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Norddeutsche Bayerin

Dr. Astrid Brandl lebt für Kühe und Tiermedizin. Sie möchte auch junge Leute dafür begeistern, einige Behandlungen an den Tieren selbstständig durchzuführen.

Auf den Punkt

  • Dr. Astrid Brandl leitet neben einer Tierarztpraxis auch einen Milchviehbetrieb.
  • Der Betrieb ist von 2006 bis 2020 von 60 auf 600 Kühe gewachsen.
  • Gut 15 Färsen vermarktet der Betrieb monatlich über die Zuchtviehauktion.

Es ist Frühstückszeit auf dem Betrieb von Astrid Brandl und ihrem Lebensgefährten Jens Timmering. Die Betriebsleiter sitzen zusammen mit ihren Angestellten an einem großen Tisch in der Küche. „Das ist für uns ein wichtiges Morgenritual. Hier können wir gemeinsam über den Tag und anfallende Arbeiten sprechen“, sagt Astrid Brandl. Auf einem Betrieb mit 600 Milchkühen gibt es davon jede Menge. Seit 2006 führt die Tierärztin den Betrieb im niedersächsischen Badbergen gemeinsam mit ihrem Partner. Zuerst als GbR und mittlerweile als KG. „Ich bin auf einem Betrieb in der Nähe vom Chiemsee aufgewachsen und hatte schon immer eine große Nähe zur Landwirtschaft und zu Kühen,“ berichtet die 45-jährige.

Lehrzeit in den USA

Nach dem Abitur entschied sie sich dazu, Tiermedizin in München zu studieren. „Während des Studiums habe ich dann ein Praxissemester bei einem renommierten Tierarzt in den USA absolviert und habe gesehen, wie wichtig die Bestandsbetreuung für die Arbeit als Tierarzt ist“, erzählt Astrid Brandl. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst zwei Jahre in der Tierarztpraxis, die auch den elterlichen Hof betreute.

„Nach einem Jahr fühlte ich mich sicher im Untersuchen und Behandeln von kranken Tieren. Doch ich wollte auch in Sachen Bestandsbetreuung noch einiges dazulernen,“ sagt die Tierärztin. 2004 wechselte sie daher zu einer großen Praxis in Norddeutschland, die sich auf dieses Themengebiet spezialisiert hatte. „Die Zeit in dieser Praxis war intensiv. Ich war sehr viel unterwegs, habe aber auch vieles über große Betriebe und deren Abläufe gelernt“, sagt Brandl.

In dieser Zeit lernte sie auch ihren Lebensgefährten kennen. „Es ist dann doch so gekommen, wie es Freunde und Familie vorausgesagt haben. Ich bin in Niedersachsen hängen geblieben“, schmunzelt die Bayerin.

Von 60 auf 600 Milchkühe

Nach zwei Jahren hörte sie in der Praxis auf und gründete eine GbR mit ihrem Partner. „Ich habe dann den elterlichen Betrieb in Bayern gepachtet. Zuerst kamen die Kühe raus und wir haben die Milchquote auf unseren Betrieb in Niedersachsen geholt“, sagt sie. Den Stall nutzten die beiden weiter für die Jungviehaufzucht. Brandls Vater kümmerte sich um den Ackerfutterbau und versorgte die Tiere. „Ich war zwar hier in Niedersachsen, wollte aber auch gerne wieder in Bayern arbeiten“, erzählt die Tierärztin. Sie meldete auf ihrem Heimathof im Landkreis Traunstein eine Praxis an und fuhr alle zwei bis drei Wochen auf den Zweitbetrieb im Süden.

„Das Jungvieh habe ich dann am Anfang selbst in einem Anhänger hin- und hergefahren. Irgendwann sind wir dann aber doch auf einen Lkw umgestiegen, der die Tiere zweimal im Jahr von Nord nach Süd und umgekehrt mitgenommen hat“, ergänzt sie. Insgesamt acht Jahre hielten die beiden an diesem System fest, mittlerweile wird das Jungvieh auf vier nahe gelegenen Betrieben aufgezogen. „Wir haben insgesamt fünf Betriebe dazugepachtet. In einem stehen unsere Trockensteher, in den anderen ziehen wir unser Jungvieh auf. Ein großer Arbeitsfaktor ist das Umstallen.“ Die Zupacht der Ställe lässt sich auch durch das Wachstum der letzten Jahre erklären. Zwischen 2006 und 2020 ist der Betrieb von 60 auf 600 Milchkühe gewachsen.

Jungviehaufzucht als Standbein

Die Milchleistung von jährlich 12.660 Litern pro Kuh bei 4,02 Prozent Fett und 3,5 Prozent Eweiß zeigt, wo das Hauptaugenmerk des Betriebs liegt.

„Durch die hohe Milchleistung besamen wir die Tiere erst wieder nach 90 Tagen. Das kann man auch an der höheren Zwischenkalbezeit von 441 Tagen sehen“, sagt die Betriebsleiterin. Neben dem Milchvieh ist die Jungviehaufzucht mittlerweile ein weiteres, wichtiges Standbein des Betriebs. Gut 15 Tiere verkauft die KG monatlich über den Zuchtviehmarkt an vorwiegend deutsche, holländische und belgische Betriebe. „Am Anfang war das natürlich eine kostenintensive Geschichte. Dem Erlös standen hohe Kosten für das Aufstocken des Bestandes, Futter und Stall gegenüber. Mittlerweile lohnt sich die Aufzucht für uns“, sagt Astrid Brandl.

Kälberiglus soweit das Auge reicht. Sobald die Tiere alt genug sind, ziehen sie in Gruppeniglus um.

