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Reportage

Bienen und Bären – Imkern in Nordspanien

Lebensraum der Braunbären der östlichen Population: Wacholdermatten und Almwiesen vor dem Panorama der Montaña Palentina.

Schroffe Berge, weite Laubwälder und blühende Heiden charakterisieren das kantabrische Küstengebirge. In der Abgeschiedenheit der Berge finden sich verstreut kleine Bergdörfer, umgeben von Heu- und Almwiesen. Es gibt grundsätzlich gute Bedingungen für guten Honig, und die hiesige Dunkle Biene, die Negra íbérica, sammelt Nektar für Heide- und Blütenhonig. Und auf den sind die Imker hier stolz.

Außer Bergbauern und Bienen lebt in dieser dünn besiedelten Bergwelt auch noch ein besonderes Säugetier: der spanische Braunbär. Dass dies für Imker eine ganz besondere Situation ist, wurde uns bewusst, als wir auf einer vogelkundlichen Studienreise im Naturpark Montaña Palentina im zentralen Nordspanien an einem Bienenstand vorbeikamen und dort eine offene, geplünderte Beute entdeckten. Wir, das sind Tino, Toño und ich. Als gebürtiger Hannoveraner und selbst zeitweise Hobbyimker habe ich nach dem Studium der Umweltwissenschaften die norddeutsche Tiefebene gegen die nordspanische Bergwelt eingetauscht. Tino und Toño sind in diesen Bergen aufgewachsen und kennen sie wie kaum ein anderer. Beide wirken an Studien mit, wie etwa zum Einfluss des Klimas auf Hochgebirgspflanzen. Toño ist außerdem Ranger bei einer Braunbärpatroullie. Und wir alle drei arbeiten als naturkundliche Führer bei Studienreisen. Unsere Region ist ein bekanntes Braunbär- gebiet. Sowohl Fußspuren wie auch ein Nachtlager deuteten auch bei dem Bienenstand eindeutig auf Bärenbesuch hin. Wir wollten mehr wissen. Wie kann man denn mitten in einem Bärengebiet imkern? Gibt es sowas wie ein verträgliches Miteinander von Bär und Biene? Und wie reagieren die Imker?

Blühende Hochlagen im späten Frühjahr mit Ginsterarten (gelb) und Baumheide (weiß) sowie Spanischer Heide (violett) im Hintergrund. Neben der Besenheide (Calluna vulgaris), die in diesen Bergen erst im Sommer blüht, stammt der spanische Heidehonig von zahlreichen Ericaarten.

Hochgelegene Almwiesen im Nationalpark Picos de Europa.

Wir machten uns auf die Suche nach Imkern, die uns mehr dazu sagen könnten. Mit Alberto Uría Moreno und Fernando Jubete wurden wir bald fündig. Beide leben rund 180 Kilometer voneinander entfernt, der eine in der westlichen, der andere in der östlichen Region der Braunbärpopulation.

Toño, Tino und Urs (v.li.n.re.) vor einem Bienenstand im Braunbärengebiet.

Kastanienhonig im Westen

Alberto machte sein Imker-Hobby im Jahr 2010 zum Beruf. Seine sechs Bienenstände mit je rund 30 Völkern stehen im Grenzgebiet zwischen südwestlichem Asturien und östlichem Galicien, und damit inmitten des westlichen Bärengebietes. Er berichtet uns von nahezu jährlichen Schäden, wobei meist jedoch nur ein bis zwei Beuten auch geplündert werden. Gelegentliche Ausnahmen gibt es, wie im Januar 2021, als sehr starke Schneefälle die Batterien der Elektroschutzzäune überdeckten und sie zum Entladen brachten. Das machte sich ein Bär zunutze und plünderte während mehrerer Tage elf Bienenstöcke. Im Winter verlassen vor allem die weiblichen Tiere, die die Jungen großziehen, ihre Höhlen.

Das Trachtangebot und damit auch die Honigernte schwankt hier zwischen 10 und 25 Kilogramm pro Volk. Aufgrund der ausgedehnten Esskastanienbestände kann Alberto auch einen köstlichen Kastanienhonig anbieten. Obwohl der Bär ihm davon manchmal etwas stiehlt, steht er der Situation positiv gegenüber: „Mir ist wichtig, dass meine Bienen in einer artenreichen Natur ihren Nektar sammeln und einen hochwertigen Honig liefern. Dass auch der Bär durch diese Landschaft streift, ist für mich das Zuckerl obendrauf”, und damit meint er auch das friedliche Zusammenleben von Mensch und Bär. Um seine Bienen zu schützen, restaurierte Alberto einen traditionellen bärensicheren Bienenstand, der aus grobem, aber massivem Mauerwerk errichtet wird. Die Spanier nennen ihn „Cortín”. Auf der Mauer verhindert eine überstehende Platte, dass der Bär darüber klettern kann. Alle anderen Stände sichert Alberto mit einem Elektrozaun. Damit der Cortin und seine traditionelle Bauweise nicht in Vergessenheit geraten, vermarktet Alberto den Honig von diesem Stand sogar als spezielle Honigsorte. Mit zwei Freunden hat er zwei weitere Cortines restauriert und beabsichtigt in diesem Jahr noch einen weiteren für sich selbst instand zu setzen.

