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Mit VIDEO aus der Backstube

Stollen mit himmlischer Note

Godehard Höweling und Geselle Robert Elger (re.) geben den Hefeteig in die typische Stollen-Form, in der er gebacken wird.

Es riecht süß, nach Zucker, nach Butter, nach in Rum eingelegten Rosinen. Kein Wunder, denn Godi‘s Backstube ist der Geburtsort des leckeren Hildesheimer Dom- und Niedersachsen-Stollens. Kleine Wichtel, in Form von findigem Fachpersonal kümmern sich neben der alltäglichen Brot-, Brötchen- Keks- und Kuchenproduktion seit Mitte September um die Herstellung der weihnachtlichen Spezialität. Seit ein Uhr nachts rührt Bäckermeister Godehard Höweling schon in gigantischen Schüsseln, wiegt Butter ab, bearbeitet den Hefeteig, gibt Rosinen, Zitronat, Orangeat, Mandeln und die geheime Gewürzmischung dazu, portioniert die Teigberge und schiebt diese in den gewaltigen Ofen am Ende des Raumes.

Schiefe Blicke geerntet

Schon damals, als sich Godehard Höweling 1997 selbstständig machte, zuerst mit einem kleinen Laden in Völksen bei Springe, war er Feuer und Flamme für Stollen. Bei einer Innungsversammlung schlug er seine Idee vor, auch in Niedersachsen frischen Bäcker-Stollen zu produzieren. „Da erntete ich nur schiefe Blicke. In Norddeutschland würde Stollen nicht laufen, Produktion und Verkauf solle ich lieber den Großen, der Industrie und den Supermärkten, überlassen“, erzählt der Bäckermeister. Doch er ließ sich nicht beirren und fing einfach an.

400 Stollen verkaufte er in einer Weihnachtssaison, damals nur mit einem Gesellen und einer Verkäuferin. „Das war für den kleinen Betrieb echt eine Nummer“, erklärt er stolz. Nicht minder stolz schießt er die nächste Zahl hinterher. Heute gehen zwischen 6.000 bis 6.500 Stollen pro Winter über die Ladentheke. Immer von Allerheiligen bis Mitte Januar.

In seiner Hauptfiliale in Hildesheim-Ochtersum, der Zweitverkaufsstelle in der Hildesheimer Oststadt und einige gehen sogar in die Post. „Bis nach Japan und in die Dominikanische Republik haben wir unsere Stollen schon verschicken dürfen“, erzählt Zwillingsbruder Bernward Höweling, der seit dem Jahr 2000 seinem Bruder in der Bäckerstube zur Seite steht. Also seit dem Jahr, in dem Godehard Höweling seine heutige Backstube übernahm, den Betrieb, wo sein Bäcker-Dasein begann, wo er von 1979 bis 1982 seine Lehre absolvierte. „Mein Vorgänger war pleite. Mit einem Beraterteam, welches eine Bank fand, die mir einen Kredit bewilligte, konnte ich die Backstube übernehmen“, erinnert sich der Bäckermeister. Ein glücklicher Zufall, denn schnell wirtschaftet er die Backstube mit seinen Produkten wieder hoch, sodass er heute ein ganzes Team – 14 Personen an der Zahl – beschäftigen darf.

Ein großes Herz für Stollen: Godehard (re.) und Bernward Höweling verkaufen von Allerheiligen bis Mitte Januar Stollen.

Sanierung des Doms

Absolut kein Zufall ist der Erfolg der Stollen der Backstube. Darin stecken viel Herzblut, echte Handwerkskunst, gute frische Zutaten, sowie immer wieder pfiffige Vermarktungsideen. Oder kann etwa jeder seinen Stollen nach einem der berühmtesten Hildesheimer Gebäude benennen? „Nein,“ so die Brüder einstimmig, „Das gehe natürlich nicht. Wir haben uns den Namen durch eine Unterstützungs-Aktion im Jahr 2002 vom Bistum sichern lassen.“ Zu der Zeit war die Diözese auf der Suche nach Spenden für die Sanierung des Mariendoms, der Teil des UNESCO-Weltkulturerbe ist. Godehard Höweling wollte helfen und initiierte, dass pro verkauftem Domstollen 50 Cent an den Dombauverein gingen, damit dieser ein Startkapital hatte, um eine der ältesten Bischofkirchen Deutschlands renovieren zu können. Insgesamt kamen in über zwei Jahren 11.000 Euro – und damit wohl auch einige gut gefüllte Mägen – zusammen. Im Gegenzug darf die weihnachtliche Spezialität den klangvollen Namen Hildesheimer Domstollen tragen.

2006 flogen die Bäcker-Zwillinge zu Papst Benedikt XVI. und schenkten diesem ihren Hildesheimer Domstollen.

Doch das war bei weitem nicht die letzte himmlische Begegnung der Bäcker: Im Dezember 2006 hatten sie etwas geschafft, was nicht vielen Menschen gelingt – sie durften zu Papst Benedikt XVI. reisen und diesem ihren Domstollen überreichen. „Das war was“, erzählt Bernward Höweling, der 10 Minuten Jüngere. „Am Flughafen in Hannover hörten wir oft Getuschel wie: Sind das nicht die Zwillingsbrüder aus Hildesheim, die mit ihrem Stollen zum Papst fliegen?“

Die Zwillinge hatten einen Platz in der ersten Reihe bei der Audienz, Godehards Ehefrau Doris, die auch in Godi‘s Backstube arbeitet, verfolgte das Treffen von außen. „Er hat sich sicherlich fünf Minuten Zeit genommen und war sehr interessiert. Man konnte sich angenehm mit ihm unterhalten“, erinnert sich Bäckermeister Höweling.

