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FAMILIE

Kinder nie aus den Augen lassen

Diese Grundregel müssen auch Kinder unbedingt kennen: Erst abkühlen und dann langsam ins Wasser gehen.

Wenn im Freibad wegen der Corona-Verordnungen kein Termin zu bekommen ist, sind Kiesteiche, Seen und Flüsse oft die Alternativen. „Wild“ schwimmen gehen ist ohnehin ein kleiner Trend. Doch Wasserspaß ist nicht ungefährlich, im Gegenteil. In Deutschland ertrinken jedes Jahr rund 500 Menschen, darunter jedes Jahr etwa 50 Kinder – und ist damit in ihrer Altersgruppe eine der häufigsten Todesursache.

Die meisten Badeunfälle mit tödlichem Ausgang passieren in Flüssen und Seen. Zwar kommt es auch in Freibädern zu Unfällen, aber dort unternimmt das Personal in der Regel sofort Ersthelfermaßnahmen – und der Krankenwagen kennt den Weg dorthin. Auch Seebäder oder Flussschwimmanstalten sind oft von Bademeistern oder vom DLRG betreut – und auch von der Wasserqualität her überwacht. Aber hier bemerkt man schon den Unterschied zum künstlichen und beheizten Freibad. Natürliche Wasserschichtungen bewirken drastische Temperaturunterschiede: Direkt an der Oberfläche ist es lauwarm, einen Meter tiefer kann es eiskalt sein – eine große Belastung für Herz und Kreislauf, die zu Ohnmacht oder Schock führen kann. Ein wichtiger Tipp ist deshalb, nicht überhitzt von der Radtour zum See direkt in die Fluten zu springen. Sondern erstmal im Schatten ausruhen und dann nach und nach langsam ins Wasser gehen.

Ob im Freibad oder am Strand, Eltern sollten ihre Kinder nie – nie! – nie aus den Augen lassen oder einfach auf einem Wasserspielzeug treiben lassen oder mitnehmen „ins Tiefe“. Kentert dann der rosa Flamingo und das Kind kann noch nicht schwimmen wird es schnell gefährlich. Auch das „Seepferdchen“ reicht nicht. Laut DLRG gilt erst das Schwimmabzeichen „Bronze“ als ein Zeichen, dass das Kind gut schwimmen kann. Freischwimmer hieß das früher treffenderweise. Aktuell können aber immer weniger Kinder gut schwimmen, Schwimmbäder schließen und in der Coronazeit sind außerdem viele Kurse ausgefallen.

Freier Eintritt

Und was ist mit den Teenies? Jugendliche, die im Jahr vor Corona noch brav mit Mama und Papa auf der Picknick-Decke saßen und sich beaufsichtigen ließen und nun 14 sind und alleine unterwegs? Die das Eintrittsgeld fürs Freibad lieber in Chips und Energydrinks umsetzen und deshalb da baden, wo es umsonst ist: im Dorfweiher oder im Fluss.

„Wie Generationen vor ihnen“, sagt Willibald Möhring. „Wie ich.“ Möhring ist 75 Jahre alt, mehrfacher Großvater und hat in der Nachkriegszeit in der Ems und im Dortmund-Ems-Kanal Schwimmen gelernt. „Ich habe es mir selbst beigebracht“, korrigiert er, „und dann meinen beiden kleinen Schwestern.“ Heimlich. Der Vater hätte ihn „mit der Mistforke“ verprügelt, hätte er es herausgefunden.

Viel zu gefährlich. „Meine eigenen Kinder dann, die waren im Schwimmkurs im Hallenbad. Das war in den 1980er Jahren, niemals wären die in einen Fluss baden gegangen, damals war das alles viel zu dreckig.“ Dass seine Enkelkinder alles gute Schwimmer und Schwimmerinnen sind, erfüllt ihn mit Stolz und dass sie wieder in sauberen Flüssen schwimmen können, freut ihn. „Aber ich weiß auch dass ich damals viel Glück hatte und viel passieren kann.“ Und so weist der mittlerweile nicht mehr aktive freiwillige Feuerwehrmann seine Enkelkinder und deren Freundeskreis unermüdlich auf die Regeln hin: Erst Terrain erkunden, dann springen. Flüsse mit Schiffsverkehr sind tabu, weil lebensgefährlich. Die Schiffe sorgen für einen wahnsinnigen Sog, der einen von den Füßen reißt und mit in die Fahrrinne zieht.

Unbekannte Gewässer

Lauschig aussehende Buchten bilden oft kräftige Strudel, die man von außen nicht sieht. Auch rund um Brückenpfeiler oder Bäume kann es zu Strömungen kommen. Ist das Flüsschen eher flach, sind die Gefahren ganz andere: entsorgte Fahrräder oder anderer Schrott übersäen den Grund, Scherben und Flaschen und scharfkantiger Bauschutt außerdem. Wer darauf landet, tut sich sehr weh.

Auch Kiesteiche oder Baggerseen haben ihre Tücken. Uferböschungen können sowohl oberhalb als auch unterhalb des Wasserspiegels abrutschen, zurückgelassene Gerätschaften und Baggertechnik kann noch knapp unter der Oberfläche liegen.

