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Interview

Das bringt die neue TA Luft

Die Neufassung der TA Luft tritt voraussichtlich im Herbst 2021 in Kraft. Damit sollen insbesondere die Ammoniakemissionen weiter gesenkt werden.

Was regelt die TA Luft und inwieweit sind insbesondere Schweinehalter hiervon betroffen?

Die etwa 500 Seiten umfassende Verwaltungsvorschrift regelt unter anderem die zulässigen Emissionen und Immissionen von Luftschadstoffen wie Ammoniak, Feinstaub oder Gerüchen aus Tierhaltungsanlagen. Mit der novellierten TA Luft hat die Bundesregierung die europäischen Schlussfolgerungen zu den „Besten Verfügbaren Techniken“ (BVT) umgesetzt und sogar noch verschärft.

Besonders betroffen sind immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen mit mindestens 560 Sauen-, 1.500 Mast- oder 4.500 Ferkelplätzen. Hier sind künftig eine Reihe von baulich-technischen und betrieblichen Maßnahmen zur Emissionsminderung umzusetzen, unabhängig von den konkreten Standort- und Umgebungsbedingungen einer Anlage. Allerdings können diese Regelungen auch als Maßstab für baurechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen, also für Betriebe mit weniger Tierplätzen, herangezogen werden.

Interviewpartnerin

Heike Donhauser

IBE-Ingenieurbüro Dr. Eckhof GmbH Ahrensfelde, Vorstandsmitglied im VUSA e. V. (Verband unabhängiger Sachverständiger im Agrar-Umweltbereich)

Was kommt konkret auf die Betriebe zu und wo liegen die wesentlichen Knackpunkte?

Als „Stand der Technik“ gelten nunmehr folgende betrieblichen Maßnahmen, die vor allem die Ammoniakemissionen reduzieren sollen: Erstens der Einsatz rohprotein- und phosphor-angepasster Futtermischungen sowie, zweitens, der Einbau qualitätsgesicherter Abluftreinigungsanlagen für mit Zwangslüftung ausgestattete Ställe ab einer bestimmten Größenordnung - hier zählen die schon erwähnten Anlagengrößen.

Ein weiterer Punkt ist das Abdecken von Güllebehältern mit 90-prozentiger Emissionsminderung. Bisher waren 80 Prozent der Standard. Die neue Vorgabe lässt sich zum Beispiel mit einer Zeltabdeckung erreichen. Bisher übliche Strohhächseldecken oder Granulate sind nicht mehr zulässig. Altbehälter sind so abzudecken, dass die Emissionen um mindestens 85 Prozent gemindert werden. Auch das Abdecken oder Überdachen von Festmistlagerflächen ist künftig vorgeschrieben.

Zu beachten ist künftig auch, dass beim Neubau von Anlagen an einem Standort gegenüber Wohnbebauungen ein Mindestabstand von 100 m (Außenkante Stall oder Auslauffläche) einzuhalten ist. Gegenüber geschützten Biotopen oder Ökosystemen soll ein Abstand von 150 m nicht unterschritten werden.

Apropos Filterpflicht: Wer muss diese Auflage bis wann umsetzen?

Die Filterpflicht gilt, wie schon erwähnt, für alle immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Schweinehaltungsanlagen. EU-rechtlich ist die Abluftreinigung nicht zwingend vorgeschrieben, da die BVT-Schlussfolgerungen einen Katalog an Maßnahmen zulassen. Die Abluftreinigung liegt hier lediglich am unteren Ende der Bandbreite. In Deutschland sind durch die Abluftfilter Emissionsminderungsgrade für Staub, Ammoniak und Gesamtstickstoff von jeweils mindestens 70 Prozent zu gewährleisten. Darüber sollte die Konzentration an Geruchsstoffen im Reingas weniger als 500 Geruchseinheiten je Kubikmeter betragen. Bei neuen Ställen gilt die Pflicht zur Abluftfilterung sofort. Bei bestandsgeschützten Anlagen liegen die Übergangsfristen zwischen fünf und acht Jahren. Ist hier allerdings die Umsetzung technisch nicht möglich, müssen andere Minderungstechniken angewendet werden, die für Ammoniak eine Emissionsminderung von mindestens 40 Prozent bewirken.

Welche Verfahren spielen hier eine Rolle?

