Logo LAND & FORST digitalmagazin

Artikel wird geladen

RATGEBER

Geflügelstall: Mit anderen Augen sehen

Das Geflügelauge sieht anders als das menschliche Auge, es kann UV-Licht und Schillerfarben sehen. Leuchtmittelhersteller arbeiten weltweit daran, speziell an das Geflügelauge angepasste Lichtquellen zu entwickeln. Auf der nächsten EuroTier werden Neuheiten hierzu erwartet.

Um die Frage zu beantworten, wie die Beleuchtung im Geflügelstall eigentlich aussehen muss, ist erst einmal zu klären, was Licht überhaupt ist. So begannen Prof. Dr. Robby Andersson und Louisa Reimers von der Hochschule Osnabrück das Webseminar zum Thema „Beleuchtung im Geflügelstall.“ Veranstalter war das Projekt Netzwerk Fokus Tierwohl. Für alle Lebewesen ist Licht der Teil der elektromagnetischen Wellen, der mit dem Auge wahrgenommen werden kann. Welche Wellenlängen im Einzelnen wahrgenommen werden können, entscheidet der Aufbau des Auges. Verantwortlich sind die Stäbchen und Zapfen im Auge, die Zapfen für das Farbsehen und die Stäbchen für das Schwarz-Weiß bzw. Helligkeitssehen.

„Vögel sehen die Welt anders als wir“, erklärte Prof. Andersson. Ein wesentlicher Unterschied ist im beschriebenen Aufbau des Auges zu finden. Für den Menschen liegen die sichtbaren Wellenlängen des Lichts zwischen 380 und 780 nm. Dieser für uns Menschen sichtbare Teil wird Lichtspektrum genannt. Es setzt sich aus den drei Grundfarben Rot, Grün und Blau zusammen.

Geflügel sieht UV-Licht und Schillerfarben

Entgegengesetzt zum Menschen haben Vögel fünf statt drei Zapfentypen. Dadurch umfasst das Lichtspektrum von Geflügel 320 nm bis 780 nm und sie können neben Rot, Blau und Grün auch den UV-Bereich und Schillerfarben wahrnehmen. Ein weiterer Unterschied ist, dass Menschen nur etwa 50 Hz (Bilder pro Sekunde) wahrnehmen können, beim Geflügel sind es jedoch deutlich über 120 Hz. Je nachdem, welche Farbe stärker vertreten ist, erscheint das Licht für uns eher warm oder kalt. Die Lichtfarbe wird bei Leuchten oft in Kelvin (K) angegeben. Bei der Lichtfarbe gilt Licht zwischen 3.300 bis 5.000 K als neutralweiß, 2.000 bis 3.300 K als warmweiß und > 5.000 K als kaltweiß oder tageslichtweiß. Diese Wahrnehmung der Lichteigenschaft ist jedoch nicht auf Geflügel übertragbar.

Die vielen Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen Mensch und Geflügel spiegeln sich in den Ansprüchen der Tiere an das künstliche Licht im Stall wieder, so der Experte. Können wir etwa noch gut im Halbdunkeln lesen, kann das Geflügel womöglich nichts mehr sehen, weil seine wichtigen Lichtteile wie UV-A nicht mehr vorhanden sind. Denn fehlt der UV-Anteil im Licht, wirkt es für Vögel wesentlich dunkler als für Menschen.

Andersherum ist es, wenn das Licht einen UV-Anteil besitzt. Dann ist es für Vögel wesentlich heller als für uns Menschen, da wir kein UV-Licht wahrnehmen können. Somit sind Farbangaben und Helligkeit in den gängigen Maßeinheiten nur für Menschen aussagekräftig, nicht aber für das Geflügel. Der UV-A-Anteil im Licht hilft dem Geflügel außerdem, Feuchtigkeit besser zu erkennen. Somit erkennen sie z.B. Würmer im Auslauf viel deutlicher als Menschen.

Natürliche Umgebung als Vorlage

Zur Zusammensetzung von natürlichem Licht hat Prof. Andersson unter anderem Standortuntersuchungen durchgeführt. An jedem Standort und zu jeder Tageszeit nehmen wir Dinge unterschiedlich wahr. Schaut man sich den gleichen Standort beispielsweise mittags und abends an, wirken die Farben jeweils ganz anders. Ebenso ist es, wenn die Sonne scheint oder es bewölkt ist, man unter freiem Himmel steht oder im Wald unter einem Blätterdach. Denn es werden jeweils andere Farbe reflektiert, gefiltert und somit auch wahrgenommen.

Um den UV-A-Anteil der natürlichen Lebensräume verschiedener Geflügelarten zu untersuchen, wurden Messungen im Dickicht und unter freiem Himmel durchgeführt. Dabei soll Ersteres den Lebensraum von Hühnern im Wald darstellen und Letzteres die Steppe als Habitat von Puten. Bei diesen Messungen ist herausgekommen, dass der UV-A-Anteil im Dickicht bei etwa 2,5 % liegt. Unter freiem Himmel liegt er jedoch bei 6,5 %. Somit unterscheidet sich der Lichtbedarf nicht nur generell zwischen Menschen und Vögeln, sondern auch zwischen zum Beispiel Hühnern und Puten.

