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Waidgerecht jagen! 

Ab wann können Jagd Elterntiere beim Raubwild bejagt werden?

Solange die Welpen gesäugt werden, gilt strenger Schutz der Elterntiere, …

Uns Jägerinnen und Jägern ist die Waidgerechtigkeit ein hohes Gut. Dabei übernimmt unter anderem die Frage nach der Tierethik eine ganz zentrale Rolle. Denn Jagd ist nur dann legitim, wenn sie den bestehenden ethischen Normen und Anforderungen gerecht wird.

Eine Säule bildet die Entkommenschance. Jagd ist ethisch nur dann gerechtfertigt, wenn das Stück auch eine Chance hat, dem Jäger zu entgehen. Die Gatterjagd dürfte den Begriff „Jagd“ also per se nicht in sich tragen. Als Zweites ist die tierschutzgerechte Tötung zu nennen. Forderungen nach einer Jagd am Vorbild natürlicher Räuber sind klar abzulehnen. Tierische Prädatoren töten nicht tierschutzgerecht! Der dritte Aspekt ist der Muttertierschutz. Jagd ist dann (und nur dann) zu rechtfertigen, wenn sie Elterntiere, die zur Aufzucht von Jungtieren erforderlich sind, unter bedingungslosen Schutz stellt.

Das sagt das Gesetz – Schutz der Elterntiere

Im Bundesjagdgesetz wurde in Paragraf 22 Abs. 4 Satz 1 der Schutz von zur Aufzucht von Jungtieren nötigen Elterntieren verankert. Wer vorsätzlich ein Elterntier erlegt, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe belangt werden. Handelt der Täter fahrlässig, so droht eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen (§ 38 BJagdG) – der Jagdschein ist dann weg. Das Gesetzbuch bleibt jedoch bei vielen Arten eine präzise Aussage schuldig, wie lange die Aufzuchtzeit im Einzelnen andauert.

… doch auch danach lernen die jungen Tiere noch viel. Die Schonzeiten weichen deutschlandweit voneinander ab.

Dies führt zu dem Konflikt, dass Muttertiere teilweise bejagt werden dürfen, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch säugen. Für den Jäger ergibt sich die Konsequenz, dass eine Fehlentscheidung gravierende rechtliche Folgen nach sich ziehen kann. So wurden Jäger rechtskräftig verurteilt, weil sie Elterntiere (trotz Jagdzeit) entnahmen, deren Jungtiere zum Zeitpunkt der Erlegung nach Auffassung des Gerichts in nicht ausreichendem Maß selbständig waren. Da sich hier artenabhängige Unterschiede finden lassen, müssen die Anforderungen von Wildart zu Wildart beurteilt werden.

Auch über die Säugezeit hinaus sind Jungtiere auf ihre tierischen Eltern angewiesen.

Die Jagdzeit auf Rotfüchse ist in den meisten deutschen Bundesländern auf den 16. Juni festgelegt. Formal dürfen Altfüchse also ab diesem Zeitpunkt geschossen werden. Gleichzeitig stehen die zur Aufzucht notwendigen Elterntiere aber grundsätzlich unter Schutz. Spät gewölfte Gehecke, aus der zweiten Aprilhälfte, werden im Juni noch gesäugt. Zudem gilt für Jungfüchse, trotz ihrer schnellen Entwicklung, dass sie über die Säugeperiode hinaus auf ihre Eltern angewiesen sind. Nur weil ein Jungfuchs allein unterwegs ist, darf dies nicht grundsätzlich als Zeichen seiner vollständigen Selbständigkeit interpretiert werden.

Doch ab wann können dann Altfüchse mit gutem Gewissen erlegt werden? Aus rein wildbiologischer Sicht spricht vieles für den 1. August als jagdlichen Stichtag. Davor sollten ausschließlich Jungfüchse gejagt werden.

Kurz & Knapp

Der Fuchs

Paarungszeit: Januar–Februar

Tragzeit: 53 Tage

Wurfzeitraum: März/ April

Verlassen des Baus: nach vier Wochen

Säugedauer: ca. drei Monate

Selbständigkeit: nach sechs Monaten

Biologisch sinnvoller Jagdzeitbeginn: 1. August

Fuchsjagd mit Wärmebild: Pulsar Helion 2 und Accolade 2 im Einsatz

Wer kümmert sich um den Nachwuchs?

Väterliche Fürsorge

Bis heute wird in Jägerkreisen intensiv darüber diskutiert, ob sich beim Fuchs der Rüde an der Aufzucht beteiligt. In der Vergangenheit wurde der Bedeutung des Rüden kaum Rechnung getragen, weil man eher annahm, dass er sich nicht an der Versorgung der neuen Fuchsgeneration beteiligte.

Ausdrücklich sei an dieser Stelle herausgestellt, dass verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen den Anteil des Rüden jedoch zweifelsfrei belegen (u.a. Stiebling 2000). Natürlich hat die Fähe eine größere Bedeutung bei der Aufzucht der Welpen, aber sicher ist auch, dass die Jungfüchse sich schlechter entwickeln und ein erhöhtes Sterberisiko aufweisen, wenn der Rüde fehlt (Baker & Harris 2009). Die elterlichen Dienste des Rüden gehen sogar so weit, dass er sich im Falle des Verlustes der Fähe allein um die Welpen kümmert! Je nachdem, wie groß die Jungfüchse zu diesem Zeitpunkt sind, wird es ihm auch gelingen, den Wurf durchzubringen. Unabhängig von der Unterstützung der Fähe bei der Jungenaufzucht ist die Jagd auf den Rüden auch deshalb kritisch zu sehen, weil die Verwechslungsgefahr beider Geschlechter relativ hoch ist. Besonders die Tatsache, dass auch die Fähen gelegentlich das Bein heben, kann schnell zu folgenschweren Verwechslungen führen. Beim Marderhund und Dachs beteiligt sich der Rüde übrigens ebenfalls an der Welpenaufzucht. Dagegen ist beim Waschbär die Fähe allein für die Jungenaufzucht verantwortlich.

