… lang lebe der König!

Man kann sie riechen, man kann sie hören, aber man sieht sie nicht. Es ist Wahnsinn, wie heimlich ein so großes Tier sein kann. Zweimal hatte mein Freund Alex während seines Forststudiums die Möglichkeit, Wisente in freier Wildbahn zu erleben: Einmal während eines Praktikums im Westbeskidischen Gebirge an der Grenze Polens zur Ukraine und einmal während eines Jagdausfluges in die polnische Borker Heide. Auch zehn Jahre später hält die Faszination dieser Begegnungen ihn immer noch gefesselt: „Bewegt sich Rotwild im Bestand, ist es lauter. Der Wisent ist das wahre Gespenst des Waldes.“

Gespenstern bzw. Geistern sagt man die Fähigkeit nach, vor den Augen des Betrachters verschwinden zu können. Gänzlich zu verschwinden schafft zwar auch der stärkste Wisentbulle nicht, trotzdem ist es erstaunlich, wie leise sich selbst eine Herde der urigen Rindviecher durch den Wald bewegen kann. Ihre zottige braune Decke hilft dabei, die Täuschung im Licht- und Schattenspiel des Waldes zu vervollständigen. Wisente sind Herdentiere, die am liebsten alles simultan machen. Wenn ein Mitglied einer Bullengruppe ruht, machen es ihm seine Gefährten nach. Wenn die Leitkuh eines Damen-/Jungtierverbandes – der im Urwald von Białowieża bis zu 20 Tiere umfassen kann – beschließt zu äsen, machen sich alle auf den Weg. Während der Vegetationsperiode verbringen die Tiere so bis zu 60 Prozent des Tages mit der Nahrunsgaufnahme. Das Faszinierende daran: Sie äsen sich nicht kreuz- und quer durch den Busch, sondern verfolgen eine Art „Bestellungsplan“.