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Liegen lassen

Liegeboxen im Betrieb Bunz (siehe Kasten am Ende des Artikels): Die Tiere haben im Kopfraum viel Platz und können ihre Beine ausstrecken.

Auf den Punkt

  • Wer produktive Kühe haben will, muss ihnen einen optimalen Liegeplatz zur Verfügung stellen.
  • Vor allem auf die Steuerung der Tiere gilt es zu achten: Eine Bugschwelle braucht es dafür nicht.
  • Durchdacht konstruierte Boxen erhöhen nicht nur das Tierwohl, sondern erleichtern auch die Arbeit.

Liegen dient Milchkühen nicht nur der Erholung. Beim Liegen wird auch Futter verwertet und Milch erzeugt. Es handelt sich um eine Phase, in der der Fokus auf der Produktivität der inneren Organe liegt. Der Verdauungsapparat und die Milchdrüse arbeiten auf Hochtouren. Der liegenden, zufrieden und entspannt wiederkäuenden Kuh sieht man das von außen nicht an und so ist es nicht unbedingt direkt erkennbar, wenn der Liegekomfort nicht optimal ist. Im schlimmsten Fall zeigen sich die Probleme erst, wenn zum Beispiel Klauenschäden entstanden sind oder Liegeschäden an den Gelenken sichtbar werden.

Um schon im Vorfeld reagieren zu können, ist es wichtig, den Liegekomfort anhand geeigneter Indikatoren regelmäßig zu prüfen. Liegen zum Beispiel zu den Hauptruhezeiten, morgens nach dem Melken und Fressen, fast alle Kühe (mindestens 85 Prozent), ist das ein gutes Zeichen. Dabei kommt es darauf an, wie die Tiere liegen. Das heißt, man sollte die Qualität des Liegens ebenfalls im Blick haben, denn nur entspanntes Liegen ermöglicht eine optimale Durchblutung der inneren Organe. Dabei findet im Gehirn eine Art Weichenstellung statt. So werden entweder die Muskulatur (Stichwort Fluchtbereitschaft) oder die inneren Organe bei der Durchblutung bevorzugt. Für das Liegen heißt das: Nur wenn die Tiere unverkrampft und entspannt liegen können, werden die Verdauungsorgane und das Euter optimal versorgt und nur dann ist die größtmögliche Produktivität gewährleistet.

Eine Kotschwelle aus Gummi ist sowohl beim Abliegen als auch beim Liegen komfortabel. So kann sich die Kuh relativ weit hinten positionieren und kotet außerhalb der Liegefläche ab.

Das Ziel heißt: Entspannt liegen und wiederkauen. Dazu ist die Brustlage nötig, die Kühe überwiegend einnehmen. Dabei liegt das Hinterteil schräg, während die Tiere vorne mit der Brustlage eine aufrechte Haltung einnehmen. Gerne strecken Kühe dabei ein Vorderbein aus, um sich abzustützen, anstatt sich mit Muskelkraft in Brustlage zu halten. Die Kuh kann das Vorderbein in der Liegebox aber nur ausstrecken, wenn sie keine Bugbegrenzung daran hindert.

Liegen mindestens 10, besser 20 Prozent der Kühe mit ausgestrecktem Vorderbein in der Box, ist alles in Ordnung. Sind es weniger, muss nicht nur von insgesamt kürzeren Gesamtliegezeiten (weniger als 70 Minuten am Tag) ausgegangen werden, sondern auch davon, dass die Kühe nicht unverkrampft liegen. Letztlich kann das Streben einer Kuh nach einer entspannten Liegeposition mit ausgestrecktem Vorderbein die Unruhe beim Liegen noch verstärken. Dabei steigt das Risiko von Liegeschäden.