Kurz & Knapp

Der Waschbär

Paarungszeit: Februar

Tragzeit: 63–65 Tage (max. 70)

Wurfzeitraum: April/Mai

Verlassen des Baus/Wurfhöhle: mit acht Wochen

Säugedauer: ca. vier Monate

Selbstständigkeit: sechs bis sieben Monate

Biologisch sinnvoller Jagdzeitbeginn: 1. September

Achtung: Spätgeburten vor Allem bei Verlust des Geheckes sind bis August möglich

Schmalzmann – ein Familientier

Generell hat sich die Jagdzeit an der Reproduktionsbiologie der jeweiligen Art zu orientieren. Beim Dachs z.B. ergeben sich hier einige Besonderheiten: Bei Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass sich Dachse praktisch das ganze Jahr hinweg über fortpflanzen (Corner et al. 2015). Die Forscher fanden zu jeder Jahreszeit sog.enannte Blastocysten (Zwischenstadium zwischen befruchteter Eizelle und Embryo). Dieses etwa 200 Zellen umfassende Gebilde wird später zum Embryo.

Interessant ist dabei, dass die Tiere verschieden alte Blastocysten aufwiesen. Das bedeutet, dass die Fähen zu verschiedenen Zeitpunkten im Jahr erfolgreich gedeckt worden sind. Biologen nennen dieses Phänomen Superfekundation, auf gut Deutsch: Überschwängerung. Diese Blastocysten nisten sich ab Januar in die Gebärmutter ein. Dann wachsen die Embryonen etwa 45 Tage. Die Jungtiere haben in etwa die gleiche Größe – unabhängig davon, ob sie im April oder im Oktober gezeugt worden sind. Die meisten Dachse erblicken Ende Februar bis Anfang März das Licht der Welt. Etwa vier Wochen dauert es, bis sich die Augen öffnen, etwa zehn, bis sie das erste Mal vor den Bau gehen.

Ab Juni beginnen die Tiere, raubmündig zu werden. Sie haben dabei eine sehr hohe Bindung an den Familienverband. Erst im Folgejahr wandern sie ab. Für das Überleben notwendig ist die Fähe in den ersten vier Lebensmonaten, so lange dauert die Säugezeit. Insbesondere durch soziales Lernen werden jedoch auch dann wichtige Verhaltensweisen erlernt, wenn keine direkte Milchabhängigkeit besteht – so ergibt sich ein Gesamtzeitraum von etwa einem halben Jahr, in dem die Elterntiere unbedingt geschont werden sollten. Bei einem mittleren Geburtstermin am ersten März, ergibt sich als Stichtag für den Jagdbeginn der 1. September. Auch wenn der Jagdkalender es anders darstellt, ist dies für den Elterntierschutz geboten.

Kurz & Knapp

Der Dachs

Paarungszeit: August (Belegungen aber von April bis Oktober möglich)

Tragzeit: 7-8 Monate (aufgrund der Diapause)

Wurfzeitraum: Ende Februar/ Anfang März

Verlassen des Baus: Nach etwa zehn Wochen

Säugedauer: Ca. vier Monate

Selbstständigkeit: Nach etwa sechs bis sieben Monaten

Biologisch sinnvoller Jagdzeitbeginn: 1. September

Werden Elterntiere erlegt, kann dies nicht nur für den zurückgebliebenen Nachwuchs Konsequenzen nach sich ziehen. Ein solcher Abschuss kann als Verstoß gegen die Grundsätze der Waidgerechtigkeit gewertet werden, mit entsprechenden Folgen: So verurteilte das Landgericht Schweinfurt (6/2009 – 3 ns 12 Js 2394/08) einen Jäger zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen zu je 30 Euro, nachdem er im November während einer Drückjagd zwei führende Alttiere erlegt hatte, die mit ihren Kälbern auf ihn zugewechselt waren.

Dachse sind noch länger als Familienverbund unterwegs. Die Alttiere müssen daher auf jeden Fall geschont werden.

Kurz & Knapp

Der Marderhund

Paarungszeit: Februar–März

Tragzeit: 59–70 Tage

Wurfzeitraum: April–Mai

Verlassen des Baus/Wurfhöhle: mit ca. 4 Wochen

Säugedauer: ca. zwei Monate

Selbstständigkeit: nach etwa sechs Monaten

Biologisch sinnvoller Jagdzeitbeginn: 1. August

Unabhängig etwaiger rechtlicher Konsequenzen stellt der Elterntierschutz eine unverrückbare Säule unserer jagdethischen Grundsätze und Verantwortung dar. Jäger waren die Ersten, die Tiere als Mitgeschöpfe aufgefasst haben. Mit „der Waidgerechtigkeit“ existiert seit jeher ein Verhaltenskodex, der den Schutz des Tieres in den Vordergrund stellt (gewissermaßen das erste Tierschutzgesetz). Diesen dürfen wir auch in Zeiten erhöhter Anforderungen an Jagd und Jäger nicht aus den Augen verlieren.

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