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Herdenimpfung schützt auch die Kälber

Gemeinsam optimieren Tierarzt Dr. Jan Hendrik Steudtner (rechts) und Steffen Galts die einzelnen Bereiche des Betriebes, um die Leistung im Einklang mit der Tiergesundheit zu verbessern.

Landwirt Steffen Galts bewirtschaftet zusammen mit seinem Bruder Heiko einen Milchviehbetrieb in Wittmund-Blersum. Zum Betrieb gehören 120 ha, überwiegend Grünland, sie betreiben aber auch Acker- und Futterbau. 80 Kühe plus weibliche Nachzucht stehen im Stall, die Milchleistung liegt bei etwa 11.600 Liter je Kuh und Jahr.

Die Fütterung der Kühe erfolgt mit einer Mischration über den Futtermischwagen und über Kraftfutterstationen. Die Ration besteht aus Gras- und Maissilage, eigenem Getreide, Eiweißkomponenten, Mineralfutter und Wasser.

Der Betrieb ist eigentlich gut aufgestellt, doch ein Problem verfolgen die Galts schon lange: die Rindergrippe. Der Tierarzt Dr. Jan Hendrik Steudtner erinnert sich: „Wir betreuen den Betrieb seit 2004. Schon damals gab es Probleme in der Kuhherde mit Rindergrippe, und zwar vornehmlich bei den frisch abgekalbten Kühen.

Als Schutzmaßnahme impften wir zu dieser Zeit nur die trockenstehenden Kühe gegen Grippe. Das ging über längere Zeit gut und es hatte sich auch bewährt, nur die trockenstehenden Tiere zu impfen. Diese Maßnahme wurde aber eben immer bloß durchgeführt, wenn es Probleme gab. Doch dann klappte diese Methode irgendwann nicht mehr.

Der Erregerdruck steigt

In vielen Betrieben haben Atemwegsprobleme zugenommen und der Erregerdruck ist immer größer geworden. Ein Grund könnte sein, dass die Kühe nicht mehr so immunkompetent sind wie früher. Wir nehmen regelmäßig Blutproben und lassen diese im Labor nicht nur auf die jeweilige Fragestellung untersuchen, sondern immer auch auf die Anzahl der Leukozyten, Erythrozyten und Blutplättchen.

Damit können wir sehen, wie gut das Immunsystem arbeitet und wie gut die Tiere auf eine Infektion reagieren können. Dabei haben wir festgestellt, dass häufig zu wenige dieser Zellen im Blut sind. Eigentlich banale Infektionen haben so leichtes Spiel, wenn dann der Erregerdruck noch zunimmt, kippt das System.“

Die Impfung gegen die Rindergrippe musste also neu gedacht werden. Die Bestandsimpfung des gesamten Betriebes – als seuchenhygienische Einheit – stand zur Diskussion. „Den ganzen Bestand gegen Rindergrippe zu impfen, um eine Herdenimmunität aufzubauen, hatte bis dato aber kaum jemand gemacht, denn in Milchviehbetrieben wird häufig der Fokus mehr auf das Einzeltier gelegt. Doch im Grunde ist es ja ein Herdentier. Bei den Schweinen ist eine Bestandsimpfung üblich, beim Geflügel und bei Mastkälbern auch, aber bei der Milchkuh noch nicht“, so Steudtner.

2017/2018 impfte er erstmalig ganze Milchkuhbestände, denn es gab mehrere Betriebe mit der Problematik Rindergrippe. Für ihn ein Wagnis.

Geduld mitbringen

„Doch es funktionierte, zwar nicht von heute auf morgen, man darf nicht ungeduldig werden, denn es ist eine mittel- bis langfristige Maßnahme. Der Erregerdruck muss erst runtergehen. Außerdem muss zweimal im Abstand von drei Wochen geimpft werden und dann alle sechs Monate, um die Herdenimmunität aufzubauen. Wenn das nicht gemacht wird, funktioniert die Bestandsimpfung nicht. Je öfter man impft, desto deutlicher werden die Verbesserungen.“

Der Impfstoff schützt sechs Monate gegen das bovine Parainfluenza 3-Virus (PI3V), das bovine Respiratorische Synzytialvirus (BRSV) und gegen den bakteriellen Erreger Mannheimia haemolytica. Er ist für Kälber und für tragende und laktierende Kühe zugelassen und gut verträglich.

Mit diesem Wissen impfte der Tierarzt auch den Bestand von Steffen Galts erstmals im November 2020 zweimal im Abstand von drei Wochen und dann im Frühjahr 2021 erneut zum Erhalt der Immunität einmalig. „Es scheint auch hier gut zu klappen, die frisch abgekalbten Kühe haben seitdem keine Atemwegsprobleme mehr. Der Zeitraum für eine endgültige Bewertung ist hier aber noch kurz, gerade einmal sechs Monate“, erklärt Galts.