In der Schweinehaltung sind alternativ zur Abluftreinigung mehrere emissionsmindernde Techniken denkbar: Dazu zählen ein Teil- und Vollspaltenboden mit geneigten Seitenwänden im Güllekanal oder ein Teilspaltenboden mit getrenntem Gülle- und Wasserkanal. Auch ein geneigter Teilspaltenboden mit Kotbändern (zum Beispiel V-förmig) kann bei mehrmals täglichem Entmisten zum Einsatz kommen. Ein weiterer Punkt ist die Güllekühlung im Stall auf dauerhaft höchstens    10 °C durch Kühlrippen an der Gülleoberfläche oder Kühlungsleitungen auf dem Fundament. Auch die Gülleansäuerung im Stall ist eine Alternative zur Abluftreinigung. Bei tiergerechtem Außenklimastall könnte ein Kisten- oder Hüttensystem mit Teilspaltenboden oder Schrägbodensystem zum Einsatz kommen.

Stichwort Fütterung: Welche Vorgaben gelten hier konkret?

Die Schweinehalter müssen künftig eine mehrphasige, nährstoffreduzierte Fütterung gewährleisten. Die Stickstoff- und Phosphorgehalte in den Ausscheidungen von Schweinen dürfen bestimmte Werte nicht überschreiten. Sie entsprechen im Wesentlichen den Zahlen für die stark nährstoffreduzierte Fütterung laut Düngeverordnung. Interessant dabei ist: Im Vergleich zur TA Luft sind in den BVT-Schlussfolgerungen Spannen festgelegt, in denen sich das hierzulande verwendete Universalfutter einordnet. Aus europäischer Sicht wäre der Einsatz einer stark nährstoffreduzierten Fütterung also nicht erforderlich.

Inwieweit entschärft die neue TA Luft den Zielkonflikt zwischen Tierwohl und Immissionen? Gibt es für Tierwohlställe Erleichterungen?

Meines Erachtens gibt es nur wenige Zugeständnisse für Tierwohlställe. Ist bei qualitätsgesicherten Haltungsverfahren, die nach- weislich dem Tierwohl dienen, der Einsatzvon Abluftfiltern technisch nicht möglich, sollen – soweit realisierbar – andere emissionsmindernde Verfahren und Techniken angewendet werden. Damit muss dann bei Ammoniak für Außenklimaställe ohne Auslauf eine Emissionsminderung von mindestens 33 Prozent im Vergleich zum Referenzwert erreicht werden.

Die neue TA Luft ist aufgrund der verschärften Auflagen mit einer erheblichen Kostenbelastung für die Betriebe verbunden.

Heike Donhauser, Expertin für Immissionsschutz

Völlig unklar ist dabei aber, wie das erfolgen kann, wenn zum Beispiel Auslaufflächen hinzukommen, die wiederum zusätzliche Emissionen verursachen. Für die Stallinnenbereiche sind die bereits genannten Minderungstechniken zur Reduzierung von Ammoniakemissionen aufgezeigt.

Neu ist auch, dass die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) in die TA Luft aufgenommen wurde. Welche Folgen hat das für die Schweinehalter?

Die Geruchsimmissionsrichtlinie soll helfen, die Geruchsbelästigung der Bevölkerung abzuschätzen und ein Nebeneinander von Wohnbebauung und Landwirtschaft ermöglichen. Das Integrieren in die TA Luft ändert für größere Anlagen eigentlich nicht sehr viel, da die Regelung ohnehin schon anzuwenden war. Bei kleineren Anlagen könnte die Aufnahme einer Bagatellschwelle (festgelegte Geruchsstoffemission) eine Beurteilungspflicht entbehrlich machen. Für Tierwohlställe mit Auslauf wurden geringfügige Erleichterungen bei der Höhe der zu ermittelnden Immissionen (spezieller Gewichtungsfaktor) festgelegt.

Welche Kosten kommen mit der neuen TA Luft auf die Schweinehalter zu?

Die novellierte TA Luft verschärft die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen für die Betriebe deutlich und ist mit hohen Investitions- und teilweise nicht unerheblichen Betriebskosten für den Einsatz von Abluftfiltern, für Abdeckungen von Güllebehältern und Festmistlagerstätten sowie für spezielle Fütterungseinrichtungen verbunden. Darüber hinaus bedeuten die Dokumentationspflichten gegenüber der Behörde hinsichtlich der Fütterung (einmal jährlich) und für den Nachweis der übrigen Vorsorgemaßnahmen einen nicht unerheblichen Mehraufwand. ●

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