Logo agrarheute digitalmagazin

Artikel wird geladen

Milch mit Mehrwert

Armin und Monika Högenauer mit der D3-Milch, die es seit Oktober letzten Jahres im Internet zu kaufen gibt.

Auf den Punkt

  • Familie Högenauer erzeugt seit 2016 Vitamin-D3-Milch auf ihrem Betrieb.
  • Dafür haben sie in spezielle Lampen investiert, die das Sonnenlicht imitieren.
  • Die Lampen könnten auch für die Gesundheit der Kühe von Vorteil sein.

Der Stall von Armin und Monika Högenauer steht etwas abseits von Winkl, einem Dorf, rund 20 km von Landsberg am Lech entfernt. Die im Jahr 2015 errichtete Stahlstützenhalle mit Lichtfirst bietet den Tieren viel Platz. Das Fress-Liegeplatzverhältnis beträgt 1:1, die Liegeboxen sind 1,25 cm breit und mit flexiblen Abtrennungen ausgestattet. Der Bereich für die Trockenstehenden ist als Tiefstreustall ausgelegt. Im Stall ist die Luft gut und es ist sehr ruhig. Der Grund für den großzügigen Bau: Högenauer hat nach den Kriterien des Deutschen Tierschutzbunds gebaut. Das Kalkül dahinter: Er wollte einen Stall, in dem sich die Kühe wohlfühlen und der ihm im Hinblick auf die Vermarktung höhere Preise ermöglicht. Högenauers Kalkulation kam jedoch ins Wanken, denn als die Tiere in den Stall einzogen, lag der Milchpreis nur noch bei 24 Cent/kg. Um den neuen Stall zu finanzieren, hatten sie aber mit 32 Cent/kg kalkuliert. So sahen sie sich nach Alternativen um.

Alternative Vermarktung

„Unsere Suche im Internet führte uns über die Erzeugung von Nachtmilch zur Vitamin-D3-Milch“, erzählt der 40-jährige Milchviehhalter. Eine Firma namens Milchkristalle bot das Konzept an und Familie Högenauer entschied sich einzusteigen. Das war nicht schwierig, denn es reichte, die Tageslichtlampen des Unternehmens im Stall aufzuhängen. Leuchten sie über eine gewisse Zeit im Stall, hebt das den Vitamin- D3-Spiegel bei den Kühen an.

Im Jahr 2016 installierte der Landwirt 15 Lampen bei den Laktierenden. „Das UV-B-Licht der Lampen imitiert das Sonnenlicht und regt die Vitamin-D3-Produktion an“, erklärt Högenauer. Die Lampen leuchten von fünf Uhr morgens bis 21:30 Uhr in der Nacht. Danach folgen acht Stunden Dunkelheit.

Nach sechs Monaten war der Vitamin-D3-Spiegel in Högenauers Milch angestiegen, doch zufrieden war er nicht, weil die Menge noch nicht ausreichend hoch war. „Wir haben irgendwann gemerkt, dass die Lampenabdeckungen einen großen Teil des UV-B-Lichts abschirmt. Wir haben es dann mit einer neuen Abdeckung versucht und die Lampen geben jetzt rund 60 Prozent mehr UV-B-Licht ab“, erklärt der Milchviehhalter. „Damit erreichen wir einen Vitamin-D3-Spiegel in der Milch von 1,96 Mikrogramm je 100 ml. Vorher lag er bei knapp 1,4 Mikrogramm.“ Der Wert ist wichtig, denn er bestimmt, ob man die Milch mit einer Gesundheitsaussage, einem sogenannten Healthclaim, bewerben darf.

Im Jahr 2016 war er einer der ersten, die in das Vitamin-D3-Projekt eingestiegen sind. Er hat damals die Gelegenheit ergriffen und wurde Mitgesellschafter im Unternehmen Milchkristalle.

Viele Schritte bis zur Marktreife

Eine der noch ungeklärten Fragen war zum damaligen Zeitpunkt der eindeutige Nachweis von Vitamin D3 in der Milch. Ziel war es, den Tagesbedarf eines Menschen mit Vitamin D3 durch einen Viertelliter Milch zu decken. Das entspricht in etwa 2 Mikrogramm Vitamin D3 in 100 ml Milch.

Die Schwankungsbreite des Vitamingehalts in der Milch ist sehr groß. Daher brauchte es einen verlässlichen Test. „Es hat rund zwei Jahre gedauert, bis wir ein Verfahren hatten, mit dem der Vitamin-D3-Gehalt in der Milch sicher nachzuweisen war“, erläutert Högenauer.

