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Gute Körper, hohe Punktzahl

Immunkastrate werden von Marktteilnehmern teilweise abgelehnt. Dabei ist zum Beispiel die Schlachtkörperqualität homogener als die von Börgen.

Seit dem ersten Januar 2021 ist die betäubungslose Ferkelkastration endgültig verboten. Eberferkel können entweder weiterhin mittel Injektions- oder Inhalationsnarkose kastriert oder als intakte Jungeber gemästet werden. Da Eber nach dem Eintritt in die Geschlechtsreife einen unangenehmen Ebergeruch entwickeln können und neben einem erhöhten Aggressions- und Sexualverhalten auch eine verminderte Fettqualität für die Weiterverarbeitung aufweisen, eignet sich dieses Verfahren für eine breite Marktakzeptanz nur bedingt.

Auf den Punkt

  • In einer Studie wurden Schlachtdaten von mehr als 36.000 Mastschweinen ausgewertet.
  • So konnten die Unterschiede zwischen den Tieren verglichen werden.
  • Immunkastraten sind besser als Börge und schlechter als weibliche Mastschweine.

Mit der sogenannten Immunkastration steht der Branche eine weitere Alternative zur Verfügung. Aus wissenschaftlicher Sicht vereint sie Aspekte des Tier-, Umwelt- und Verbraucherschutzes am besten. Obwohl die Vorteile der Impfung gegen den Ebergeruch bekannt sind, lehnen einige Marktteilnehmer dieses Verfahren nach wie vor ab. Die Hintergründe hierfür sind vielfältig und liegen insbesondere in den heterogenen Marktstrukturen des deutschen und europäischen Schweinefleischmarkts.

Der Praxisversuch

Um Vorbehalten gegenüber den Schlachtkörpereigenschaften von Immunkastraten entgegenzuwirken, wurden Schlachtkörpermerkmale und Teilstückgewichte dieser Tiere auf Basis von AutoFOM-III-Schlachtdaten analysiert. Die Daten wurden mit denen von weiblichen Mastschweinen, Jungebern und Börgen verglichen.

Die Mastschweine wurden im Rahmen des regionalen Fleischprogramms „Gutfleisch“ der Edeka gemästet und am Schlachthof der Vion in Crailsheim geschlachtet. Alle Mastschweine wurden auf Basis von AutoFOM-III klassifiziert und deren Teilstückgewichte geschätzt.

Der Genotyp der Mastschweine kann variieren, da je nach Betrieb unterschiedliche Mutterrassen verwendet werden. Der Piétraineber (German Piétrain Inodorus 2.0) als Vater war jedoch obligatorisch, um bei den Betrieben, die Jungeber mästen, das Risiko geruchsauffälliger Schlachtkörper zu minimieren.

Insgesamt wurden Schlachtdaten von rund 37.940 Mastschweinen ausgewertet, die aus elf Betrieben in Baden-Württemberg stammen (Januar 2018 bis Juni 2019). Darunter befanden sich 15.226 weibliche Mastschweine, 16.922 Jungeber, 2.815 Immunkastrate und 1.977 Börge.

Die statistische Analyse der Schlachtdaten berücksichtigt den Einfluss des Schlachttags, der Mutterrasse und des Betriebs. Für die ökonomische Auswertung der Daten wurden die Ebermaske von Tönnies und sowohl die VEZG-Standardmaske als auch die VEZG-Referenzmaske genutzt.

Es wurden ausschließlich Schlachtdaten erfasst, die innerhalb des optimalen Schlachtgewichts lagen. Der Schlachtkörperwert berechnete sich außerdem auf Basis der VEZG-Preisnotierung der jeweiligen Schlachtwoche. Immunkastraten wurden nach Standardmaske und ohne weitere Preisabzüge kalkuliert.

Nur geringe Unterschiede

Die Schlachtkörperqualität der Immunkastraten lag in der Regel zwischen denen der weiblichen Mastschweine und der Börge. Die Unterschiede zwischen Immunkastraten und Börgen waren in allen Parametern nur geringfügig (siehe Tabelle "Schlachtkörpermerkmale und Teilstückgewichte" (Grafik als PDF öffnen). Der Magerfleischanteil (MFA) von Jungebern erreichte den höchsten Wert aller Geschlechtsgruppen, gefolgt von weiblichen Mastschweinen (minus 0,49 Prozent), Immunkastraten (minus 0,96 Prozent) und Börgen (minus 2,36 Prozent). Beim Magerfleischanteil Bauch waren die Unterschiede zwischen den Geschlechtsgruppen geringfügiger, wobei weibliche Mastschweine den höchsten MFA Bauch erreichten.

