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Praxisfall des Monats

Wenn Kokzidien im Spiel sind

Für Moritz Stöferle, hier mit Tierärztin Dr. Christine Söckerl bei der Gesundheitskontrolle der Ferkel, hat sich das neue Behandlungskonzept ausgezahlt.

Auf den Punkt

  • In einem Betrieb traten vermehrt Saugferkeldurchfälle ab der zweiten Lebenswoche auf.
  • In der Diagnostik ließen sich Darmparasiten, sprich Kokzidien, als Ursache nachweisen.
  • Mit einem neuen Behandlungskonzept ließ sich neben Kokzidien auch Eisenmangel vorbeugen.

Bei uns ist es lange gut gelaufen mit dem Hygienekonzept, den Betrieb komplett abzuschotten. Nur einen Eber haben wir bei Bedarf zugekauft. Doch Ende 2020 begannen die Probleme im Abferkelstall“, berichtet Moritz Stöferle aus dem baden-württembergischen Ringingen im Alb-Donau-Kreis.

Der 27-Jährige bewirtschaftet zusammen mit seinem Vater Otto einen Betrieb mit 110 ha Ackerbau und Schweinen im geschlossenen System. Die 190 German-Hybrid-Sauen werden selbst remontiert, die Ferkel komplett selbst aufgezogen und gemästet. Auch das Vermarkten der Mastschweine über den Schlachthof und Metzger bleibt bis zum Schluss in der Hand der Landwirte.

Wässriger Durchfall bei Ferkeln

„Das Problem zeigte sich in gelblich fettigen bis hin zu wässrigen Durchfällen bei den Saugferkeln ab der zweiten Lebenswoche. Die Tiere nahmen schlechter zu und die Würfe wuchsen zunehmend auseinander“, schildert Moritz Stöferle die damalige Situation. Dies habe letztlich auch zu verringerten Absetzgewichten und höheren Verlusten geführt.

Im Ergebnis der umfangreichen Diagnostik durch den bestandsbetreuenden Tierarzt Dr. Markus Rahbauer von der Schweinepraxis Scheidegg kam man einer Kokzidieninfektion auf die Spur. „Ich glaube, dass die allermeisten Betriebe Kokzidien haben“, zeigt sich der Tierarzt vom Ergebnis gar nicht so überrascht. Überraschender sei, dass man einen eindeutigen Befund habe, denn die Diagnostik sei schwierig und für die meisten Landwirte schon wegen des Aufwands unbeliebt und bislang schlecht umzusetzen (siehe Kasten „Kokzidien: Diagnostik zum richtigen Zeitpunkt“).

Kokzidien: Diagnostik zum richtigen Zeitpunkt

Treten immer wieder unblutige Durchfälle im Abferkelstall auf, wobei die Tierenur schlecht auf Antibiotika ansprechen, kann eine Kokzidieninfektion dahinterstecken. Ein Nachweis von Oozysten im Kot ist dennoch oft nicht möglich. Grund ist das kurze, tierindividuelle Zeitfenster der Ausscheidung von nur einem Tag, rund ein bis zwei Tage nach Beginn der Erkrankung. Durchfall und Oozysten sind am 5. bis zum 7. und vom 11. bis zum 13. Tag nach der Infektion zu finden. Meist ist der erste Schub in der zweiten Lebenswoche (10-Tage-Durchfall) zu beobachten. In dieser und der Folgewoche sollte je eine Probe genommen werden.

Die Konsistenz des Kots gibt aber keinen sicheren Hinweis,ob Oozysten ausgeschieden werden. Bei Tieren mit besonders wässrigem Durchfall sind die Oozystenzahlen meist gering. Umso wichtiger ist es, eine ausreichend große Zahl von Tieren zu beproben, denn auch in einem Bestand mit klinischer Kokzidiose kann ein Großteil der Proben negativ sein. Experten raten zu einer gezielten Entnahme mehrerer Einzeltierkotproben je Wurf am Ende der zweiten Lebenswoche – vorzugsweise von Tieren, bei denen der Durchfall bereits ein bis zwei Tage besteht. Ist das Ergebnis negativ, sollte die Probennahme nach einer Woche wiederholt werden.

Ein Probennahme-Kit, der beim Hoftierarzt zu beziehen ist, ermöglicht es Ferkelerzeugern mittlerweile, unabhängig vom Besuch des Tierarzts im richtigen Zeitfenster selbst Kotproben zu nehmen und zur Diagnose – mit genauer Beschreibung der Proben und Betriebsdaten – in ein Labor einzuschicken. Damit lässt sich ein gesichertes Bild über eine Kokzidieninfektion im Bestand erhalten.