Neben dem Milchvieh sind auch der Ackerbau und die 250-kW-Biogasanlage wichtige Standbeine. „Heutzutage muss man sich auf mehrere Betriebszweige aufteilen, damit es wirtschaftlich bleibt“, erzählt die Tierärztin, die ihre Praxis in Bayern auch heute noch aktiv betreibt. „Mittlerweile bin ich noch alle vier bis fünf Wochen für eine Woche in meiner alten Heimat. Dort betreue ich gut zehn Milchviehbetriebe mit einer Herdengröße von 70 bis 250 Tieren“, sagt Brandl. „In unserer eigenen Herde erledige ich die tierärztlichen Arbeiten sowie die Rationsgestaltung und die Arbeitsorganisation. Wenn ich in Bayern bin, übernimmt unsere Herdenmanagerin die Klauenpflege und das Besamen“, erzählt sie. Bei schweren Fällen und für die Trächtigkeitsuntersuchungen kommt dann ein externer Tierarzt auf den Hof.

Die Kuhställe sind über die Jahre mit der Herdengröße mitgewachsen. Trockensteher und Jungvieh hält der Betrieb auf nahe gelegenen Pachtbetrieben.

Drei Leistungsgruppen

Neben der Milchviehwirtschaft spielt auch der Ackerbau auf dem Betrieb Timmering Brandl eine große Rolle. Von den 550 ha Nutzfläche sind 80 ha Dauergrünland. Die restlichen 470 ha nutzt die KG für den Anbau verschiedener Kulturen. Dazu gehören Silomais, Zuckerrüben, Weizen, Kartoffeln und Ackergras. „Wir erledigen fast alle Arbeiten auf dem Acker selbst. Nur das Kartoffeln pflanzen und roden, den Mähdrusch und die Häckselarbeiten übernimmt ein Lohnunternehmen“, sagt Astrid Brandl.

„Wir haben hier drei Leistungsgruppen auf dem Hof. Die Startergruppe bis zum 80. Tag, dann die Hochleistenden und die Niederleistenden.“ Die Rationen berechnet Brandl selbst. „Zurzeit besteht die Ration der Hochleistenden aus gut 70 Prozent Mais. Seit wir Shredlage füttern, verzichten wir auf zusätzliches Stroh in der Ration. Der Rest sind Gras, Raps, GVO-freies Soja, Biertreber, Pressschnitzel und Körnermais als Stärkekomponente.“ Die Homogenität ist beim Mischen der Ration ein besonders wichtiger Faktor. „Anhand einer App kann ich genau sehen, wie gut die Mischgenauigkeit in den Gruppen aussieht. Die der Hochleistenden liegt heute bei 97 Prozent“, sagt die Tierärztin und deutet auf den Bildschirm ihres Smartphones.

Seit der Betrieb Shredlage füttert, besteht die Ration aus rund 70 Prozent Mais.

Tierärztin und Landwirte

Früher hat sie zu Spitzenzeiten um die 40 Betriebe betreut, diese nach und nach aber abgegeben. „Die Betriebe haben natürlich alle einen Hoftierarzt, ich biete eine zusätzliche Betreuung der Herde an.“ Hierfür wertet sie die Milchkontrollen aus oder bespricht mit den Betriebsleitern die Rationen. Aber auch praktische Arbeiten wie Trächtigkeitsuntersuchungen oder Operationen an Labmagen und Klauen gehören dazu.

Ihr ist es dabei besonders wichtig, dass die Landwirte kranke Kühe selbst erkennen und einschätzen sowie kleine Dinge selbst erledigen können. „Ich versuche meine Landwirte und Mitarbeiter so zu schulen, dass sie Geburtshilfe, Notfallklauenpflege und Infusionen eigenständig erledigen können“, sagt Brandl. Diese Philosophie gibt sie auch an Tierarztpraktikanten weiter, die auf ihren Betrieb in den Norden kommen.

„Universitäten vermitteln leider im Studium manchmal das Bild, dass Landwirte nicht viel vom Tier wissen. Da ist es für die Praktikanten oft besonders wichtig zu lernen, wie das Herdenmanagement in einem modernen Betrieb abläuft“, ergänzt die Tierärztin. „Landwirte müssen wissen, wie Geburtshilfe geht oder wie eine Infusion zu machen ist. Auf der anderen Seite sollen Tierärzte auch Milch- und Futtermittelpreise kennen. Nur so können beide Seiten konstruktiv in Sachen Herdengesundheit zusammenarbeiten.“

Gut ausgebildet

Um Betriebsleitern dieses Wissen beizubringen, bietet Astrid Brandl seit diesem Jahr auch Seminare zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten an. „Ich habe auf den Betrieben gemerkt, wie interessiert junge Leute an den tiermedizinischen Inhalten sind. In diesem Jahr habe ich daher erstmalig das ,Kuhfux‘-Seminar ,die kranke Kuh‘ für junge Landwirte angeboten.“ Der Tag gliedert sich dabei in einen theoretischen Teil am Morgen und einen praktischen Teil auf dem Betrieb am Nachmittag.

Mitarbeiter Martin macht die Färse schick für die Auktion. Pro Tag schafft er gut fünf Tiere.

Im kommenden Frühjahr sind dann weitere Kurse zu den Themen Geburtshilfe, Umgang mit kranken Kälbern und Klauenpflege auf Betrieben in Bayern geplant. Um auch junge Tierärzte auf dem Gebiet weiter auszubilden, ist Brandl zudem im Weiterbildungsstudiengang Tiergesundheitsmanagement an der Hochschule Weihenstephan als Gastdozentin aktiv.

„Tierärzte müssen den Landwirten ein Gesamtpaket anbieten“, erklärt die Tierärztin. Dafür engagiert Astrid Brandl sich auch weiterhin – egal ob auf dem Hof oder in ihrer Praxis. ●

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