Dafür ist nicht nur die erhöhte Reibung verantwortlich, sondern vielmehr eine Überbeanspruchung der, mangels Liegepositionswechsel vermehrt belasteten Druckbereiche an den Gelenken. Druck führt zu Mangeldurchblutung und hat eine schlechte Versorgungslage der Haut zur Folge. Wenn zunächst nur wenige Haare fehlen, ist das noch nicht problematisch. Folgen jedoch Schürfungen bis hin zu Geschwüren, dann sind dies ernstzunehmende Verletzungen, die außerdem eine Abwärtsspirale mit weiteren Erkrankungen einleiten können. Schwierig wird es vor allem dann, wenn auch noch Feuchtigkeit mit ins Spiel kommt und dadurch die Haut zusätzlich aufweicht.

Eine Bugschwelle steuert nicht

Der erste und letzte Eindruck, den eine Kuh bei einer Liegebox erhält, entsteht beim Abliegen und Aufstehen. Schmerzhafte Zusammenstöße mit der Aufstallung sollten dabei nicht stattfinden. Liegeboxen müssen daher eine komfortable Liegemöglichkeit bieten und außerdem so dimensioniert sein, dass unbeeinträchtigtes Abliegen, Liegen und Aufstehen möglich sind. Gleichzeitig sollen sie auch nicht verschmutzen.

Die Idee, die Sauberkeit in der Liegebox durch eine möglichst streng positionierte Bugschwelle zu verbessern, ist ein Trugschluss. Wenn die Liegefläche zu kurz ist, führt dies nämlich meist dazu, dass Kühe schräg liegen, besonders dann, wenn das Vorderbein nicht bequem ausgestreckt werden kann.

Schräg liegende Kühe koten häufig in die Nachbarbox – wenn eine unbequeme Bugschwelle das Liegen mit ausgestrecktem Vorderbein verhindert.

Damit erhöht sich die Gefahr, dass die Tiere zum Teil unter dem Trennbügel zum Liegen kommen. Aus dieser Position fällt das Aufstehen schwer. Daher koten die Kühe vermehrt vor dem Aufstehen ab und zwar tendenziell unter dem Trennbügel oder sogar in der benachbarten Liegebox.

Saubere Liegeboxen erzielt man über das Nackensteuer, nicht über eine Bugschwelle. Liegende Kühe benötigen keine Robbschwelle nach vorne, wenn die Liegefläche bequem ist und Liegepositionswechsel möglich sind. Das Nackensteuer lenkt die Tiere beim Betreten und Verlassen der Liegebox. Es sollte flexibel ausgeführt sein und keine Doppelfunktion haben, zum Beispiel zusätzlich die Trennbügel zu stabilisieren. Ist ein Nackensteuer flexibel, kann man es an die Durchschnittsgröße der Herde anpassen. Es lenkt je nach Situation an unterschiedlichen Körperteilen der Kuh:

  • beim Aufstehen im Bereich Widerrist und Rücken,
  • beim Stehen in der Liegebox an der Brust und am Bug.

Darin liegt der besondere Nutzen: Wenn das Nackensteuer nachgibt, kommt es bei niedriger Positionierung zu keiner Verletzungsgefahr. Unabhängig von der Körpergröße innerhalb der Herde werden alle Tiere zudem zuverlässig und frühzeitig im Aufstehvorgang gesteuert und dazu animiert, zum Abkoten nach dem Aufstehen einen Schritt nach hinten aus der Liegebox zu treten.

Stehende Tiere werden hingegen an Brust und Bug nach vorne begrenzt und haben so die Möglichkeit, mit gerader Kopfhaltung in der Box zu stehen. Das ist eine Voraussetzung für das Wiederkauen im Stehen. Damit die Tiere in der Liegebox nicht nur liegen, sondern auch mit allen vier Klauen innerhalb der Box stehen können, sollte das Nackensteuer folglich 85 bis 90 cm Höhe über der Standfläche der Tiere angebracht sein. Die Position diagonal zur Kotschwelle oder Kante beträgt dann rund 180 bis 185 cm.