„Die Varroamilbe stellt für uns ein größeres Problem dar als die gelegentlichen Zwischenfälle mit dem Bären”, fügt er am Schluss unseres Besuchs hinzu. Denn auch hier, in den abgelegenen Bergen, ist die Milbe ein Problem. Und auch die asiatische Hornisse (Vespa velutina nigrithorax) ist mittlerweile gesichtet worden, wenn auch noch sehr selten.

Hohe Isolierungswerte: Die verzinkten Langstroth-Styroporbeuten sind für das kalte Bergklima der Montaña Palentina besser geeignet als Holzbeuten.

Waldhonig im Osten

Auch Fernando Jubete hält die Dunkle Iberische Biene. Wir treffen ihn rund 180 Kilometer weiter östlich in Cervera de Pisuerga, einem kleinen Bergstädtchen im Naturpark Montaña Palentina. Fernando bewirtschaftet hier zwischen 80 und 100 Völker. Das Klima der Kordillere ist rau, und das Trachtangebot schwankt mitunter sehr stark. Es gibt Jahre, in denen die Imker nichts ernten und froh sind, wenn ihre Völker überhaupt überleben. „2017 erfroren uns viele Blüten bei Spätfrösten und anschließend war es total trocken. Da hat es natürlich später nicht viel Honig gegeben”, gibt Fernando uns als Beispiel.

Die Tracht in den Bergen beginnt mit Weißdorn, gefolgt von Prunusarten, später Ginster und am Schluss Heidekrautgewächse, immer begleitet von Honigtau, insbesondere der Pyrenäeneiche. Fernandos Hauptsorten sind daher Heide und Waldhonig. „Wenn das Jahr gut verläuft, kann ich 15 bis 20 kg Honig pro Volk ernten.” Von Bärenattacken sei er bislang weitestgehend verschont geblieben, auch weil Fernando Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat. „Meine Bienenstöcke sind mit Maschendraht und einem Elektrozaun geschützt”, sagt er. In fünf Jahren hatte er nur eine einzige Attacke zu beklagen: „Das war Ende September letzten Jahres. Da hat eines Nachts die Batterie keinen Strom geliefert. Ein Bär hat das gemerkt.” Das Resultat: sechs umgeworfene Bienenstöcke, bei zweien fehlte später die Königin. Trotzdem sah der Schaden zunächst schlimmer aus, als er war. Wichtig ist, dass die Naturschutzbehörde den Schaden protokolliert, damit Entschädigungen ausgezahlt werden. Zudem gibt es finanzielle Unterstützung für Schutzmaßnahmen wie Elektrozäune und Zubehör.

Der Bär als Botschafter

Auf Spurensuche: Bärenspuren im Lehm zeigen linke Hand – linker Fuss – rechte Hand – rechter Fuss.

Bärenkot ist groß, und in diesem Fall deuten, neben den Eicheln Haare auf verspeistes Aas hin.

Der Bär stand durchaus auch schon als Bienenfeind auf Veranstaltungsprogrammen von Imkertagungen, doch beide Imker – im Westen wie im Osten – sind sich über eines einig: Der Braunbär stellt für sie kein Problem dar. Weit schlimmer sind die Varroamilbe und die großen Wanderimkereien. Letztere erscheinen auf den ersten Blick harmlos. Wenn jedoch die kleinen, ortsansässigen Imker mit ihren wenigen Völkern zur Trachtzeit den Hunderten von Völkern der Wanderimker gegenüberstehen, entsteht schnell eine erhebliche Nahrungskonkurrenz. Außerdem können Krankheiten eingeschleppt werden. Eine weitere Sorge bereitet ihnen die Klimaveränderung mit ihrer zuweilen unvorhersehbaren Verschiebung von Blühphasen, Trockenstress oder Niederschlägen.

Bei seinem nächtlichen Besuch warf ein Bär einen Bienenstock um und plünderte den Honig.

Cortin: Traditioneller mit massiven Steinmauern umzäunter Bienenstand in Asturien. Früher schützte man seine Völker so gegen Bären.