Auch die orale Kokzidienprophylaxe mit dem Wirkstoff Toltrazuril sei laut Markus Rahbauer unbeliebt, weil der Stress für die kleinen Ferkel beim Drenchen groß sei und sie lange gehalten werden müssten, bis sie das Präparat vollständig geschluckt hätten. „Nach Stress nehmen die Ferkel in den Folgestunden zu wenig Milch auf. Das wirkt sich negativ auf die Entwicklung der Jungtiere aus und kann bei der Sau zu Milchstau führen“, erklärt der Tierarzt.

Tierarzt Dr. Markus Rahbauer rät den Betrieben, gezielt gegen Kokzidien vorzugehen.

Die Ferkel im Betrieb Stöferle hatten sich also mit dem Darmparasiten Cystoisospora suis infiziert, auch als Isosporose oder „zehn-Tage-Durchfall“ bekannt. Die Infektion der Tiere erfolgt bereits in den ersten Lebensstunden. Schon die Aufnahme von 10 bis 100 Oozysten aus der Buchtenumwelt ist ausreichend für den Befall der Enterozyten des Dünndarms und führt zum Verkümmern, Absterben oder Verklebungen der Darmzotten. Dadurch vermindert sich die für die Nahrungsresorption notwendige Oberfläche des Dünndarms.

Oozysten schädigen Darmzotten

Die Infektion äußert sich – wie auch im Betrieb Stöferle – in unblutigem Durchfall, der meist um den zehnten Lebenstag herum auftritt. Der Durchfall ist zuerst gelblich, pastös und fettig und enthält eine hohe Zahl Oozysten. In der akuten Phase einer Kokzidiose ist er halbflüssig, „von der Konsistenz einer After-Sun-Lotion“, wie Prof. Dr. Anja Joachim vom Institut für Parasitologie an der Vetmeduni Vienna ihn plakativ beschreibt.

Ein Tropfen Blut reicht, um den Eisenstatus der Ferkel zu kontrollieren.

Hämoglobinwerte von über 110 g/l Blut zeigen eine optimale Eisenversorgung der Tiere an.

Laut der Parasitologin zeigen die Symptome oft ein uneinheitliches Bild, denn die Schwere des Verlaufs hänge vom Infektionszeitpunkt und der Menge aufgenommener Oozysten ab. „Tiere, die sich unmittelbar nach der Geburt infizieren, erkranken sehr viel schwerer und scheiden höhere Mengen Oozysten aus als später infizierte Tiere. Unbehandelte oder zu spät behandelte Ferkel scheiden Millionen von Oozysten aus, durch die sowohl Wurfgeschwister wie auch Würfe in nachfolgenden Durchgängen infiziert werden“, erklärt Joachim.

Mittels zum richtigen Zeitpunkt genommener Kotproben lassen sich Kokzidien nachweisen

Wirtschaftlich relevant

Wovon man im Betrieb Stöferle glücklicherweise weitgehend verschont blieb: Bei sehr jungen Ferkeln ist eine hohe Sterblichkeit bis zu Ausfällen ganzer Würfe zu beobachten. Die Ausfälle sind aber laut der Expertin nicht nur auf den Parasiten selbst, sondern oftmals auf Sekundärinfektionen, beispielsweise mit Clostridien, zurückzuführen. „Duo Infernale“ nennt Anja Joachim die Doppelinfektion von Kokzidien und Clostridien.

Neben Clostridien könnten auch E.-coli-Keime und Salmonellen die vorgeschädigte Darmschleimhaut besiedeln und mit dem Durchbrechen der Blut-Darm-Schranke zu Todesfällen führen. Eine Salmonellenbelastung der Leber könne ebenso im Zusammenhang mit einem Kokzidienbefall stehen, gibt die Parasitologin zu bedenken. Allerdings hätten auch symptomlose Tiere schlechte Zunahmen und zeigten sehr unterschiedliche Absetzgewichte, was Moritz Stöferle nur bestätigen kann. „In der akuten Infektionsphase entsteht ein Knick in der Zunahme, den die Ferkel später nicht mehr ausgleichen könnten“, sagt Anja Joachim. Die Tiere blieben aufgrund des stark vorgeschädigten Darms auch in der Mast zurück. „Kokzidien sind über den ökonomischen Aspekt hinaus auch ein Tierwohlproblem“, mahnt die Expertin.

zwei Fliegen mit einer Klappe

Um die Darmparasiten in den Griff zu bekommen, hat Tierarzt Markus Rahbauer dem Betrieb Stöferle zu einer einmaligen Kombinationsbehandlung gegen Kokzidiose und Eisenmangelanämie am dritten Lebenstag geraten. Das in bruchsicheren Flaschen angebotene Präparat wird den Ferkeln per Injektion in einer fixen Dosis von 1,5 ml je Tier verabreicht und enthält neben 45 mg Toltrazuril 200 mg Eisen in Form von Gleptoferron.