Trennbügel und Nackensteuer

Die Art des Trennbügels sollte so gewählt werden, dass die Nackensteuerposition darauf horizontal verschoben werden kann. So lässt sich das Nackensteuer betriebsindividuell aufgrund von Erfahrungswerten einstellen.

In der Regel unterscheidet sich die Platzierung um einige Zentimeter, je nachdem wie groß zum Beispiel der Kopfraum dimensioniert ist oder ob es sich um gegenständige oder wandständige Liegeboxen handelt. Schließlich darf die Kuh nicht dazu genötigt werden, mit zwei Beinen außerhalb der Box zu stehen.

Haarlose und verletzte Karpalgelenke sind ein sicherer Indikator für harte, zu hohe oder kantige Bugbegrenzungen. Es kann von verkürzten Liegezeiten ausgegangen werden.

Stehen mit zwei Füßen außerhalb der Liegebox ist häufig klauenschädlich. Wenn es die Liegebox erlaubt, bevorzugen es viele Kühe, vollständig in der Box zu stehen.

Auch in vorhandenen Liegeboxen kann man den Kühen mithilfe von nachträglich eingebauten Distanzstücken oder gebogenen Stabilisierungsrohren das Stehen ermöglichen. Ein Richtwert für die Höhe eines solchen Stabilisierungsrohrs ist 170 cm. So entsteht zwischen Nackensteuer und Stabilisierungsrohr ein Freiraum von rund 80 cm, durch den die Kuh ihren Kopf unbeeinträchtigt strecken kann. Ein Durchlaufschutz ist meist überflüssig, wenn die Tiere über ein niedriges, flexibles Nackensteuer gesteuert werden.

Richtiges Liegen spart Arbeit

Beim Thema Liegeboxen geht es nicht nur um die Gesamtliegezeit und das Vermeiden von Zwangsstehen als Risikofaktor für Klauenschäden. Wichtig sind auch Arbeitswirtschaft und Strohverbrauch. Wenn die Kühe optimal in der Box liegen, verringert sich auch das Risiko, dass die Liegefläche verkotet wird.

Ist die Box verschmutzt, hat dies nega- tive Auswirkungen auf die Gelenks- und Eutergesundheit der Kuh, aber auch auf den Landwirt, schließlich erfordern unnötig verschmutzte Liegeboxen viel Pflege und Einstreu. Daher lohnt es sich für Landwirte, einen prüfenden Blick auf die Liegepositionen der Kühe zu werfen. Ob die Tiere zu kurze Gesamtliegezeiten haben, lässt sich nur in Extremfällen erkennen.

Ausgestreckte Vorderbeine sind hingegen gut zu sehen und auch die nötigen Korrekturen sind selten aufwendig. So kann bei einigen Liegeboxen die Bugbegrenzung testweise abgerundet oder niedriger gestaltet werden.

Häufig lässt sich ganz darauf verzichten. Stehen rund 80 bis 90 Prozent der Tiere mit zwei Beinen außerhalb der Liegebox, verhindert meist das Stabilisierungsrohr ein vollständiges Betreten. In diesem Fall sollte man entweder ein gebogenes Stabilisierungsrohr in Kombination mit einem niedrigen Nackensteuer einbauen oder das vorhandene Rohr nach oben versetzen, sodass die Tiere unbeeinträchtigt darunter stehen können. (mp) 

Einstreuautomatik und Gülleseparat

Auf dem Betrieb Bunz hat man sich viele Gedanken gemacht, wie die Liegeboxen ausgestaltet sein sollen. Heraus kam ein System, das die Kühe lange liegen lässt und Arbeit spart.

Die Kühe sollen fressen, liegen und zum Melken gehen. Dann ist der Tag einer Kuh optimal ausgefüllt“, sagt Benjamin Bunz. Der 26-jährige bewirtschaftet den landwirtschaftlichen Betrieb im oberschwäbischen Schwendi bei Biberach als GbR gemeinsam mit seinen Eltern und derzeit zusätzlich mit einem Azubi.

