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Agrarsubventionen: Über Geld spricht man

Von den Direktzahlungen profitieren mehr und mehr die Landbesitzer und nicht die Landbewirtschafter, meint der Agrarökonom Harald Grethe.

Auf den Punkt

  • Das derzeitige System der Agrarsubventionen steht auf dem Prüfstand.
  • Der Anteil der Zuschüsse an den Einkommen ist bei allen Betriebsformen sehr hoch.
  • Größere Änderungen hätten einen gewaltigen Strukturbruch zur Folge.

Ohne Agrarsubventionen sähe die Landwirtschaft anders aus. Bauern im Haupterwerb beziehen mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus Direktzahlungen und Subventionen. Bei den Landwirten im Nebenerwerb – immerhin die Hälfte aller Höfe – kommen mehr als 90 Prozent aus staatlichen Fördertöpfen.

Aber nicht nur die kleinen Betriebe sind auf diese Gelder angewiesen: Auch die ostdeutschen Großbetriebe verbuchen mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen aus Brüssel oder aus Zuschüssen. Zu den größten Nutz- nießern des Systems gehören aber die Biobauern: Ihr Einkommen besteht zu mehr als 70 Prozent aus Subventionen, Umstellungsprämien oder regionalen Fördergeldern. Aktuell werden die Forderungen immer lauter, die Mittel zu kürzen, zu streichen oder nach anderen Kriterien zu verteilen. Der Göttinger Agrarökonom Achim Spiller sagt: „Die Direktzahlungen sind in ihrer derzeitigen Form nicht zukunftsfähig.“ Darin ist er sich mit vielen Politikern und Ökonomen einig. Angesichts des gewaltigen Anteils der Subventionen an den Agrareinkommen ist es jedoch schwer vorstellbar, dass ein Wegfall die Agrarstruktur in Deutschland nicht nachhaltig verändert würde.

Landwirt Wilhelm Zeidler aus Aying in der Nähe von München sieht eine Umverteilung grundsätzlich kritisch. Er sagt: „Die Gelder aus Brüssel sind keine Subventionen, sondern Ausgleichszahlungen.“ Sind sind aus seiner Sicht bloß ein Ausgleich dafür, dass Lebensmittel in Deutschland eigentlich viel teurer sein müssten.

Höfesterben mit Ansage

Wahrscheinlich ist: Eine Streichung, Kürzung oder Umverteilung der Gelder wäre wie ein Brandbeschleuniger für das Höfesterben und den Strukturwandel. Mit Sicherheit verliefe dieser Strukturbruch auch nicht so, wie es viele Politiker glauben machen wollen.

Der rheinische Landwirt Willi Kremer-Schillings – besser bekannt als Bauer Willi – sagt dazu: „Die Streichung der Subventionen würde das Gegenteil von dem bewirken, was politisch und gesellschaftlich gewollt ist. Viele kleine Betriebe würden aufgeben. Die Großen würden noch größer.“ Der Grund: Gerade die kleinen Höfe bekommen, bezogen auf ihr Einkommen, besonders hohe Subventionen. Ohne dieses Geld können sie nicht überleben.

Über die Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Beihilfen wird in Brüssel gerade lange und heftig gestritten. Dabei geht es den meisten Politikern aber nicht so sehr um die Abschaffung der Zahlungen. Ziel ist vielmehr eine andere Verteilung – vor allem von der ersten in die zweite Säule und hin zu mehr Ökolandbau und mehr Klimaschutz. Hinzu kommen verpflichtende Brachen und Zwischenfruchtanbau. Das alles hat gravierende Folgen für die Einnahmen der Landwirte, wie aktuelle Berechnungen von Martin Berges von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zeigen – ganz abgesehen vom weiter wachsenden Verwaltungsaufwand.

Geld für die Nicht-Schweinezucht

Die Geschichte der Agrarsubventionen ist genauso lang wie der Streit über die Verteilung der Mittel. Vor etwa zwölf Jahren schrieb ein englischer Landwirt und Subventionsgegner an den damaligen britischen Minister für Umweltschutz und Landwirtschaft, David Miliband: „Mein Nachbar bekommt als Landwirt viele Tausend Pfund dafür, dass er keine Schweine züchtet. Das ist mehr, als der Bauer je mit der Schweinezucht verdient hat. Ich möchte nun ebenfalls in das Geschäft mit der Nicht-Schweinezucht einsteigen“, schrieb er an den Minister. „Was ist Ihrer Meinung nach die beste Art Bauernhof, um keine Schweine zu züchten, und welche Rasse eignet sich besonders gut, um sie nicht zu züchten“, heißt es weiter.

Das Problem dahinter war klar: Die flächengebundenen Direktzahlungen machen keinen Unterschied zwischen dem aktiven Landwirt und dem Flächenbesitzer. Vielmehr ist das Gegenteil der der Fall. Das zeigt jedenfalls die Verteilung der Subventionen in Deutschland: Unter den größten Empfängern befindet sich kein einziger Landwirt oder Landwirtschaftsbetrieb. Sehr viel Geld fließt hingegen an Ministerien, Landesbetriebe, Landesämter, Molkereiunternehmen und im besten Fall an einige wenige sehr große Erzeugergemeinschaften aus dem Obst- und Gemüsesektor. Erst mit großem Abstand folgen dann einige ostdeutsche Agrarbetriebe.

In der Milchproduktion liegt der Anteil der Subventionen am Einkommen bei 36 Prozent.

Investoren machen Kasse

Im Osten Deutschlands profitiert noch ein anderer Bereich sehr stark von den Zahlungen: Nämlich die großen Agrarholdings außerlandwirtschaftlicher Investoren. Nach Auskunft der Bundesregierung haben die fünf größten Agrarholdings im vergangenen Jahr zusammen 16,8 Mio. Euro an Flächenprämien und Zahlungen für Agrar- und Umweltmaßnahmen erhalten.

