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UNTERWEGS

Mit dem Oldtimer nach Norderney

Tolles Gespann: Reinhard Pucher mit seinem Eicher-Oldtimer und dem selbstgebauten Wohn-Anhänger.

Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen“, so schrieb bereits Mitte des 18. Jahrhunderts der Dichter Matthias Claudius in einem Volkslied. Dies passt auch genau zu Tüftler und Treckerliebhaber Reinhard Pucher aus Wiedensahl im Landkreis Schaumburg. Er hat sich mit seinem Einzylinder „Leopard“ der Marke Eicher plus selbstgebautem Wohnanhänger auf große Reise begeben: Ziel war die ostfriesische Insel Norderney.

Mit den Überlegungen für diese Tour und dem Bau eines skurrilen Anhängers, in dem er übernachten wollte, begann der gelernte Tischler im Oktober vergangenen Jahres. Ohne Bauzeichnung werkelte er an dem kleinen Häuschen auf Rädern herum, bis das letzte Brett angebracht war und die letzte Schraube saß. „Immer wenn ich Lust hatte, bin ich in den Keller und habe daran gearbeitet“, sagt der 72-Jährige, der während der Corona-Zeit einfach etwas zu tun haben wollte. Schmunzelnd verrät er: „Meine Frau schaut immer Shopping-Queen. Das ist wirklich nichts für mich. Da bin ich lieber runter in den Keller“.

Die Sitzbank lässt sich zum Bett umfunktionieren, ein Waschbecken und einen Mini-Kühlschrank gibt es ebenfalls.

Damit er auf seiner Reise auf nichts verzichten musste, plante er das Häuschen auf Rädern bis in den letzten Winkel perfekt durch. Nach Fertigstellung war es ausgestattet mit einer Sitzbank, die sich zum Bett umfunktionieren lässt, einem Tisch, einer Waschecke mit Spiegel und Camping-WC, einem batteriebetriebenen Mini-Kühlschrank und einem Gaskocher mit einer Kochplatte. Reinhard Pucher liebt das Tischlerhandwerk. Das ist auf den ersten Blick zu erkennen. Etliche verspielte selbstgezimmerte Kleinigkeiten hat er in den winzigen Wohnraum integriert. Ein Regalbrett für das Radio, einen hölzernen Schutz an der Fensterbank, damit der Reisewecker nicht während der Fahrt herunterfällt, eine Kommode mit Schubkästen, einen hölzernen Papiertuchhalter sowie Gardinenstangen. Blau-weiß karierte Vorhänge lassen alles wohnlich und behaglich werden.

Im Keller wurde gebaut

Doch nicht nur von innen, auch von außen ist der Anhänger ein echter Hingucker und hat einen märchenhaften Charakter. So blinzelt hinter aufgeklappten Fensterflügeln, ein silberner Wasserkocher über Eisblumen und Efeuranken, die im Blumenkasten mit auf die Reise gehen, hinweg. Als er mit der Arbeit am Anhänger fertig war, stellte sich ihm nur noch das Problem: „Wie kriege ich den aus dem Keller wieder nach draußen“. Aber auch das bewerkstelligte er mit großem Einfallsreichtum. Kurzerhand zerlegte er ihn in seine Einzelteile, schnitt auch ein Teil des Treppengeländers ab und setzte ihn sodann wieder zusammen.

Gute 500 Kilometer beabsichtigte Reisevogel Pucher zurückzulegen. Als Reisedauer hatte er zehn bis zwölf Tage ins Auge gefasst. Wann und wo er mit seinem Oldtimer und dem selbstgebauten skurrilen Anhänger Rast einlegen wollte, entschied er von Tag zu Tag neu. Je nachdem wie weit er schon gefahren war und wo es ihm gut gefiel. So tuckerte er Kilometer um Kilometer voran mit dreiviertel Gas und 15-16 Stundenkilometern und einem Tageslimit von 50 bis 65 Kilometern. Ein Highlight der Reise war das Übersetzen mit der Fähre von Norddeich nach Norderney. „Die Einweiser auf der Fähre schauten nicht schlecht, als ich angefahren kam“, berichtet er freudig. Nachdem er schließlich sein Reiseziel im Osten der Insel auf dem Campingplatz „Eiland“ von Familie Harms, einem ehemaligen landwirtschaftlichen Betrieb, erreichte, zog er als erstes Schuhe und Strümpfe aus, krempelte die Hosenbeine hoch und wanderte durch die Dünen zum Strand.

Schon auf Großglockner

Angst davor, diese lange Reise mit seinem Oldie-Schlepper nicht zu schaffen, hatte Reinhard Pucher nicht. Schließlich war er mit ihm im Jahr 2018 schon auf 3.000 Meter Höhe auf den Großglockner gefahren. Von den Autofahrern, die in langen Kolonnen hinter ihm auf der Reise herschlichen, zeigte er sich positiv überrascht. Seine Annahme, dass sein langsames Gefährt ein Ärgernis im Straßenverkehr werden und ihn möglicherweise Hupkonzerte umgeben würden, bestätigte sich nicht. Stattdessen sah er viele „Daumen hoch“ und Vorbeifahrende, die ihm fröhlich zuwinkten.

Entdeckt hatte er sein Eicher-Schätzchen vor gut zehn Jahren in der Scheune eines Bauern in Loccum im Landkreis Nienburg. Bis auf das Dach des Schleppers, veränderte der Tüftler nichts an dem Oldie. „Wenn ich wollte, könnte ich sogar noch damit mähen, denn das Mähwerk habe ich drangelassen“. Reinhard Pucher ist mit seinem Oldie ein Herz und eine Seele. Stolz blickt er den Eicher an und sagt: „Er schnurrt wie eine Eins!“

Das sieht man nicht oft: Im gemütlichen Schritttempo fährt Reinhard Pucher, auf Norderney angekommen, von der Fähre.

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