Das Kotelettgewicht war bei weiblichen Mastschweinen am höchsten, gefolgt von Jungebern (minus 130 g), Immunkastraten (minus 150 g) und Börgen (minus 170 g). Beim Schinkengewicht erreichten die weiblichen Mastschweine einen um 400 g höheren Wert als Jungeber, Immunkastraten und Börge.

Beim Schultergewicht erzielten wieder weibliche Mastschweine die höchsten Werte, gefolgt von Jungebern (minus 50 g), Immunkastraten (minus 80 g) und Börgen (minus 140 g). Die Immunkastraten lagen beim Bauchgewicht vor den anderen Geschlechtsgruppen, gefolgt von Jungebern (minus 20 g), Börgen (minus 60 g) und weiblichen Mastschweinen (minus 230 g).

Bewertung nach SEUROP

Alle Schlachtkörper wurden auf Basis der AutoFOM-III-Schlachtdaten nach SEUROP klassifiziert. Hierbei wurden 89,3 Prozent der Jungeber mit „S“ eingestuft, gefolgt von 86,5 Prozent der Immunkastraten, 85,3 Prozent der weiblichen Mastschweine und 47,9 Prozent der Börge (siehe Tabelle „Ergebnisse der SEUROP-Klassifizierung“).

Im weiteren Schritt dienten die AutoFOM-III-Schlachtdaten der Bestimmung des ökonomischen Werts der Schlachtkörper (siehe Tabelle „Bewertung der Schlachtkörper“). Sowohl beim Kotelett als auch beim Bauch erreichten Immunkastraten die höchsten Indexpunkte (IxP), weibliche Mastschweine hingegen beim Schinken.

Bei den Indexpunkten pro Kilogramm Schlachtgewicht (SG) kamen weibliche Mastschweine auf 1,013 IxP, gefolgt von Immunkastraten mit 1,007 IxP sowie Jungebern und Börgen mit jeweils 0,980 IxP. Dadurch war der Schlachtkörpererlös von Immunkastraten um 8,63 Euro höher als bei Jungebern und immerhin um 7,31 Euro höher als bei Börgen. Wurde der ökonomische Wert der Schlachtkörper auf Basis der VEZG-Referenzmaske (Magerfleischanteil) bestimmt, war auch hier der Erlös pro Schlachtkörper bei Immunkastraten um 4,03 Euro höher als bei Jungebern und um 3,42 Euro höher als bei Börgen.

Bei der Bewertung nach SEUROP wurden die Jungeber am besten klassifiziert.

Vorteile für Immunkastraten

Die Praxisdaten aus dem Gutfleisch-Programm zeigen, dass durch die Mast von Immunkastraten keinerlei Nachteile aus der Schlachtkörperqualität resultieren. Sowohl in den Schlachtkörpermerkmalen als auch in den Teilstückgewichten liegen die Werte der Immunkastraten zwischen denen von Börgen und weiblichen Mastschweinen. Von Vorteil ist, dass die Schlachtkörper von Immunkastraten wesentlich homogener als die der Börgen sind.

Inwieweit die AutoFOM-III-Schätzformeln für Jungeber und Immunkastraten valide Daten liefern, ist unklar, da diese Formeln ursprünglich auf Basis von Zerlegeversuchen mit weiblichen Mastschweinen und Börgen entwickelt wurden. Hier besteht behördlicher Aufklärungsbedarf, damit daraus keine Nachteile für Landwirte resultieren, die Jungeber oder Immunkastraten mästen. Der Erlös pro Schlachtkörper ist bei Immunkastraten höher als bei Jungebern und Börgen. Dieses Verfahren wäre demnach bei entsprechender Akzeptanz der „roten Seite“ sehr wettbewerbsfähig.

Fazit

Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Schlachtkörperqualität von Immunkastraten liegt zwischen der von Börgen und weiblichen Mastschweinen. Sie ist homogener als bei den Börgen und ein höherer Anteil von Tieren wird in die Klasse „S“ eingestuft. Sowohl die Indexpunktzahl als auch die Auszahlung nach der VEZG-Referenzmaske (Magerfleischanteil) ist bei den Immunkastraten höher als bei den Jungebern und Börgen.

Die Abstrafung dieser Methode ist damit schwer nachvollziehbar. Zu dem Ergebnis kommt auch der Feldversuch der Schweinevermarktung Rheinland (siehe Beitrag „Gut im Fleisch – wenn das Timing stimmt“ in agrarheute Schwein, Dezember 2020). (mh)

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