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Abkalbeboxen für einen guten Start

Matthias Marohn hat in seiner Abkalbebucht eine Fang- und Fixiervorrichtung integriert. Das Schwenktor kann er umklappen und per Seilzug das Fanggitter fixieren.

Auf den Punkt

  • Wenn Kühe die Wahl haben, entscheiden sie sich mehrheitlich für die Sandbucht.
  • Je nach Buchtenart sollten die Tiere zwischen 8 und 18 m2 Platz haben.
  • Ein zu frühes Eingreifen bei der Geburt erhöht das Krankheitsrisiko der Kühe.

Zum Kalben im natürlichen Lebensraum verlassen Kühe die Herde, um einen geschützten Bereich, zum Beispiel hohes Gras oder Büsche zum Abkalben aufzusuchen. Vor diesem Hintergrund stellten Forschende der Universität in British Columbia abkalbende Kühe vor die Wahl zwischen einer 18 m² offenen Bucht und einer 15 m² Bucht, die mit einer 1,5 m hohen Mauer umgeben war. Kühe, die nachts kalbten, wenn das Stalllicht aus und kein Personal anwesend war, zeigten keine Präferenz zwischen den beiden Abkalbebuchten. Kühe, die tagsüber kalbten, wollten bevorzugt in die geschützte Umgebung. Über 80 Prozent der Abkalbungen fanden dort statt, wobei sich die Kühe bereits mit Einsetzen der Wehen, etwa 8 Stunden vor der Geburt, zurückzogen. Eine weitere Studie untersuchte, welchen Bodenbelag Kühe in der Abkalbebucht bevorzugen. Dafür konnten sie zwischen Sand, Gummimatten und Beton wählen, wobei alle Varianten mit rund 15 cm Stroh eingestreut wurden. Die Wahl der meisten Kühe (10 von 17) fiel auf die Sandbucht, einige bevorzugten Beton (6 von 17) und nur eine Kuh kalbte auf dem Gummibelag.

Die Sandabkalbebucht lässt sich gut maschinell befüllen. Im Winter ist der Sand allerdings kalt.

Ob Sand zum Gesamtkonzept im Betrieb passt, hängt stark vom Entmistungssystem ab. Besonders in Stallumbauten, bei denen Kompromisse beim arbeitswirtschaftlichen Entmisten eingegangen werden müssen, kann ein Bodenbelag aus Gummi im Abkalbebereich eine gute und hygienische Lösung sein. Inzwischen gibt es neben gepuzzelten Matten auch fugenlose Systeme, die einfacher sauber zu halten sind. Wichtig ist, dass ausreichend eingestreut wird. Die Einstreu saugt Flüssigkeiten auf und sorgt für einen rutschsicheren Untergrund bei Kuh und Kalb.


Einzel- oder Gruppenbuchten?

Immer wieder kommt die Frage auf, ob Einzel- oder Gruppenbuchten besser sind. Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile. Auch wenn Kühe sich zur Geburt isolieren wollen, sollte Blickkontakt vom Abkalbebereich zur Herde möglich sein, um unnötigen Stress zu vermeiden, denn das Stresshormon Adrenalin blockiert die Wehen und die Geburt kann länger dauern. Aus arbeitsorganisatorischen Gründen bietet es sich an, den Abkalbebereich in der Nähe des Trockensteherbereichs einzurichten. Dann können die Tiere auf kurzem Weg umgestallt werden. In Einzelbuchten sollten die Tiere mindestens 12 m², besser 16 bis 18 m² an Fläche haben. Damit man ausreichend Platz zur Geburtshilfe hat, gilt als Mindestbreite 3,5 m, wobei dieses Maß auch durch Ausklappen einer Abtrennung erreicht wird. Um den Infektionsdruck zu senken, sollte eine Abkalbebucht nach dem Reinigen leer stehen können. Dafür sind mindestens zwei Abkalbebuchten im Betrieb einzu- planen. Bei kontinuierlichem Abkalben und rechtzeitigem Umstallen, geht man von einem Platzbedarf für 5 bis 8 Prozent der Herde aus, mindestens jedoch für 3 Prozent.

