere mit Klauen- erkrankungen und kann sie entsprechend behandeln. ●

Interview: ylsabe-friederike.rawe@agrarheute.com

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