Die kombinierte Behandlung gegen Kokzidien und Eisenmangel erfolgt am dritten Lebenstag.

Toltrazuril ist das einzige für Schweine zugelassene Antikokzidium und kann oral vom dritten bis fünften Lebenstag oder durch Injektion 24 bis 96 Stunden nach der Geburt in Kombination mit Eisen gegeben werden. Das im Präparat enthaltene Gleptoferron hat laut Markus Rahbauer eine höhere Bioverfügbarkeit als Eisendextran und decke den Eisenbedarf der Ferkel in der Säugephase ab.

Eine solche Behandlung ist auch aus Sicht der Parasitologin Anja Joachim besonders wirksam: „Egal ob die Ferkel sich am dritten, vierten oder siebten Lebenstag infizieren, benötigen die Entwicklungsstadien der Kokzidien mindestens fünf Tage, um sich zu fertigen Oozysten zu entwickeln.“ Mit einer Toltra- zuril-Gabe innerhalb der ersten vier Lebenstage könne man die Ausscheidung unterbinden und die weitere Entwicklung der Darmstadien unterbrechen. Eine zu späte Behandlung der Kokzidiose sei ineffektiv, denn sie könne den Zyklus des Parasiten nicht unterbrechen.

Moritz Stöferle lobt das einfache Handling und die Zeitersparnis der kombinierten Toltrazuril- und Eisengabe. „Ich schlage damit sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe.“ Der junge Landwirt kann dies anhand seiner bisherigen Erfahrungen und auch mit Zahlen belegen. In zwei Durchgängen mit jeweils 27 Würfen in einer Versuchs- und einer Kontrollgruppe hat er diese Maßnahme nach wissenschaftlichen Versuchsstandards gemeinsam mit seinem Tierarzt prüfen lassen.

Mehr Zunahmen, weniger Verluste

Die Ergebnisse sprechen für sich. „Schon vor dem Wiegen beim Absetzen machten die mit dem Kombipräparat behandelten Tiere einen besser entwickelten Eindruck, der sich auf der Waage bestätigte“, sagt Stöferle. Im Schnitt wogen diese Ferkel beim Absetzen mit 7,24 kg deutlich mehr als die Tiere der Kontrollgruppe, die 6,52 kg erreichten. Diese Ferkel erhielten lediglich eine einmalige Eisengabe in Form eines Eisen-(III)-Hydroxid-Dextran-Komplexes, jedoch keine Metaphylaxe gegen Kokzidien.

Von einer Kokzidieninfektion betroffene Ferkel bleiben meist auch später im Wachstum zurück.

Zwischen der Behandlung und dem Absetzen nahmen die Ferkel der Versuchsgruppe 5,43 kg zu, die der Kontrollgruppe nur 4,95 kg. Das entspricht Tageszunahmen von 236 versus 215 g. Auch bei den Ferkelverlusten schnitten die mit dem Kombiprodukt behandelten Tiere deutlich besser ab. Die Mortalitätsrate lag hier im Schnitt beider Durchgänge bei 6,84 Prozent – gegenüber 19,94 Prozent in der Kontrollgruppe.

Moritz Stöferle zieht damit auch ein positives Fazit aus der Umstellung der Eisenprophylaxe. „Für mich ist das kein zusätzlicher Aufwand und die Maßnahme passt in den Betriebsablauf“, gibt sich der Landwirt zufrieden. Die Kontrolle der Hämoglobin(Hb)-Werte bei den Ferkeln habe ergeben, dass sie über dem angestrebten Normalwert von 110 g Hb/l Blut liegen, die Tiere also mit der Gleptoferrongabe optimal mit Eisen versorgt würden (siehe auch Beitrag „Eisen im Auge behalten“ in agrarheute SCHWEIN, Oktober 2020).

Vom Start weg gut versorgt, entwickeln sich die Ferkel auf dem Betrieb Stöferle heute sehr gut.

Dass das Kombiprodukt zuerst mehr Investment bedeute, mache die Prophylaxe wieder wett. „Seit dem Einsatz gibt es im Abferkelstall nur noch maximal ein bis zwei Würfe, die ein wenig Durchfall zeigen“, sagt Moritz Stöferle. Auch die Zunahmen der Tiere in Aufzucht und Mast seien sehr erfreulich. Man sehe sich auf dem besten Weg, die Kokzidien im Bestand langfristig zurückzudrängen.

Nicht zu vergessen sei hierbei als eine begleitende Maßnahme der Einsatz spezieller, gegen Kokzidien wirksamer Desinfektionsmittel. Die Oozysten halten sich sehr hartnäckig in der Umgebung und können mehr als sechs Monate infektiös sein. Wirksame Mittel finden Landwirte in der Desinfektionsmittelliste der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft unter www.desinfektion-dvg.de.(br)

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