„Junglandwirte brauchen klare politische Ziele“
Welche politischen Rahmenbedingungen braucht es Ihrer Meinung nach, um Landwirtschaft auch zukünftig für junge Menschen attraktiv zu machen?
Für mich spielt hier die Verlässlichkeit der Politik eine zentrale Rolle. Wenn wir in die Landwirtschaft gucken, haben wir es vor allem in der Tierhaltung mit hohen Investitionskosten zu tun. Jeder Um- oder Neubau eines Stalls stellt Betriebe vor große Herausforderungen. Leider haben wir hier schon in der Vergangenheit gesehen, dass es häufig keine planbaren und verlässlichen politischen Rahmenbedingungen gibt. Landwirte, die ihre Ställe in der jetzigen Zeit komplett sanieren oder sogar neu bauen, müssen sich darauf verlassen können, dass sich die vorgegebenen Standards nicht direkt wieder ändern. Wenn du heutzutage einen Stall nach den vorgegebenen Standards baust, musst du leider damit rechnen, dass du ihn vor Ablauf der Abschreibungsfrist wieder umbauen musst. Das macht die Planbarkeit in Bezug auf Investitionen für die Zukunft sehr schwierig. Das Vertrauen der Junglandwirte in die Politik sinkt durch diese Unsicherheiten zunehmend.
Merken Sie das sinkende Vertrauen der Junglandwirte in die Politik auch im Rahmen der Verbandsarbeit?
Auf jeden Fall. Der Unmut und das Unverständnis in Richtung Politik wird auch unter Junglandwirten größer. Wir brauchen klarere Ziele, in welche Richtung sich die deutsche Landwirtschaft zukünftig entwickeln soll. Ich kenne einige Betriebe, die als Zukunftsbetriebe galten und jetzt mit der Tierhaltung aufhören. Allerdings gibt es Unmut nicht nur bei tierhaltenden Betrieben. Auch auf Ackerbaubetrieben gibt es einige Fragen, die nicht abschließend geklärt sind. Wegfall von Wirkstoffen im Pflanzenschutz, 4 Prozent Stilllegung nach der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), das sind Beispiele, bei denen Landwirte ohne konkrete Lösungsvorschläge allein gelassen werden. Viel wichtiger wäre es, auch hier weiterhin an Lösungen und Alternativen zu forschen und uns Landwirten Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen wir die Vorgaben in Zukunft besser bewältigen können. Dafür machen wir uns im BDL stark.
Wie konkurrenzfähig schätzen Sie die deutsche Landwirtschaft, wie sie jetzt aufgestellt ist, im Vergleich mit der EU ein?
Die Konkurrenzfähigkeit sehe ich zunehmend als Problem. Man muss ganz deutlich sagen, dass es einfach unterschiedliche Standards innerhalb der EU gibt. In Deutschland erfüllen wir Landwirte sehr hohe Standards. Das sehen wir in der Tierhaltung, zum Beispiel bei der Ferkelkastration. Interessant ist auch die Debatte über Glyphosat. Während die EU überlegt, es zuzulassen, sagt Deutschland von vorneherein: Wir wollen es nicht – ohne dabei auf die fachlichen Argumente hören zu wollen.
Welche Herausforderungen schätzen Sie als besonders schwierig ein?
Meine größte Sorge ist, dass die Zahl der Betriebe weiter deutlich sinkt. Insbesondere kleinere Betriebe sagen mittlerweile häufig: „Mit uns nicht!“ Hier in der Nähe habe ich direkt einige Betriebe vor Augen, die zwar für die Zukunft gut aufgestellt waren und auch eine geregelte Nachfolge hätten, aber aufgrund von jetzt auf gleich erforderlichen Investitionen bei einer unsicheren Zukunft nicht mehr weitermachen wollen. Für mich ist es ganz klar eine fehlgeleitete Landwirtschaftspolitik, wenn Betriebe mit geregelter Nachfolge lieber aufhören, statt neue Investitionen zu tätigen. Zusätzlich steigt, zumindest in unserem Kreis, die Zahl der Nebenerwerbslandwirte tendenziell an. Fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe bezieht das Haupteinkommen aus einer Nebentätigkeit. Auch diese Entwicklung wird sich wahrscheinlich in Zukunft noch weiter verstärken.
Lassen sich diese Probleme mithilfe der Verbandsarbeit besser bewältigen und wie können sich Junglandwirte in Verbänden engagieren?
Ich bin fest davon überzeugt, dass sich die bevorstehenden Herausforderungen mithilfe von Verbänden besser bewältigen lassen, und stütze mich da auch auf unsere Jungland- wirtestudie. Wir brauchen Schnittpunkte zur Politik und einen Austausch der verschiedenen Positionen – egal ob Landwirtschaft, Wissenschaft oder Gesellschaft. Wichtig ist in meinen Augen dabei natürlich, dass dieser Austausch und das vorhandene Fachwissen von der Politik wahrgenommen werden. Auch Junglandwirte sind bei diesem Austausch immer willkommen. Wer sich in der Verbandsarbeit engagieren möchte, hat viele unterschiedliche Möglichkeiten, egal ob in örtlichen Gruppen oder auf Landes- oder Bundesebene. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass Landesvorstände wie zum Beispiel die der Landjugend offen sind für Mitarbeit. Es gibt dort eine „offene Mitgliedschaft“, also jeder kann auch ohne Ortsgruppe im Landesverband Mitglied werden und sich in den Landesvorstand wählen lassen. Jeder Interessierte kann sich gerne bei der zuständigen Landjugend informieren.
Wie lassen sich diese klaren Rahmenbedingungen für Junglandwirte schaffen?
Ich sehe da die Politik in der Verantwortung. Wir haben es in der Tierhaltung mit der Borchert-Kommission gesehen. Ein anderes Beispiel ist die Zukunftskommission Landwirtschaft, in der Verbände, Politik und Gesellschaft zusammen an Lösungen gearbeitet haben. Wenn wir kein Geld für die hohen Standards und Anforderungen bekommen, muss die Politik dies in meinen Augen auch ganz klar vor der Gesellschaft vertreten.
Nicht alle Maßnahmen lassen sich in der Praxis umsetzen. Wir können nicht davon ausgehen, dass die landwirtschaftlichen Betriebe die Mehrkosten tragen und sich damit finanziell womöglich ruinieren. Das gilt selbstverständlich nicht nur für die Tierhaltung, sondern auch für alle anderen landwirtschaftlichen Wirtschaftszweige. ●
Interview: ylsabe-friederike.rawe@agrarheute.com
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