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Menschen brauchen Grundvertrauen

Dr. Holger Hennies aus Schwüblingsen ist neuer Präsident des Landvolks Niedersachsen.

Dr. Hennies, Sie sind der neue Präsident des Landvolks. Was werden Sie anders machen?

Im Vergleich zu den vergangenen drei Jahren wird das Landvolk gar nicht so viel anders, aber vielleicht etwas sichtbarer werden. Wir werden uns deutlicher zu unseren Positionen äußern, etwa zum Naturschutz oder zu den Roten Gebieten. Da wollen wir sagen, was geht und was nicht geht. Das ist eine Frage der Kommunikation.

Heißt das, das Landvolk müsste sich Ihrer Meinung nach verändern?

Was der Verband verändern muss, ist die Kommunikation zu den Landwirten. Etliche fühlten sich in den vergangenen Jahren nicht mitgenommen. Vor allem jüngere Landwirte müssen wir noch mehr in die Verbandsarbeit einbinden. Sie sollen noch mehr die Möglichkeit zur Mitarbeit bekommen. In der Hinsicht sollten wir uns öffnen. Das heißt aber nicht, dass wir uns komplett ändern, wir müssen uns nur stärker fokussieren. Wir müssen uns auch in der Öffentlichkeitsarbeit mehr anstrengen und zum Beispiel bei Instagramm noch breiter aufstellen.

Wie wollen Sie das konkret angehen?

Viele von den Veränderungen haben wir jetzt schon begonnen. Zum Beispiel sind wir mehr mit den Naturschutzverbänden ins Gespräch gekommen. Dasselbe Ziel haben wir auch für die Gesellschaft. Dabei wollen wir aber nicht nur reden, sondern auch etwas erreichen. Zum Beispiel möchte ich die Zusammenarbeit von der Kampagne Echt Grün und dem Landvolkverband ändern. Die Verbandskommunikation und die Öffentlichkeitsarbeit müssen in Zukunft besser abgestimmt werden. Das liegt mir schon am Herzen.

Sie haben einen Lernort-Bauernhof und antworteten auch auf Kommentare unter einem Bericht des NDR zu Ihrem Wahlsieg, die der Landwirtschaft nicht wohlgesonnen waren. Erklären Sie Laien gerne die Landwirtschaft? Ist das nicht ein auswegloser Kampf?

Stimmt, darauf hatte ich reagiert. Und ja, ich erkläre Außenstehenden gerne die Landwirtschaft und ich empfinde das nicht als aussichtslos. Wenn die Leute auf die Höfe kommen, kann man viel vermitteln. Auch den Gruppen, die uns Landwirte kritisch sehen, das sind manchmal auch Lehrer oder einzelne Journalisten. Denen können wir die Landwirtschaft noch besser zeigen. Nämlich nicht nur die schönen oder schlechten Seiten, sondern die Realität. Diesen Weg mit zu organisieren, ist eine unserer Kernaufgaben als Verband. Dafür haben wir zum Beispiel auch Programme wie ´Transparenz schaffen´.

Warum müssen die Menschen überhaupt über Landwirtschaft informiert werden?

Weil Landwirtschaft und Ernährung jeden was angeht. Beim Auto kann man noch sagen, ich brauch keines. Bei Ernährung kann das keiner behaupten. Mit dem Thema beschäftigt sich jeder Mensch, tagtäglich. Deshalb brauchen die Menschen ein Grundvertrauen, dass das, was wir Landwirte machen, in Ordnung ist. Dass sie gute Lebensmittel bekommen, die auch vernünftig erzeugt werden. Deswegen ist es wichtig, dass sie mit der Landwirtschaft, so wie wir sie betreiben, einverstanden sind.

Es scheint so, als hätte die Gesellschaft ein gewisses Grundvertrauen verloren...

Gar nicht mal so, wie man es befürchtet. Eine Umfrage bei Echt Grün zeigt, dass die Masse der Bevölkerung die Landwirtschaft besser sieht, als das bei den Meinungsführern der Fall ist. Da unterscheidet sich die öffentliche Meinung von der veröffentlichten Meinung. Das, was man in Social Media oder einzelnen Gruppierungen wahrnimmt, ist nicht unbedingt die Ansicht der Bevölkerung. Denn dort stimmen mehr als 80 Prozent der Landwirtschaft zu. Das hat uns durchaus überrascht. Und diese Zustimmung ist in den letzten zwei Jahren sogar noch gestiegen. Es ist also nicht so aussichtslos, wie es sich manchmal anfühlen mag.

Warum hat die Landwirtschaft in den vergangenen zwei Jahren an Zustimmung gewonnen?