Diese Art der Mittelverteilung kritisiert der Berliner Agrarökonom Harald Grethe heftig. Er sagt: „Die heutigen Flächenprämien nützen weder der Umwelt, noch gehen sie an wirklich bedürftige Landwirte. Von den Direktzahlungen profitieren stattdessen mehr und mehr die Landbesitzer und nicht die Landbewirtschafter.“ Nach Grethes Einschätzung werden 70 bis 80 Prozent der Direktzahlungen an die Landbesitzer überwälzt. Dies sei ein klarer Nachteil für die Pächter – also für die Bauern. Er plädiert deshalb dafür, die „bedingungslosen“ Direktzahlungen mittelfristig vollständig abzuschaffen.

Schleichende Enteignung

Dass eine andere Verteilung des EU-Agrarhaushalts gerechter wäre, ist aber keineswegs sicher. Das gilt insbesondere für den immer stärkeren Abfluss der Mittel in die zweite Säule, wie er von Umwelt- und Ökoverbänden gefordert wird. Der Grund: Die Zahlungen sind mit hohen Auflagen verbunden – und diese Auflagen können sich je nach politischen Zielvorgaben auch wieder ändern.

Der bayerische Landwirt und Kreisobmann Anton Stürzer hält deshalb wenig davon, das System grundlegend zu verändern. Immer höhere Umweltauflagen, immer mehr Bürokratie bedeuten für Stürzer eine „schleichende Enteignung“. „Ich bin ja kein freier Mensch mehr, wenn ich nicht so produzieren kann, wie ich möchte“, sagt er. Aus seiner Sicht werden die Anforderungen immer höher, doch das Geld immer weniger. Stürzer beobachtet, dass sich viele Bauern deshalb ein zweites Standbein aufbauen, weil es immer schwerer werde, allein von der Landwirtschaft zu leben.

Diese Kritik unterstützt Georg Wimmer, der Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbandes (BBV). Wimmer sagt: „Die Konkurrenz auf dem globalen Markt gibt den Ton an und macht die Preise. In dieser Situation sind die Direktzahlungen der notwendige finanzielle Ausgleich, der politische Versuch, ein Gleichgewicht herzustellen und die Höfe und den Umwelt- und Naturschutz zu erhalten. Kürzungen oder gar eine Streichung hätten verheerende Auswirkungen.“

Geld nur noch für die Umwelt

Doch auch unter den Landwirten gibt es Befürworter für die Abschaffung oder besser für eine Umverteilung der Direktzahlungen aus der ersten in die zweite Säule. Die Direktzahlungen in Milliardenhöhe müssten Stück für Stück abgeschafft werden, sagen übereinstimmend die Präsidenten der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und des Ökoanbauverbandes Bioland, Hubertus Paetow und Jan Plagge.

„Eine pauschale Flächenbeihilfe hilft am Ende nur den Verpächtern, nicht aber den Bauern“, ist die Meinung von DLG-Präsident Paetow. “Bislang bekommen große Betriebe viel Geld, da sich die Subventionshöhe nach der bearbeiteten Fläche richtet“, sagt er.

Bioland-Chef Plagge fordert deshalb: „Die Zahlungen müssen an gesamtgesellschaftliche Leistungen der Landwirtschaft, etwa für den Umwelt- oder Tierschutz, gekoppelt werden, nicht aber an die Fläche.“

DLG-Chef Paetow sagt außerdem: „Bis 2034 ist das Ziel realistisch, die Subventionen abzubauen. Bis dahin haben die Betriebe Zeit, sich auf die veränderten Rahmen- bedingungen einzustellen.“

Ähnlich kritisch kommentiert der Agrarökonom Harald Grethe die Direktzahlungen aus der ersten Säule: Er bezeichnet sie sogar als „Etikettenschwindel“, da sie nicht dem Umweltschutz nützten und auch nicht ausreichend den bedürftigen Landwirten zugutekämen. „Stattdessen profitieren die Besitzer und nicht die Bewirtschafter des Landes“, stellt Grethe fest.

46%

der landwirtschaftlichen Einkommen sind Subventionen.

Höhere Preise für Lebensmittel

Der Wirtschaftswissenschaftler Claus Laaser vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) ist ebenfalls gegen Subventionen. Er begründet das so: „Durch staatliche Einmischung werden Märkte verzerrt und Ressourcen nicht optimal genutzt.“

Dennoch plädiert Laaser nicht für die komplette Abschaffung der Beihilfen. Sein Argument: „Der Wegfall dürfte zu einem Verlust an internationaler Wettbewerbs- fähigkeit führen.“ Angesichts der deutlich niedrigeren Preise an den internationalen Agrarmärkten gilt das für die deutsche Landwirtschaft im besonderen Maße.

Eine der Ursprungsideen der EU-Agrarpolitik war nämlich die Sicherung der Nahrungsmittelproduktion in Europa und der landwirtschaftlichen Einkommen über die Preise. Davon hat man sich jedoch schrittweise – von Reform zu Reform – immer weiter entfernt.

Landwirt Anton Stürzer aus Bayern hat deshalb noch einen anderen Vorschlag: Die Verbraucher müssten endlich bereit sein, für Lebensmittel mehr zu zahlen. Dann könnten die Landwirte auf die EU-Gelder verzichten. „Ich will nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. So fühle ich mich ja fast als Almosen- empfänger“, sagt Stürzer. Eine anständige Arbeit müsse einen anständigen Ertrag bringen, und solange das nicht der Fall sei, brauche es eben das Geld des Staates. So sieht jedenfalls Stürzer das. ●

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