Mit dem Nachweis in der Milch war der erste Schritt getan, doch es waren weitere Hürden aus dem Weg zu räumen. „Es gibt kaum etwas Schwierigeres, als ein Gesundheitsversprechen auf ein Lebensmittel zu bekommen“, erklärt er. So hat es weitere zwei Jahre gedauert, bis das Unternehmen im Jahr 2020 die Anerkennung für eine gesundheitsbezogene Aussage zur Vitamin-D3-Milch (Healthclaim) erhalten hat. Jetzt hält das Unternehmen ein weltweites Patent am Healthclaim und dem dazugehörigen Logo.

Seit Oktober 2021 gibt es die haltbare Vitamin-D3-Milch im Internet. Der Liter wird dort für 1,95 Euro angeboten. Die erste Charge im Netz ist schon ausverkauft. Aktuell erzeugen drei Betriebe für das Unternehmen Milchkristalle die Vitamin-D3-Milch. „Die Mengen an Milch, die wir derzeit als D3-Milch verkaufen, ist vergleichsweise klein. Bei uns sind es nur rund ein Prozent der gesamten Milchmenge. Den Rest verkaufen wir als Milch nach den Kriterien des Deutschen Tierschutzbundes.“ Auch wenn sie derzeit mit über 45 Cent/kg einen guten Preis für die Tierschutzmilch erhalten, für D3-Milch gibt es einen Garantiepreis von 55 Cent/kg netto. Damit das Ganze Zukunft habe, sei der nächste Schritt entscheidend. „Wir planen, die Milch über den Einzelhandel zu verkaufen. Hier haben wir auch schon Gespräche geführt, doch für solche Verhandlungen braucht man ein Produkt zum Vorzeigen. Daher hatten wir mit dem Onlineverkauf begonnen“, erklärt der Landwirt das Vorgehen. Da noch keine größeren Mengen abgesetzt werden, benötigen sie auch keine zusätzlichen Milchlieferanten.

Lizenznehmer gesucht

Ein weiteres Ziel des Unternehmens ist es, mehr Direktvermarkter für die D3-Milch zu begeistern. „Wir haben schon zwei Lizenzen an Direktvermarkter in Österreich vergeben. Einer vertreibt die D3-Milch selbst. Gegen Zahlung einer Lizenzgebühr können sie das Logo nutzen, wenn die Milch die geforderten Eigenschaften erfüllt“, erklärt Högenauer. Dafür müssen die Inhaltsstoffe einmal im Monat von einem beauftragten Labor geprüft werden.

Damit Lizenznehmer die Gehalte an Vit- amin D3 erreichen, bietet Milchkristalle das Lichtsystem für den Stall an. Auch das ist patentiert. Die Lampen kosten rund 195 Euro netto inklusive Leuchtmittel. Im Fall von Högenauers Stalls schlugen 15 Leucht- mittel für 70 Kühe mit rund 3.200 Euro zu Buche. Die durchschnittliche Lebensdauer gibt der Landwirt mit sechs Jahren an. „Da die Lampen nicht dauernd an- und ausgemacht werden, halten sie auch länger.“ Der Stromverbrauch ist nicht zu ver- nachlässigen. Die Lampen benötigen etwa 7 bis 8 kW/h. Das entspricht bei 15 Lampen etwa rund 250 Euro im Monat an Stromkosten, bei einem Strompreis von 25 Cent/kW. Die Kosten je Kuh und Jahr belaufen sich bei 75 Kühen auf rund 40 Euro.

Vitamin D3 hilft auch der Kuh

Einen Bereich, den das Unternehmen noch nicht richtig vermarktet, ist der Einfluss der Lampen auf die Tiergesundheit. So sei Vitamin D3 nicht nur gut für die Menschen, sondern auch für die Kühe. „Der Einfluss von Vitamin D3 auf das Milchfiebergeschehen ist belegt. Auch wir haben wenig Probleme. Bei uns kommt es im Schnitt zu zwei Milchfieberfällen im Jahr“, sagt Högenauer.

„Es gibt zwar einige Ergebnisse zum Einfluss von Vitamin D3 auf die Rindergesundheit, aber sie sind häufig nicht so eindeutig auf den Lichteinfluss anzuwenden. Aktuell laufen mehrere Forschungsprojekte zu dem Thema Licht und Tiergesundheit“, erklärt der Milchviehhalter. In der Regel sei die Tiergesundheit immer von vielen Faktoren abhängig. Sieht man sich zum Beispiel die niedrigen Zellzahlen im Betrieb an, kann man sich fragen, ob der höhere Vitamin-D3-Spiegel eine Rolle spielt. Knapp 70.000 Zellen weist der Landeskontrollverband für den Betrieb aus. Man sieht aber auch, dass Högenauer ein ausgefeiltes Konzept hat.

Bei der Eutergesundheit verlässt er sich auf das Frühwarnsystem seines Melkroboters. Vor jeder Behandlung erstellt Högenauer ein Antibiogramm und kommt im Schnitt auf zwei Euterbehandlungen im Jahr.

