Einfach nordisch
Auf den Punkt
- Die Nachfrage nach Milchprodukten ist in den Pandemiezeiten stark gestiegen.
- Das hat zum Anstieg der Milchquoten geführt und Tierhalter vor Herausforderungen gestellt.
- Die Norwegerin Bjørnhild Vigerust stellt daher ihr gesamtes Management um.
Eines ist nicht abzustreiten: Corona hat die Grundlagen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Miteinanders verändert und das auf unbestimmte Zeit. Bei allen negativen Auswirkungen auf das öffentliche Leben hat die Pandemie jedoch bei vielen Verbrauchern zu einem Umdenken geführt und lokal produzierte Lebensmittel werden mehr geschätzt. Diese Veränderung ist auch bei den norwegischen Milchbauern zu spüren. Die Nachfrage nach Milchprodukten ist seit dem weltweiten Virusausbruch gestiegen, was wiederum eine Erhöhung der Milchquoten nach sich gezogen hat, beispielsweise bei Landwirtin Bjørnhild Vigerust.
Aufgrund der starken Nachfrage nach Milchprodukten erhöhte sich ihre Quotenzulage im Jahr 2021 auf 107 Prozent. Das hat die 33-Jährige dazu veranlasst, ihre Herdenmanagementpläne zu ändern und im Sommer in die volle Produktion zu gehen, anstatt die Kühe trockenzustellen und auf die Bergweiden zu schicken, wie es dort normalerweise Tradition ist.
Auf starke Nachfrage reagiert
Der Milchviehbetrieb Vigerust liegt 550 m über dem Meeresspiegel in der Nähe eines kleinen Dorfs namens Dovre in den Berggebieten von Mittelnorwegen. Bereits im Jahr 2018 übernahm Bjørnhild Vigerust den elterlichen Familienmilchviehbetrieb und bewirtschaftet in damit in siebter Generation. Ihren Mann Bjørn, 29 Jahre, lernte sie im Jahr 2017 kennen. Seitdem leiten sie den Betrieb gemeinsam, wobei sie Vollzeit auf dem Hof arbeitet, während er noch einer außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht.
Etwa 54 ha bewirtschaftet der Familienbetrieb und besitzt knapp 160 Stück Vieh der landestypischen Milchviehrasse Norwegisches Rotvieh. Davon sind 61 melkende Kühe, 10 Trockensteher, 30 Färsen und 60 Kälber. Außerdem hält der Betrieb 18 Mastbullen.
Gemolken werden die Kühe dreimal täglich in einem Melkroboter von DeLaval. Die durchschnittliche Herdenleistung liegt bei 8.208 kg pro Kuh und Jahr, mit einem Fettanteil von 4,37 Prozent und 3,43 Prozent Protein. Die Milch wird an die größte lokale Molkerei mit dem Namen Tine verkauft. Es ist eine Genossenschaft mit 11.400 Eigentümern und 9.000 Genossenschaftsbetrieben. Der durchschnittliche Milchpreis liegt bei umgerechnet etwa 48 Cent/l Milch.
„Die Kühe werden künstlich besamt, wobei ein Teil der Herde bereits jetzt im Frühjahr und Sommer kalbt“, sagt Vigerust. Ansonsten kommen die Kühe als auch die Färsen ab Mitte Mai auf die Weide und bleiben dort im Sommer, auch über Nacht. Sie können selbst entscheiden, ob sie draußen oder drinnen sein wollen. „Im September oder Oktober holen wir sie wieder in den Stall. Dann wird es normalerweise schon recht kalt und wir haben den ersten Schnee“, sagt Bjørnhild Vigerust.
Im Winter erhalten die Kühe Grassilageballenfutter und ein 30-prozentiges Proteinkonzentrat. Aufgrund des kalten Klimas und der kurzen Vegetationsperioden bauen die Landwirte nur Raufutter an und selbst das kann manchmal problematisch sein, um ausreichend Futter für den Winter zu ernten.