Stollen-Oscar gewonnen

Dass es überhaupt so weit kam, hatte wieder etwas mit einem Zufall zu tun. Die Backstube liefert regelmäßig Streuselkuchen an das Hildesheimer Bistum. Dabei bemerkte Godehard Höweling die Begeisterung für den Kuchen. „Da dachte ich, was sagen die denn erst zu unserem Domstollen?“, erzählt der 56-Jährige grinsend. So erhielten ein paar Stollen Einzug in die kirchlichen Gemäuer und die Zwillingsbrüder bekamen durch Kardinal Meisner eine Audienz beim Papst vermittelt.

Wie das duftet - Bleche voller Stollen frisch aus dem Ofen. Bevor sie verkauft werden, müssen sie noch drei Wochen lagern.

Das Grundrezept des „gesegnten“ und allseits beliebten Stollens ist noch das von vor 20 Jahren. Allein an den Gewürzmischungen hat der Bäcker etwas gefeilt. Und es sind weitere Sorten dazu gekommen. Neben den Bestsellern, dem Niedersachsen- und dem Hildesheimer Domstollen (klassische Butterstollen mit Trockenfrüchten), gibt es noch den Marzipan-, Mohn-, Nuss- und Mandelstollen. Während der Domstollen klassisch mit in der Stollenform in den Ofen kommt, wird der Niedersachsenstollen frei geschoben, sodass er eine andere Kruste hat und etwas kräftiger im Geschmack ist.

Stolz begutachten die Zwillinge Höweling mit den Mitarbeitern Robert Elger (hinten) und Olaf Schlieker (li.) das Stollen-Ergebnis.

Bei so viel Stollen-Herzblut ist es fast kein Wunder, dass Godi’s Backstube schon viermal mit dem „Stollen-Zacharias“ ausgezeichnet wurde, dem Oscar im Bäckerhandwerk und einmal sogar schon den seltenen „Ehren-Stollen-Zacharias“ für außergewöhnliche Leistungen rund um die Vermarktung des bäckerlichen Handwerkproduktes ergattern konnte. Letzteres hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass der ehemalige Ministerpräsident Christian Wulff ebenfalls schon Godi’s Backstube bei einer seiner Sommertouren besucht hat und der Bäckermeister mit seiner Weihnachtsspezialität auch schon im 96-Stadion war, um mit den Spielern, die mit Stollen spielen, Stollen zu naschen.

Auch für Kinder hat Godi‘s Backstube und allen voran Godehard Höweling viel Herzblut, seine christliche Maxime lautet: „Wenn es mir gut geht, soll es anderen auch gut gehen.“ So backt er seit 2007 für die benachbarte Albertus-Magnus-Schule sogenannte „Peru-Mäuse“, kleine Quark-Brötchen mit Schokodrops, die er bis heute zum Selbstkostenpreis an AG-Schüler abgibt. Diese verkaufen Godi‘s Mäuse immer donnerstags in den Pausen an Mitschüler für 70 Cent pro Stück und der Gewinn geht an ihre peruanische Partnerschule. Über 120.000 Stück sind über die Jahre an hungrige Schülerinnen und Schüler gegangen und eine Summe von 30.000 Euro gespendet worden. Da wollte der Bäckermeister den Schüler für ihr Engagement eine Freude machen und fragte noch mal in Rom an. Ende der Geschichte: Im Januar dieses Jahres saß er wieder im Flieger mit drei Schülern, dem AG-Leiter und dem Schuleiter und sie überreichten Papst Franziskus ihre „Peru-Mäuse“.

„Es ist einfach das Schönste, wenn ich den Ofen öffne und das Gebäck mich anlacht. Da kriege ich Gänsehaut.“

Godehard Höweling

Sandkuchen mit Mutter

Und woher stammt diese echte Backleidenschaft? „Mit zehn Jahren habe ich schon meiner Mutter in der Küche geholfen, schnell habe ich das Sandkuchenbacken ganz übernommen. Ich wollte immer einen Handwerksberuf erlernen, etwas produzieren, am Ende des Tages etwas Fertiges in den Händen halten“, so Godehard Höweling. Umso mehr schmerzt es ihn, wenn er daran denkt, wie sehr dem Handwerk der Nachwuchs fehlt. „Auch wir müssen uns immer was einfallen lassen. Den letzten Lehrling haben wir in seinem Praktikum bei uns so moviert, dass er geblieben ist. Aber auf Bewerbungen braucht man nicht warten“, weiß er. Dabei gibt es für ihn keinen schöneren Beruf. Auf die Frage, was er geworden wäre, wenn er nicht täglich Teig kneten würde, zuckt er nur mit den Achseln. „Es ist einfach das Schönste, wenn ich den Ofen öffne und das Gebäck mich anlacht. Da kriege ich Gänsehaut.“

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