Zum einen ist das die Arbeit des gesamten landwirtschaftlichen Bereichs. Wir machen mehr Öffentlichkeitsarbeit und die Demonstrationen haben uns Aufmerksamkeit verschafft. Zum anderen kann Corona auch ein weiterer Faktor sein. Dadurch ist die Wertschätzung für die Landwirtschaft ganz sicher gestiegen. Auch im Bereich Naturschutz steht die Landwirtschaft besser da. Zum Beispiel hat der Niedersächsische Weg gezeigt, dass Landwirte den Naturschutz ernst nehmen. Sie nehmen neue Herausforderungen an und sagen ´wie können wir die lösen?´

Zum Thema Probleme lösen – was denken Sie, wie können Landwirte Gehör finden? Sind die Proteste da zielführend?

Die Aktionen helfen dabei, von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Sie machen deutlich, dass etwa die niedrigen Preise oder die hohen Auflagen auf Dauer von den Betrieben nicht auszuhalten sind. Das wird von der Gesellschaft als legitim wahrgenommen. Damit wir dauerhaft etwas erreichen, müssen wir aber Veränderungen beim Einkaufsverhalten oder in Gesetzen verankern. Trotzdem darf man bei den Demonstrationen nicht überziehen. Diese Aufmerksamkeit in eine gute Werbung für uns umzusetzen, ist auch Aufgabe des Verbandes.

Ihre Dissertation und Ihre Arbeit als Vizepräsident konzentrierte sich auf den Bereich Umwelt. Warum ist das so ein interessantes Thema für Sie?

Umwelt ist ein sehr breit gefächertes Thema und hat meistens etwas mit der Zukunft zu tun. In der Landwirtschaft sind viele einzelne Produktionsbereiche davon betroffen, das hat man nicht nur mit Rinder-, Schweinehaltung oder Ackerbau, es trifft die ganze Bandbreite der Landwirtschaft in unterschiedlicher Form. Und wir können uns bei dem Thema nicht wegducken. Wir müssen sehen, dass wir vernünftige Ergebnisse mit erarbeiten. Da sehe ich noch viel Luft nach oben. Gerade wenn es um vernünftige Ergebnisse geht, zum Beispiel bei der Düngeverordnung. Die können wir so nicht akzeptieren, weil sie fachlich nicht begründet werden kann.

Bietet die Politik keinen vernünftigen Rahmen?

Wir hatten zwischenzeitlich auf Bundesebene das Problem, dass die Meinung der Landwirte niemanden mehr interessiert hatte. Oder man suchte sich irgendeine Splittermeinung heraus, die gerade passte, die aber nicht die Bedürfnisse der Landwirtschaft widerspiegelte. Das hatten wir 2019 mit dem Insektenschutzpaket und mit der Düngeverordnung, als die Landwirtschaft nicht mehr als relevant galt. Das hat die Landwirte auf die Straße getrieben. Gerade wir als Verband müssen dann dafür sorgen, dass wir wieder berücksichtigt werden. Das ist mein Ziel. Die Politik soll den Eindruck haben, dass es besser ist, den Bauernverband zu fragen, bevor sie Gesetze macht. Dann ist auch die Qualität der gesetzlichen Vorgaben besser.

Ich höre daraus, dass das Thema Umwelt auch weiter ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit als Präsident bleiben wird.

Das ist einer von drei Schwerpunkten. Die Zukunft der Tierhaltung ist genauso elementar. Wir müssen zudem mit der Öffentlichkeitsarbeit Fakten vermitteln. Ich glaube da gibt es in den nächsten Jahren genug zu tun. In der Tierhaltung sind die Gesetze auch nicht immer rational, da wird viel über Empfindungen oder Gefühle argumentiert. Aber Emotionen sind nicht immer ein guter Ratgeber.

Es wird ja oft gesagt, dass Sie auch mal mit der Faust auf den Tisch hauen können. Sehen Sie das als Stärke?

Eine Zeitung hatte das mal geschrieben und alle anderen drucken das nach. Ich habe aber noch keine Dellen in den Tischen. Trotzdem stimmt es, dass ich in Verhandlungen deutlich meine Meinung sage. Das ist vielleicht ein bisschen mehr Deutlichkeit in Ton und Lautstärke als es bisher gepflegt wurde. Man muss die eigene Meinung sagen, aber trotzdem konstruktiv bleiben.

Auf welche Aufgaben freuen Sie sich denn am meisten?

Es sind so viele, da muss ich überlegen. Als erstes möchte ich die Regionen und Menschen in Niedersachsen besuchen, die ich noch nicht so gut kenne. Was ich darüber hinaus spannend finde, ist die Berliner Politikwelt. Sie scheint ganz anders zu sein als das, was hier in Niedersachsen passiert. Ich freue mich darauf, da mitgestalten zu dürfen. Denn vieles, was uns Sorgen bereitet, kommt aus Berlin oder Brüssel. Aber bis Brüssel ist es noch ein weiter Weg. Das hebe ich mir noch ein bisschen auf.

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