Gruppenbuchten konzipiert man in der Regel für vier bis fünf Kühe, die zwei bis drei Wochen vor dem errechneten Abkalbetermin umgestallt werden. In größeren Betrieben bietet es sich an, zusätzliche Abkalbebereiche für Färsen einzurichten (maximal 5 Tiere). Die Abkalbebuchten sollten nicht quadratisch, sondern lang und tief sein, bei einer Mindestbreite von 4 m zum Beispiel 8 m tief. Die Strohflächen sollte man mit 8 bis 12 m² je Tier einplanen. Je Tier sind rund 10 kg Stroh am Tag einzukalkulieren. Um Arbeit zu sparen, bevorratet man es am besten in der Nähe, zum Beispiel oberhalb der Bucht. Nach jeder Geburt wird die Einzelbucht gereinigt (Rein-Raus-Prinzip).

Gruppenbuchten sollte man alle 14 Tage reinigen, denn bei diesem System wird üblicherweise kontinuierlich ein- und ausgestallt. Neben dem Reinigen muss regelmäßig desinfiziert werden. Dafür sind je nach Jahreszeit unterschiedliche Desinfektionsmittel zu empfehlen, denn die Umgebungstemperatur beeinflusst die Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln entscheidend. Es sollten daher von der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) gelistete Mittel verwendet werden (www.dvg.net/desinfektion/desinfektionsmittellisten). Hinweise, ob ein problematischer Keimdruck vorhanden ist, bieten zum Beispiel die Kennzahlen zur Eutergesundheit der Milchkontrolle. Erkranken viele Kühe innerhalb der Trockenstehzeit, kann dies unter anderem an Hygienemängeln in der Abkalbebucht liegen.

In diesem Beispiel hat der Abkalbebereich einen Weidezugang.

Man sollte die Abkalbebucht keinesfalls zusätzlich als Krankenbucht nutzen. Krankheitserreger, vor allem Bakterien, können sonst das neugeborene Kalb und die durch die Geburt geschwächte Kuh infizieren. Nabelentzündungen beim Kalb oder Gebärmutterentzündungen bei der Kuh sind dann vorprogrammiert.

Der Abkalbebereich verfügt idealerweise über folgende Ausstattung:

  • Sichtschutz/Rückzugsort für die Kuh,
  • Hilfsmittel zur Geburtshilfe,
  • gute Beleuchtung,
  • Warmwasser,
  • ausreichend Stroh zum Abreiben des Kalbs,
  • Melkmöglichkeit,
  • Tränkewasser,
  • Fixiermöglichkeiten.

Für große Betriebe wird ein spezieller Erstversorgungsraum für Kälber empfohlen. Dort kann man das Kalb unmittelbar nach der Geburt hineinlegen und es stehen alle nötigen Hilfsmittel bis hin zum Kolostrum zur Verfügung. Die Kuh kann durch ein Fanggitter Kontakt halten und auf einfache Weise fixiert werden.

Hier lagert das Stroh gut verfügbar direkt oberhalb der Abkalbebucht.

Wann in den Abkalbebereich?

Wenn erste Anzeichen einer nahenden Geburt erkennbar sind, sollten Kühe in die Abkalbebucht umgestallt werden. Das erfordert eine konsequente Überwachung, damit der Geburtszeitpunkt nicht übersehen wird. Werden abkalbende Kühe „just in time“ in die Abkalbebucht verbracht (das heißt, rund zwei Stunden vor der Geburt), dann dauert die Geburt im Schnitt 30 Minuten länger, wie eine kanadische Studie zeigt. Wird zu früh Geburtshilfe geleistet, erhöht sich das Risiko für Gebärmutterentzündungen.

Abgesehen davon steigt bei zu frühem Eingreifen auch das Risiko für Schwergeburten. Gebärmutterentzündungen mindern die Milchproduktion, verschlechtern die Fruchtbarkeit und verkürzen die Nutzungsdauer. Daher empfehlen die Forscher der University of British Columbia, möglichst erst 130 Minuten nach dem Platzen der Fruchtblase bei der Geburt zu unterstützen. Besonders hoch war das Risiko für eine Gebärmutterentzündung bei kurzen und bei lang andauernden Geburten mit Geburtshilfe (siehe Grafik „Mit der Geburtshilfe nicht zu früh beginnen“). Dagegen gab es bei Kühen, die alleine abkalbten, keinen Zusammenhang zwischen der Geburtsdauer und dem Auftreten von Gebärmutterentzündungen. Kühe, die keine Hilfe benötigten, kalbten im Durchschnitt schneller ab (57,5 gegenüber 118,6 Minuten).