Das ist einer der Gründe, warum die Kühe im Sommer meistens trockenstehen, denn dann haben die Landwirte die Möglichkeit, die Tiere auf den ertragsärmeren höheren Almen weiden zu lassen, während die ertragreicheren Weiden um den Betrieb der Futtergewinnung dienen. „Dieses Herdenmanagement führt jedoch zu Milchengpässen im Sommer und die Tine-Molkerei bietet in dieser Zeit einen höheren Milchpreis an“, sagt Vigerust.
Aus diesem Grund plant die Tierhalterin, die Besamung ihrer Kühe so zu verlegen, dass die Abkalbesaison komplett in die Sommermonate fällt, um so viel Milch wie möglich zu produzieren. Das bedeutet auch, dass sie Teile der Flächen für die Winterfütterung beweiden lassen muss, aber die Landwirtin ist sich sicher, dass sie damit zurechtkommt.
Tatsächlich hat die Corona-Pandemie den Lebensmittelmarkt in Norwegen verändert. Mit mehr Importbeschränkungen und weniger Norwegern, die nach Schweden reisen, um billigere Lebensmittel zu kaufen, steigt die Nachfrage nach norwegischen landwirtschaftlichen Produkten jeden Monat.
„Man kann sagen, dass wir Landwirte endlich geschätzt werden. Die Nachfrage nach Milch ist groß und hat zu einem Anstieg der Milchquoten geführt. Es ist traurig, dass es eine Pandemie braucht, damit die Verbraucher heimischen Lebensmittel zu schätzen lernen. Das scheint aber in Norwegen der Fall zu sein“, sagt Vigerust.
Automatisierung im Milchviehstall
Neue Technologien und Geräte spielen eine entscheidende Rolle auf dem Betrieb Vigerust. Beispielsweise setzt die Milchviehhalterin auf ein automatisches Fütterungssystem. Mit dem TKS Combi-Cutter können ganze Rundballen zerkleinert und verarbeitet werden. Das kleingehäckselte Raufutter wird dann über ein Förderband zu den Kühen transportiert. Mittels Minilader von Norcar werden die Kälber und Bullen gefüttert und auf dem Hof alle möglichen Aufgaben erledigt.
Zudem ist der Melkroboter mit einer Kamera ausgestattet, die die Körperkondition der Tiere erfasst. Das soll die Futtereffizienz und die Milchleistung steigern und gleichzeitig Stoffwechselprobleme reduzieren. Ein Selektionstor von DeLaval sorgt nach Angabe der Landwirtin für einen reibungslosen und stressfreien Kuhverkehr im Stall.
Außenstall für Kälber geplant
Zukünftig will Bjørnhild Vigerust noch einen mobilen Stallreiniger von Lely Discovery im Stall einbauen lassen, der sowohl die manuelle Reinigung erleichtert als auch die Klauengesundheit sicherstellen soll. „Obwohl wir viel in die Gebäude und in neue Technologien investiert haben, ist auf unserer Farm nicht alles automatisiert. Da ich gerne Zeit mit den Kühen verbringe, sorge ich letzten Endes dafür, dass alles in Ordnung ist“, sagt Vigerust.
Diesen Ansatz verfolgt die Landwirtin auch in der Jungtieraufzucht. „Komfort ist uns auch bei den Kälbern wichtig“, sagt sie. Die Tiere stehen in mit Stroh eingestreuten Abteilen, erhalten Milch ad libitum am Kälberautomaten und anschließend Heu und Silage mit Kälberkonzentrat und Wasser. Für nächstes Jahr plant sie einen Außenstall für die Kälber, damit sie im Sommer draußen sein können. „Darüber hinaus planen wir, Getreide im benachbarten Dorf Lom anzubauen und wir bewirtschaften derzeit neue Flächen für Futter und Weideland.“ Mit Blick auf die Zukunft hofft Bjørnhild Vigerust, den Herdenertrag zu steigern und den Kuhkomfort weiter zu erhöhen. (jd) ●
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