Über das eigene Leben schreiben
Redaktion Oldenburg – ich öffne eine E-Mail und bin überrascht: „An Hilke Lehmann, die mich so gewinnend gelobt hat, damals“, schreibt unsere Leserin Dorothea Böker. Und weiter: „Es waren zwei Sätze, so etwa: Von allen Einsendungen, die wir bekamen, hat mir Ihr Text am besten gefallen. Sie haben einen besonderen Stil, Sie sollten mehr schreiben...“
Mit fällt es nach etwas Grübeln ein: Stimmt, es ging um die Sommerferien! Ich errinnere mich sofort an den kleinen Text. Frau Böker schreibt weiter: „Whow! Und dann bin ich in den Schwarzwald gefahren. Eine Woche „autobiografisches Schreiben“, mein Sommerurlaub. Herrad Schenk, Schriftstellerin, gibt Kurse. Durch Zufall bin ich darauf gestoßen und habe mich einfach getraut.“
Die Frau Böker möchte ich gern kennenlernen, denke ich, während ich weiterlese: Seit 2015 sei sie in jedem Sommer per ICE nach Freiburg gefahren. „Schöne Tage in den Weinbergen, erholsam und anregend. Und ich war so schlecht nicht zwischen pensionierten Lehrerinnen und anderen ambitionierten Schreibern – ich, die niedersächsische Altbäuerin ohne Abitur. Der Germanist aus Tübingen mir gegenüber, daneben die Bibliothekarin aus Aachen und die Kölnerin, die beim Ministerium beschäftigt ist, die Sozialtherapeutin aus Augsburg, der Rest: Lehrerinnen, angenehme und weniger angenehme.“
Überredungskunst
Ich greife zum Hörer. Jetzt überrasche ich Frau Böker. Sage ihr, dass ich unsere Leser gerne teilhaben lassen möchte. „Nein, erwidert sie, „erste Reihe, das bin ich nicht.“ Es würde doch reichen, wenn in der LAND & FORST stünde, wie viel Spaß autobiographisches Schreiben macht. Wichtig seien ihr die Buchtipps dazu (siehe Medienseite 71). Aber ich lasse nicht locker und überrede sie schließlich zu einem Treffen. „Dann backe ich Apfelkuchen, wenn Sie kommen“, sagt Frau Böker, und ich bilde mir ein, dass ein bisschen Neugierde in ihrer Stimme mitschwingt.
Ortswechsel – Ilsede. Ich sitze im Wohnzimmer, der Apfelkuchen duftet! Meine Blicke streifen durchs Wohnzimmer, während meine Gastgeberin den Kaffee holt. Links entdecke ich eine kuschelige Leseecke mit einem Regal voller Kinderbücher. „Für meine Enkelkinder“, erklärt sie und berichtet, dass sie 15 Jahre lang die Ortsbücherei geleitet hat. „Ich habe es geliebt, einmal im Jahr nach Hildesheim in die Buchhandlung zu fahren, um neue Bücher anzuschaffen. Nach Herzenslust stöbern und kaufen – war das schön!“
Bei Kaffee und Kuchen tauschen wir uns über unsere Lieblingsbücher aus und sinnieren übers eigene Schreiben. Sie sei der Sprache schon immer zugewandt gewesen, das „Sich erinnern“ sei für sie ganz wichtig. „Über sein Leben nachzudenken, konzentriert, ohne Ablenkung, da werden plötzlich Erinnerungen aktiviert, verschüttet Geglaubtes kommt wieder.“
Den Schreibkurs leite Herrad Schenk gut, fest, strukturiert. „Sie kocht acht Sorten Tee, ich trinke immer den ‚Kaiserstühler Haustee‘. Sie ist humorvoll, führt so gut, dass ich nie Sorge haben muss, dass es ein Quatsch-Laber-Zirkel wird, dreieinhalb Stunden Konzentration, von zwei kleinen Pausen mal abgesehen.“
Denkweisen überprüfen
Und kurz vor Ende der Kurswoche kriegen die anderen mit, was sie die letzten Jahrzehnte so gemacht hat – und immer noch tut. Manchmal gäbe es Verwunderung, sagt sie, traut man vielleicht einer Landfrau diese Interessen nicht zu? „Ab und zu muss mal überprüft werden, ob Denkweisen, die auch Vorurteile sein können, noch stimmen....“
Wieder zurück, habe ich schon eine Mail aus Ilsede – es gibt noch gewisse Bedenken. Doch am Ende werden wir uns einig: Wir möchten mit dieser kleinen Geschichte auch andere Leser dazu anregen, etwas über sich und ihr Leben aufzuschreiben.“
✔ Bereits Mittwochnachmittag alle Heftinhalte nutzen
✔ Familienzugang für bis zu drei Nutzer gleichzeitig
✔ Artikel merken und später lesen
✔ Zusätzlich exklusive Videos, Podcasts, Checklisten und vieles mehr!