Ein natürlicher Geburtsverlauf stimuliert die Atmung des Kalbs, den Milcheinschuss der Mutterkuh und den Abgang der Nachgeburt. Daher sollte man nicht eingreifen, solange die Kuh starke, regelmäßige Wehen hat und die Geburt voranschreitet. Wenn nach dem Blasensprung beide Vorderfüße auf gleicher Höhe sind und das Flotzmaul dahinter erkennbar ist, kann man erst einmal abwarten.

Im Zweiflächensystem werden die Kühe zum Entmisten und Einstreuen auf den Fressgang gesperrt.

Automatische Geburtsüberwachung?

Die Geburt kontinuierlich visuell zu beobachten ist für viele Betriebe eine große Herausforderung. Dabei geht es nicht nur darum, den Geburtsverlauf zu beobachten, sondern auch das Kalb rechtzeitig zu versorgen. Studien zeigen, dass nur 42 Prozent aller Kälber innerhalb der ersten drei Stunden ausreichend Kolostrum erhalten. Dabei ist es essenziell, dass neugeborene Kälber die Immunglobuline der Mutter erhalten, da sie ohne eigene Antikörper auf die Welt kommen.

Unter den technischen Möglichkeiten, eine nahende Geburt früh zu erkennen, gibt es einige vielversprechende Systeme (siehe Grafik „Abkalbemelder“). Wie in anderen Bereichen auch, werden die Alarmmeldungen genauer und korrekter, wenn man mehrere Parameter miteinander kombiniert. Für die Praxis ist es außerdem wichtig, wie rechtzeitig vor der Geburt die Systeme anschlagen. Auch die Handhabung ist wichtig.

Einige Systeme sind aufwendig anzubringen und andere sind schwierig sicher zu befestigen. So gibt es zum Beispiel Anwendungstests mit einem Abkalbealarmsystem am Schwanz, das im Schnitt 1,7-mal je Kuh abfiel. Daher empfiehlt es sich in jedem Fall, auch ein Kamerasystem zur visuellen Kontrolle der Abkalbebucht zu installieren. Am interessantesten sind derzeit Systeme, die nicht nur zur Vorhersage des Kalbezeitpunkts, sondern außerdem zur Brunstüberwachung und zur Krankheitsfrüherkennung genutzt werden können. Damit machen sich Investitionskosten und Aufwand für die Technik schneller bezahlt.

Wie in anderen Bereichen des Herdenmanagements gilt für das Abkalben, dass nur bewertet werden kann, was auch erfasst und dokumentiert wird. Dabei hilft ein systematisches Abkalbemonitoring zum Kalbeverlauf, dem Geburtsgewicht des Kalbs und der Trächtigkeitsdauer (siehe Grafik „Abkalbemonitoring“).

Weniger Abkalbungen?

Da jede Abkalbung im Leben einer Milchkuh eine besonders betreuungsintensive und durchaus kritische Phase darstellt, fragen sich immer mehr Betriebe, ob es ökonomisch sinnvoll sein kann, die Anzahl der Geburten zu verringern. Dies gelingt, wenn die Laktationen verlängert werden, indem gezielt später neu besamt und damit die freiwillige Wartezeit verlängert wird. Interessant ist dies besonders für Betriebe mit Milchleistungsrassen, deren männliche Kälber beim Verkauf geringe Erlöse einbringen und die kaum kostendeckend aufzuziehen sind. Bei Kühen mit hoher Milchleistung und guter Persistenz lässt sich die freiwillige Wartezeit durchaus drastisch verlängern. Zwischenkalbezeiten von 500 Tagen sind dann immer noch wirtschaftlich. Für Betriebe mit Zweinutzungsrassen stellt sich die Frage weniger, wenn zum Beispiel Fleckviehkälber gute Erlöse bringen.

Es kann für Betriebe ökonomisch sinnvoll sein, die Anzahl der Geburten zu verringern.