Ganzen Bestand impfen

Er steht trotzdem voll hinter diesem Konzept. „Wenn man in prophylaktische Maßnahmen, wie in diesem Fall eine Herdenimmunisierung, investiert und so den Anteil erkrankter Tiere sowie den Antibiotikaeinsatz reduzieren kann, hat es sich für Tier und Mensch gelohnt. Man sieht es den Tieren auch an, die Kühe haben keinen Augenausfluss, kein bis nur vereinzeltes Nasensekret und ein schönes Fell. Sie sind leistungsfähig und wir haben keine Sperrmilch mehr. Zudem ist die belastende Situation beendet, dass wir bei den Frischkalbern so schwere Atemwegserkrankungen haben. Es bleibt ja immer ein Schaden in der Lunge zurück, und bei den frisch in der Milch stehenden Kühen ist das sehr ärgerlich.“

Von anderen Betrieben, in denen schon vor längerer Zeit die Bestandsimpfung eingeführt wurde, kann der Tierarzt über eine merklich verbesserte Tiergesundheit und über langlebige Tiere, die die 100.000 Liter-Marke erreichen, berichten.

Für Galts sind zwei Impftermine im Jahr gut umzusetzen und in die Arbeit zu integrieren. Er impft kurz vor Weideauftrieb und bei Weideabtrieb, um jeweils die gesamte Herde immunisieren zu können.

„Bei Kälbern ist es natürlich so, dass man zwischen den beiden Impfterminen weitere Geburten hat. Diese Kälber lassen wir bis zum nächsten Impftermin ungeimpft, um eine gewisse Routine reinzubekommen“, erklärt der Landwirt. Durch die Impfung aller Kühe der Herde zum gleichen Zeitpunkt entsteht auch für die noch ungeimpften Kälber ein gewisser Schutz (Cocooning). Der Tierarzt macht klar: „Bei hohem Infektionsdruck funktioniert dieses Cocooning anfangs noch nicht ausreichend. In diesem Fall muss man es schaffen, auch die im Zwischenzeitraum geborenen Kälber zu impfen. Diese Kälber können dann zukünftig in die Routine mit aufgenommen werden, auch wenn man mal nach vier Monaten schon nachimpft.“

Obwohl im Betrieb Galts bisher hauptsächlich die Kühe mit Atemwegsproblemen betroffen waren, gab es auch bei den Kälbern Fälle. „Früher hatten wir die Kälber im Altgebäude, aber dort gab es eine tiefe Zwischendecke mit wenig Frischluftzufuhr, die Kälber hatten dadurch auch mal Atemwegsprobleme. Deshalb haben wir eine neue Halle gebaut, sie gut isoliert und mit Tubes zur Frischluftzufuhr versehen. Seitdem ist die Tiergesundheit deutlich besser geworden“, berichtet Steffen Galts. Für die neugeborenen Kälber hat er fahrbare Iglus besorgt, damit man sie außerhalb des Stalls besser mit dem Hochdruckreiniger sauber machen kann, denn die erregerhaltigen Aerosole würden sich sonst bei der Reinigung im Stall verteilen.

Auf Milchbar umgestellt

Zusätzlich stellten sie in Absprache mit dem Tierarzt die Tränke von einem Tränkeautomaten auf eine Milchbar um und bildeten feste Sechsergruppen. Jetzt erhalten alle gleichmäßig viel Milch.

Kurz nach der Geburt bekommen die Kälber zwei bis drei Liter Kolostrum ihrer Mutter wie auch über weitere fünf Tage. Durchfallprobleme gibt es kaum, wohl auch wegen der Mutterschutzimpfung gegen Rotaviren.

„Zusätzlich zur Milchtränke erhalten die Kälber Kälbermüsli und Kälber-TMR. Die TMR besteht aus kurzgehäckseltem Stroh, Flakes, Melasse, Körnermais, Mineralfutter.

Es steckt viel Energie drin, dadurch sind die Kälber satt und gut ausgefüttert in den ersten Wochen, das macht sie zu leistungsfähigen Kühen, Stichwort metabolische Programmierung. Uns ist klar, dass wir hier in etwas investieren, dessen Erfolg wir erst in zwei Jahren sehen“, weiß Steffen Galts. Aber er weiß um die Bedeutung vorbeugender Maßnahmen und darum, wie wichtig eine gute Aufzucht für das spätere Kuhleben ist.

Eigentlich wäre mit den weitläufigen Weideflächen und dem Doppel 10er Fischgrätenmelkstand Platz für mehr Kühe, doch Galts fehlt wie so vielen Landwirten aktuell die Planungssicherheit. Deshalb wollen sie erst einmal weiter das Vorhandene optimieren.

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