Die DLRG weist außerdem darauf hin, dass in diesem Jahr doppelt Vorsicht geboten ist. Viele von uns haben in der langen Lockdownzeit an Kondition verloren, generell, und beim Schwimmen fehlen lange Monate Erfahrung. Nichtschwimmer sollten nur bis zum Bauch ins Wasser. Und die Jugendlichen, die ja meist zu mehreren sind, sollten aufeinander achten und wissen, was der oder die andere kann. Oder was nicht. Der eine hat seit ewigen Zeiten sein Goldabzeichen und krault locker zum anderen Ufer, die andere hat irgendwann mal Seepferchen gemacht oder bekommt Panik, wenn sich Algen um die Fuß schlängeln.

Wichtig ist auch, sich immer wieder neu zu informieren. Nur weil der heimische See seit Jahr und Tag zum Baden genutzt wird oder Generationen von der Brücke am Festplatz in den Fluss gesprungen sind, kann das am Urlaubsort oder bei den Verwandten woanders ganz anders sein.

So wie Willi Möhring gibt es wohl in jedem Ort Menschen aus der älteren Generation, die wissen, welche inoffiziellen Badestellen es gibt und gleichzeitig auch über Gefahren und Sonstiges erzählen können. Und es gibt heute auch das Internet, Blogger und Instagramer, die darüber schreiben und posten, wo wildes Schwimmen gut und sicher erlaubt ist.

Autor Hansjörg Ransmayr (siehe Buchtipp) empfiehlt Schwimmbrille und Ohrenschützer mitzunehmen; und eine Schwimmboje. Das ist ein luftgefüllter Sack, den man hinter sich herzieht, ohne dass er einen behindert. Damit ist man sichtbar – für Boote oder Surfer. Und falls man mal einen Krampf bekommt, kann man sich daran festhalten.

Einzigartiges Erlebnis

Wer all diese Aspekte berücksichtig, dem kann das „Wildschwimmen“ ein einzigartiges Badeerlebnis bescheren. Und das jeden Tag, selbst wenn man immer nur im selben Weiher hinterm Dorf schwimmt. Ändern sich doch Wind und Wetter, Temperatur und Bewuchs. Mal ist das Wasser trüber, mal klarer, mal blühen die Schwertlilien, mal das Röhricht. Und statt Sprungturmgeschrei hört man Vogelzwitschern, statt nach Pommes, Chlor und Lichtschutzfaktor 50 riecht es nach Wasserminze und feuchtem Moos, während man gemächlich Bahnen schwimmt durch glitzernde Libellenschwärme.

Für den Sommer 2021 sind von den 273 Badestellen an Nordseestränden, Flüssen und Seen, die nach der EU-Badegewässerrichtlinie überwacht werden, 264 mit ausgezeichnet oder gut eingestuft worden. Tagesaktuelle Infos zu Badegewässern in Niedersachsen finden Sie im Internet unter: apps.nlga.niedersachsen.de/batlas/index.php?p=ha

Schwimmen in der Natur

Einer der bekanntesten Wildschwimmer ist Hansjörg Ransmayr, von Beruf Rettungsschwimmer, Bergwanderführer – und Autor des Buches „Wild Swimming Deutschland“ in dem er mehr als 100 Seen, Flussbadestellen, Wasserfälle oder Küstenteile vorstellt, die besonders sind. Von besonders familienfreundlich bis besonders spektakulär. Dazu gibt es auch viele Tipps zur Natur und Sicherheit.

  • Wild Swimming Deutschland – Entdecke die aufregendsten Seen, Flüsse, Wasserfälle und Strände Deutschlands, Verlag Haffmanns & Tolkemitt, 266 S., 22,50 €, ISBN: 9883942048514

Brütende Vögel und Insekten nicht stören

Naturschutz | Auch in nicht explizit unter Schutz stehenden Kiesgruben und Baggerseen leben ja Vögel, Frösche und Libellen, wachsen Pflanzen und vielleicht sogar seltene Arten. Deswegen vor dem Schwimmen die Lage überprüfen: Brüten hier gerade Vögel? Ist da ein Laichgebiet? Muss ich mich lange durch die Uferstreifen und Blumen und Sträucher schlagen und trample alles Mögliche kaputt? Dann lieber nicht an dieser Stelle ins Wasser gehen oder am Ufer die Picknickdecke ausbreiten.

Und vor allem: Gehen Sie möglichst nicht mit Sonnenmilch eingeschmiert ins Wasser. Besser, Sie tragen einen Neoprenanzug oder ein Bade-Shirt gegen die Sonne. Die Creme erzeugt einen fettigen Film auf dem Wasser und ihre Inhaltsstoffen bekommen den Mikroorganismen schlecht.

Achtung: Anders als in Badeanstalten oder Seebädern gibt es an naturnahen Badstellen keine Müll-Logistik, deshalb unbedingt alles wieder mitnehmen.

ST

Auch an Gewässern in nicht explizit unter Schutz stehenden Gebieten ist Rücksicht zu nehmen absolut notwendig.

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