Prof. Dr. Barbara Benz, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt, Nürtingen-Geislingen

Wer auf einfache Weise durchrechnen will, wie sich die Zwischenkalbezeit auf seinen Tierbestand auswirkt, kann ein frei verfügbares Excel-Tool nutzen. Der „Bestandsrechner“ (www.eip-rind.de/infothek) ermöglicht es außerdem, eine saisonale Abkalbung zu simulieren, um einen raschen Überblick über die benötigten Tierplätze in der Jungtieraufzucht zu erhalten. Gerade beim Umbau sollte man zuerst die Bestandsplanung optimieren, bevor man im Bereich der Ressourcen für Abkalbende, Trockensteher und frisch melkenden Kühe Kompromisse eingeht! (mp) 

Praktiker

Weidekalbung und Fokus auf die Kälber

Benedikt Renz ist sich noch nicht sicher. Die Abkalber stehen jetzt auf Kompost, doch ob das die Lösung ist? „Davor hatten wir hier Stroh und die Kühe kalbten im Tiefstreustall. Für die Kühe war das stressfrei, aber von der Hygiene her, war es für die Kälber nicht optimal“, sagt der Milchviehhalter. Das war auch der Grund, warum er jetzt den Versuch mit dem Kompost gestartet hat.

Benedikt Renz setzt im Sommer auf Weideabkalbungen.

Renz ist eigentlich ein Freund von Weidekalbungen. „Wir versuchen, die meisten Kalbungen auf den Sommer zu legen und die Tiere auf der Weide kalben zu lassen“. Das funktioniere auch ganz gut. Rund zwei Wochen verbringen die Trockensteher im Sommer auf der Weide. Für sie hat Renz eine 5 ha große Standweide direkt am Betrieb und auch jemanden, der die Herde regelmäßig kontrolliert sowie die Kälber entsprechend versorgt und in den Kälberstall bringt. Zur Erstversorgung gehört die Nabeldesinfektion, aber auch eine Vitamin E- und Selenspritze zum Start. Die Kälber kommen direkt in einen Gruppenstall.

Hier sollen sie so früh wie möglich Kolostrum aufnehmen. Für den Fall, dass die Mutter nicht ausreichend Kolostrum oder dieses eine zu schlechte Qualität hat, bevorratet der Landwirt gespindeltes eingefrorenes Kolostrum in PET-Flaschen. 4 l Kolostrum ist das Ziel. Gedrencht wird nicht, sondern immer wieder probiert. „Mit dem Drenchen kann man viel kaputtmachen und bei den Kälbern einen bleibenden Schaden verursachen“, ist der Landwirt überzeugt.

Der Kälberstall ist so angeordnet, dass sich Kalb und Mutter sehen und hören können, aber keinen Kontakt haben. „Es gibt tat- sächlich Kühe, die kommen, um zu fressen und Kontakt zu ihrem Kalb aufzunehmen, aber es sind die wenigsten. So haben die Tiere Kontakt, ohne dass es Keimdruck gäbe.“

Die Kälbergruppenställe werden im Rein-Raus-Verfahren gefahren, um Infektionsketten zu unterbrechen. Jedes Abteil hat die Breite einer Radladerschaufel, was das Saubermachen erleichtert.

Nach der Kolostrumgabe erhalten alle Tiere angesäuerte Milch ad libitum. Im Säuerungsmittel befindet sich zusätzlich ein Eisenzusatz. Außerdem werden Heu und Wasser angeboten. Der Landwirt hat außerdem einen Trick, wie er Durchfallkälber im Vorfeld erkennt: Die Tiere erhalten Bentonit. „Wenn Tiere von dem Pulver eine graue Nase bekommen, weiß ich, dass hier Durchfall im Anzug ist und ich achte besonders auf diese Kandidaten.“ Nach rund sechs Wochen werden die Tiere abgesetzt. Rund 800 l Milch saufen sie bis zu Absetzen. Anschließend erhalten sie neben Heu auch Kraftfutter. Ab der zweiten Woche haben alle Kälber Zugang zur Weide.

Die männlichen Kälber werden je nach Rasse verkauft, Schwarzbunte in der Regel mit drei Wochen, die anderen Tiere ent-sprechend später, doch Renz denkt darüber nach, die männlichen Tiere selbst aufzuziehen, und sucht noch nach Möglichkeiten, um Ochsen mit anderen Kollegen großzuziehen. „Die männlichen Tiere bekommen erst mit 15 Monaten eine Fleischmarmorierung. Also muss man sie länger halten. Wir wollen hier auf Qualität statt auf Masse setzen und den Mehrwert selber erzeugen“, erklärt Renz.(mp)

Zum Abkalben befinden sich die Kühe in einem Kompoststall.

Die Aufzucht der Kälber erfolgt nach dem Rein-Raus-Verfahren.

Prof. Dr. Barbara Benz 

Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
E-Mail: barbara.benz@hfwu.de

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