In weiteren Untersuchungen wurde gemessen, wie verschiedene Fenstertypen das Licht filtern. Für Menschen macht es keinen großen Unterschied, ob wir durch eine Fensterscheibe oder durch ein offenes Fenster schauen. Doch jede Fensterscheibe filtert das Licht in unterschiedlicher Weise, lässt also einige Farbanteile besser durch als andere. Gerade bei Kunststofffenstern wird der UV-Anteil fast vollständig herausgefiltert, wodurch der Raum für Vögel wesentlich dunkler ist als für Menschen.

Fenster filtern Licht in unterschiedlicher Stärke

Dadurch wirkt eine Umgebung völlig anders, wenn die Tiere bei einer Umstallung in einen Stall mit anderen Fenstern kommen, die andere Farben filtern. Dieser Effekt tritt ebenfalls auf, wenn in einem Durchgang die Lampen getauscht werden. Leider sind Leuchtmittel, welche dem natürlichen Tageslicht entsprechen, aktuell so teuer, dass sie in der Praxis nicht verwendbar sind. Somit bleibt zunächst das Problem, dass die Umwelt für Vögel von Fenster zu Fenster und von Leuchtmittel zu Leuchtmittel anders aussieht, bestehen. Es ist allerdings zu erwarten, dass es bald erschwingliche Lösungen gibt, da Leuchtmittelhersteller weltweit an dem Thema arbeiten. Die nächste EuroTier wird auch unter diesem Aspekt spannend.

Bei Kunststofffenstern wird der UV-Anteil des natürlichen Lichts von draußen fast vollständig herausgefiltert, wodurch der Stall für Vögel wesentlich dunkler ist als für Menschen.

Unter anderem enthält die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung einige Eckdaten zur Helligkeit für die Beleuchtung im Geflügelstall. Die Helligkeit wird in Lux gemessen. Allerdings misst das Luxmeter nur die Wellenlängen, die auch vom Menschen wahrnehmbar sind. Somit hat diese Angabe eingeschränkte Aussagekraft für das Helligkeitsempfinden des Geflügels, zum Beispiel wird mit den üblichen Luxmetern der UV-Bereich nicht mitgemessen.

Zudem strahlt eine Lampe nicht gleichmäßig in alle Richtungen, sondern wird mit zunehmender Entfernung zur Lampe immer dunkler. Dies kann auch mit dem Luxmeter gemessen werden. Es wird deutlich, dass für Geflügel die Umwelt direkt unter der Lampe anders aussieht, als weiter weg von der Lampe. Um Lichtmessungen für Geflügel vorzunehmen, sollte eher der Licht-Index-Geflügel (LIG) verwendet werden. Dieser bezieht den UV-Bereich und die Helligkeitsempfindung des Geflügels bezogen auf einzelne Farben mit ein.

Geflügel braucht flackerfreies Licht

Ein weiterer Aspekt ist das Flackern von Licht. Denn Lampen, die für uns dauerhaft leuchten, nimmt das Geflügel häufig als flackernd wahr. Diesen Effekt kennen wir vom Stroboskop beim Feiern. Begründen lässt sich dieser Effekt damit, dass Vögel wesentlich mehr Bilder pro Sekunde sehen. Mit entsprechender Technik kann dem Flackern aber entgegengewirkt werden. Angegeben wird das Flackern als Hertz (Hz) und die Stärke des Flackerns mit dem sogenannten Flackerindex (Fi). Ist der Fi kleiner als 0,1, gilt die Lampe als flackerfrei. Der Fi sollte jedoch am besten direkt im Stall gemessen werden, da auch die Installation und die Stromstärke einen Einfluss auf das Flackern haben. Bei der Auswahl des Leuchtmittels sollten nur Lampen eingesetzt werden, die mindestens 160 Hz aufweisen. Hier gilt jedoch: Je mehr Hz, desto besser.

FAZIT

  • Geflügel sieht anders als Menschen.
  • Was Menschen sehen, setzt sich aus den Grundfarben Rot, Blau und Grün zusammen.
  • Geflügel kann zusätzlich den UV-Bereich und Schillerfarben wahrnehmen.
  • Fehlt ein Farbbereich im Spektrum des Lichts im Stall, kommt es beim Vogel zum Sehen von Falschfarben und die bekannte Umwelt sieht völlig fremd aus.
  • Geflügel sieht zudem wesentlich mehr Bilder pro Sekunde als Menschen. Es nimmt Lampen, die für Menschen als dauerhaft leuchtend angesehen werden, als flackernd wahr.
  • Es gibt für Geflügelställe flackerfreies Licht.
  • Das Lichtkonzept im Stall sollte generell besser auf das Geflügel abgestimmt werden.
  • Nicht nur Leuchtmittel machen das Licht im Stall aus, sondern auch der Stall selbst, die Fenster, etc.
  • Leuchtmittelhersteller weltweit befassen sich mit dem Thema „Licht für Geflügel“.
  • Auf der nächsten EuroTier werden erschwingliche Lösungen erwartet.
Digitale Ausgabe LAND & FORST

Holen Sie sich noch mehr wertvolle Fachinfos.
Lesen Sie weiter in der digitalen LAND & FORST !

 Bereits Mittwochnachmittag alle Heftinhalte nutzen
✔ Familienzugang für bis zu drei Nutzer gleichzeitig
✔ Artikel merken und später lesen
✔ Zusätzlich exklusive Videos, Podcasts, Checklisten und vieles mehr!