Weißer Hubertushirsch

Ich hatte fünf Minuten zuvor ein Schmaltier erlegt, als ein weißer Knieper austrat. Auf 50 Schritt verhoffte er breit auf der Wiese und äugte zu mir herüber. Was auch immer mich davon abhielt, ich konnte nicht schießen. Und das lag nicht an dem Aberglauben, nur noch ein Jahr zu leben, würde ich ein weißes Stück Wild strecken.

Ich verbrachte Minuten damit, mich selbst zum Schuss zu überreden; das gute Wildbret, die besondere Trophäe, der Verbissdruck im Revier. Nichts funktionierte. Als ich mich entschloss, den Finger gerade zu lassen, wandte der Hirsch sein Haupt und zog davon. Bewegt blieb ich sitzen. Was war gerade mit mir passiert, war meine jagdliche Passion nun weg?! Nein, sie war gereift.

Ich muss kein Stück erlegen, nur weil ich es kann. Und wenn ich über Leben und Tod entscheide, sollte ich voller Überzeugung dahinterstehen, sonst ist es undankbar. Nachdenklich brach ich das Schmaltier auf. Und freue mich umso mehr auf diese Steaks. Waidmannsheil