Alberto berichtet von veränderten Regenfällen in seiner Bergregion, die die sensible Esskastanienblüte beeinträchtigen. „Es regnet heute zu Zeiten, wenn es eigentlich nicht mehr regnen sollte.” Und in Verbindung mit der eingeschleppten Esskastanien-Gallwespe (Dryocosmus kuriphilus) entstehen gravierende Probleme, die zu Jahren ohne oder mit nur wenig Kastanienhonig führen können. Im Gegensatz dazu sehen beide, Alberto wie Fernando, den Bären eher als Verbündeten. „Der Bär hat doch ein positives Image. Er hilft uns beim Vermarkten unseres Honigs.” Hier in den Bergen leben und imkern zu können, in einer Region, in der man die Wälder mit so faszinierenden Tieren wie Braunbären teilt, „no tiene precio”, wie man hier sagt: Das kann man mit nichts bezahlen! „Ja, es gibt Bärenattacken. Aber es gibt auch immer Möglichkeiten, sie zu verhindern, und manchmal waren wir es, die nicht aufgepasst haben.” Der Bär ist für die Imker hier ein überschaubares und lösbares Problem. Eine friedliche Koexistenz, von der beide Seiten profitieren.

Agradecimiento/mit Dank an

Alberto Colina, Alberto Uría Moreno, Fernando Jubete, Oscar Aguado

Braunbären vor dem Aussterben schützen

Ein junges Weibchen. Der kantabrische ist zusammen mit dem Bär der italienischen Abruzzen die kleinste Unterart des in Nordamerika und Eurasien verbreiteten Braunbären (Ursos arctos).

Der Oso pardo besiedelt zwei Regionen der Kantabrischen Kordillere. Die westliche im Grenzgebiet zwischen Kastilien-León, Asturien und Galicien, die östliche erstreckt sich über den Süden Kantabriens und das nördliche Kastilien-León. Umherstreifende Tiere wurden 2019 sogar im äußersten Nordostportugal gesichtet. Eine Verbindung zwischen beiden Populationen durch wandernde Tiere ist belegt und für die genetische Durchmischung und das Überleben dieser besonderen Unterart wichtig. Als vom Aussterben bedroht sind Braunbären und ihr Lebensraum gesetzlich geschützt. Störungen, selbst ein zu intensives wissenschaftliches Monitoring, sollen vermieden werden, und so sind exakte Bestandszahlen nicht bekannt. Gezählt werden Weibchen mit Nachwuchs. Aus darauf basierenden Hochrechnungen, aus genetischen Untersuchungen von Haaren oder Exkrementen und aus anderen Beobachtungen werden aktuell 280 Bären in der westlichen und 50 in der östlichen Population als offizielle Zahlen angegeben. Neueste genetische Studien, deren Ergebnisse zurzeit noch nicht veröffentlicht sind, werden exaktere Daten liefern. Trotz des Schutzstatus ist der Bär gefährdet: Durch Jagdunfälle, z.B. Verwechslungen mit Wildschweinen, illegale Jagd oder vergiftete Köder und Schlingfallen werden Tiere getötet, auch wenn es nicht primär dem Bären gegolten hat. Weil sein Schutz gesetzlich verankert ist, werden durch Bären verursachte Schäden, z.B. an Bienenstöcken, erstattet. Bären ernähren sich meist vegetarisch, obwohl sie als Allesfresser auch Aas, Ameisen- und Wespennester nicht verschmähen. Je nach Jahreszeit stehen Gräser, Kräuter, Blüten, Wildfrüchte wie Heidelbeeren und Hagebutten, und im Winter Eicheln, Bucheckern, Kastanien und Nüsse auf ihrem Speiseplan. Die Bären jagen aktiv eher selten, und wenn, dann beschränken sie sich auf Kleinsäuger. Auch Honig und Bienenbrut stellen Ausnahmen dar, wenn das übliche Nahrungsangebot knapp ist. Dennoch kann es vorkommen, dass einzelne Bären „auf den Geschmack kommen” und lernen, elektrische Schutzzäune zu überwinden. Kameraaufnahmen zeigen, dass es Bären gibt, die sich sogar unter ihnen hindurchgraben. Während der Bär im Frühjahr bei seinen Attacken auf Bienenstöcke offensichtlich eher die eiweißreiche Bienenbrut sucht, ist es im Herbst der Honig.

Autor

Urs Rainer Lüders

studierte Umweltwissenschaften und Biologie. Seit 2002 lebt er im nordspanischen Burgos. Dort arbeitet er als Umweltberater und Reiseleiter und ist Autor von Naturreiseführern über Portugal. Drei Jahre lang hielt er selbst Bienen. Aus beruflichen Gründen muss dieses Hobby derzeit leider pausieren.

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