Vielleicht haben auch die Sandbettwaben einen Anteil, die er mit abgesiebten Holzpellets einstreut und täglich sauber macht. Auch das Behandlungsregime beim Trockenstellen ist strikt. So werden alle Tiere mit externen und internen Zitzenversieglern geschützt. Kühe, die beim Schalmtest anschlagen, erhalten zusätzlich einen antibiotischen Trockensteller.

Auch bei der Fruchtbarkeit weiß man, dass das Sonnenlicht eine wichtige Rolle spielt. Mit einer Non-Return-Rate von 77 Prozent erzielt der Landwirt ein sehr gutes Ergebnis. Doch welchen Anteil spielt der Vitamin-D3-Spiegel und welchen die anderen Faktoren? Högenauer besamt selbst mit gesextem Sperma und nutzt dafür die Aktivitätsdaten des Melkroboters. Dabei versucht er, die Besamungszeitpunkte konsequent einzuhalten. Die Zwischenkalbezeit beträgt 430 Tage mit einer freiwilligen Rastzeit bei den Kühen von 120 Tagen. „Auf diese Weise haben wir weniger Jungvieh, das wir aufziehen müssen“, erklärt er. Auch die längere Rastzeit kann einen Anteil an den guten Besamungszahlen haben.

Tryptophan im Futter

Damit sich Vitamin D3 bilden kann, muss ausreichend Tryptophan im Futter sein. Das ist vor allem in Leguminosen enthalten. Daher nutzt Högenauer als Eiweißquelle Luzerne-Kleegras-Silage. Im Jahr erntet er vier bis fünf Schnitte, alle in Eigenregie. Als Stärkelieferant erntet er Maisshredlage (16 mm). „Wir machen Shredlage, weil das Korn fein zermahlen wird“, erklärt Högenauer. Gefüttert wird eine Ration. Sie besteht beim Grundfutter zu 60 Prozent aus Maisshredlage und zu 40 Prozent aus Luzerne-Kleegras-Silage. Dazu kommen Raps- und Getreideschrot sowie Mineralstoffe. Die Ration ist auf 32 kg ausgelegt. Leisten die Tiere mehr, erhalten sie am Roboter bis zu 6 kg Konzentrat.

„Die Trockensteher bekommen die gleiche Ration mit zusätzlich 10 Prozent Stroh“, erklärt Högenauer. Gleiches gilt für Jungvieh bis zwölf Monate.

Im Nebenerwerb

Was man kaum glauben kann: Högenauer führt den Betrieb mit seiner Frau im Nebenerwerb. Beide waren schon immer außerhalb der Landwirtschaft berufstätig und wollten das auch nach dem Neubau nicht aufgeben. So arbeitet er in Vollzeit als Betriebsleiter in einem Pelletwerk mit zwölf Mitarbeitern. Seine Frau hat eine halbe Stelle als Krankenschwester. „Ich kann meine Arbeitszeiten im Werk flexibel handhaben, das kommt mir entgegen, aber vor allem braucht es klare Strukturen und Absprachen, wenn es funktionieren soll“, erklärt der Milchviehhalter.

Im Betrieb ist er für die Kälber und das Jungvieh verantwortlich und füttert den gesamten Bestand. Dafür hat er einen Selbstfahrer-Futtermischwagen. Seine Frau erledigt die Arbeiten im Milchviehstall dreimal in der Woche morgens und jeden Abend. Er wiederum kontrolliert die Tiere auf der Roboterliste und besamt sie.

Da beide arbeiten, ist ein automatischer Futteranschieber unerlässlich. Der schiebt das Futter alle zwei Stunden bei den Laktierenden und den Trockenstehern an.

Was die Zukunft bringt

Högenauer plant derzeit den Bau eines Jungvieh- und eines Kälberstalls. Jungvieh und Kälber befinden sich noch auf der alten Hof- stelle. „Das ist noch ein Kompromiss und ich will alle Tiere an einem Standort haben. Damit verbessern wir die Haltung und mindern die Arbeitsbelastung“, erklärt Högenauer.

Außerdem denkt er an weitere Wachstumsschritte. „Wir könnten am Standort 250 Kühe an vier Melkrobotern halten.“ Das wäre die Option, wenn einer oder beide Söhne einsteigen wollten. Bis dahin ist jedoch noch etwas Zeit. Der ältere Sohn ist zwölf und der jüngere sechs Jahre alt. ●

Digitale Ausgabe agrarheute Rind

Schön, dass Sie in die digitale agrarheute reingelesen haben. Ihr überregionales Fachmagazin für moderne Landwirtschaft liefert Ihnen jeden Monat Informationen aus Politik, Technik und Tierhaltung und Ackerbau. So bleibt Ihnen mehr Zeit für das Wesentliche: die Landwirtschaft.

✔ Immer und überall verfügbar
✔ Artikel teilen
✔ Zusätzliche digitale Inhalte gegenüber der gedruckten Ausgabe
✔ Artikel merken und später lesen