Im Jahr 2019 haben sie sich für den Neubau des Milchviehstalls entschieden und haben damit die Herde von 65 Kühen im alten Stall auf derzeit 153 Kühe aufgestockt. Damit ist das neue Stallbebäude noch nicht einmal ausgelastet, denn hier ist Platz für 164 Kühe.

Tierwohl und Arbeitswirtschaft

Damit die Tiere ihren Aufgaben optimal nachgehen können, hat Familie Bunz darauf geachtet, dass alle Bereiche so tiergerecht wie möglich ausgestaltet sind. Das gilt auch für die Liegeboxen. „Für mich war es wichtig, dass die Bügel die Kühe in der Box führen, aber beim Aufstehen und Hinlegen nicht behindern. Und sie sollten sie beim Liegen auch nicht berühren“, erklärt der Landwirtschaftsmeister. Das Aussteifungsrohr über den Boxenbügel ist über den Tierplätzen höher geführt, damit es die Kühe beim Eintreten und Verlassen der Box nicht stört. Als Nackenriegel dient eine Kette. Die gibt nach, wenn die Tiere aufstehen und lenkt sie dennoch nach hinten. Damit wird verhindert, dass die Tiere in die Box koten.

Den vorderen Bereich, in dem die Boxenbügel befestigt sind und der von den Tieren als Kopfraum nutzbar ist, haben die Betriebsleiter etwas höher betonieren lassen. Mit der Einstreu in der Tiefliegebox bildet der vordere Bereich eine Ebene, den die Tiere dazu nutzen, um ihre Vorderbeine auszustrecken.

Spezielle Einstreutechnik

Eine Besonderheit auf dem Betrieb Bunz bildet die Einstreutechnik. Zum einen hat die Familie auf ein automatisches Einstreusystem gesetzt. Zum anderen handelt es sich beim Einstreumaterial um Gülleseparat. Das heißt, die Gülle wird auf rund 35 Prozent Trockensubstanz abgepresst und dann mehrmals am Tag in den Boxen verteilt. „Die Gülle wird 48-mal am Tag abgepresst und anschließend im Stall verteilt. Auf diese Weise streut die Technik jede Box achtmal am Tag ein“, erklärt der Milchviehhalter. So liegen die Tiere immer auf frischem Untergrund.

Rund 15 m3 abgepresste Gülle sind dafür täglich nötig. „Uns war es wichtig, mit der Technik Arbeit einzusparen und wir wollten ein Einstreumaterial, das einen optimalen Liegekomfort bringt“, erklärt Betriebsleiterin Maria Bunz. Die Bedenken, dass die Gülleeinstreu unhygienisch sein könnte, teilt Benjamin Bunz nicht. „Wir nutzen nur die Gülle unter dem Stallbereich und trennen sie von der Gülle unter den Melkrobotern. Damit versuchen wir problematische Keime und andere Stoffe von der Einstreu fernzuhalten. Und wenn der Feststoff in die Box rieselt, ist er fast schon trocken, dass mindert den Keimdruck zusätzlich.“ Im Sommer sei es fast zu trocken, so dass die Partikel mit dem kleinsten Windhauch aus der Box getragen würden. Deshalb haben sie den TS-Gehalt der Gülle in der warmen Jahreszeit gesenkt.

Um die Liegezeit im Sommer noch zu erhöhen, denkt Betriebsleiter Bunz über die Installation von Ventilatoren über den Liegeboxen nach. „Wir haben drei offene Stallseiten und ein 1,50 m offenes Shetdach. Bei Wind haben wir ausreichend Luft. Ohne Wind sind die Bedingungen an heißen Tagen nicht optimal.“ ●

Benjamin Bunz und seine Mutter Maria bilden die Bunz GbR. Beim Stallneubau hat die Familie sehr darauf geachtet, dass Tierwohl und Arbeitseffizienz zusammenpassen.

Prof. Dr. Barbara Benz

Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen

E-Mail: barbara.benz@hfwu.de

Barbara Benz

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