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Interview

Ausstieg als Option

Auch in Deutschland könnten sich viele Landwirte einen bezahlten Ausstieg aus der Schweinehaltung vorstellen.

Herr Prof. Latacz-Lohmann, wozu diese Studie?

Anlass der Studie „Bezahlter Ausstieg aus der Schweinehaltung: Raus aus der Sackgasse“ war das Programm „Warme Sanierung“, mit dem die niederländische Regierung im letzten Jahr Schweinehalter zur Aufgabe bewegen wollte. Nicht, weil Schweine per se schlecht sind, sondern um die Umweltprobleme in den Griff zu bekommen. Das Interesse der niederländischen Schweinehalter war riesig. Es meldeten sich viel mehr Landwirte für das Programm an, als im Rahmen des vorgesehenen Budgets hätten angenommen werden können. Wir waren neugierig und wollten wissen, was deutsche Landwirte von so einem Programm halten. Es ging um die Frage, ob Landwirte ein Programm zum „sanften“ Ausstieg für einen sinnvollen Beitrag zur Neuausrichtung der Tierhaltung akzeptieren.

Wie war die Umfrage aufgebaut?

Wir riefen über Online-Kanäle und soziale Netzwerke Schweinehalter in Deutschland zur Teilnahme auf. Auch die Umfrage selbst lief online. Wir stellten den Befragten unterschiedliche hypothetische Ausstiegsprogramme zur Auswahl. Sie konnten sich aber auch für die Nicht-Teilnahme (und somit für den Weiterbetrieb der Ställe) entscheiden. Die möglichen Ausstiegsprogramme unterschieden sich in den Merkmalen, die für die Landwirte entscheidungsrelevant sind.

Welche sind das?

Zum Beispiel die Höhe der Kompensationszahlung und wie gezahlt wird: jährlich wiederkehrend oder als Einmalzahlung? Müssen die stillgelegten Ställe abgerissen werden? Darf man neu bauen und wenn ja, nur Tierwohlställe? Darf man in Zukunft Wirtschaftsdünger von anderen Betrieben aufnehmen? Aus diesen Merkmalen stellten wir Wahlkarten zusammen – ein bisschen so wie bei der Bundestagswahl. Nur dass man sich nicht für eine Partei, sondern für ein Ausstiegsprogramm entscheiden musste oder halt für die Nicht- Teilnahme am Programm.

Wie viele Schweinehalter haben teilgenommen?

445 Schweinehalter aus ganz Deutschland nahmen insgesamt teil. Die Mehrheit kam aus Norddeutschland und dort wiederum aus der Schweinehochburg zwischen Oldenburg und Münster. Der durchschnittliche Sauenhalter unter den Befragten ist 46 Jahre alt, hält 431 Sauen und bewirtschaftet rund 100 ha. Hält er auch Mastschweine, kommen im Schnitt 1.500 Plätze zur Mast im geschlossenen System hinzu. Die reinen Mäster haben mit durchschnittlich 781 Mastplätzen etwas weniger Kapazität, aber mehr landwirtschaftliche Nutzfläche (130 ha).

Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

Sowohl bei den Sauen- als auch bei den Mastschweinehaltern sind etwa 60 Prozent bereit, an einem solchen hypothetischen Ausstiegsprogramm teilzunehmen. Die Sauenhalter würden im Schnitt mit 445 Stallplätzen, die Mastschweinehalter mit 1.244 Plätzen teilnehmen. Das sind keine kleinen Betriebe, die da zur Aufgabe bereit sind!

Welches sind die wichtigsten Gründe?

19 Prozent gaben an, eh schon über die Aufgabe der Sauenhaltung und 12 Prozent über die Aufgabe der Schweinemast innerhalb der nächsten zehn Jahre nachzudenken – und das ohne Ausstiegsförderung. Die Veränderung des rechtlichen Rahmens ist der Knackpunkt! Ein mög- licher Mangel an Hofnachfolgern erscheint dagegen unbedeutend, und auch die Abschaffung der Umsatzsteuerpauschalierung scheint im Vergleich kein Problem.

Welche Faktoren begünstigen den Ausstieg?

Das hängt von der Ausgestaltung eines hypothetischen Ausstiegsprogramms ab. Entscheidend ist die Höhe der Kompensation – wird mehr Geld geboten, nehmen auch deutlich mehr Landwirte teil. Dabei sind die in den hypothetischen Programmen angebotenen Ausstiegsprämien nicht hoch. Sie bilden einen im Betriebsvergleich niedrigen bis mittleren Ertragswert ab, also eine eher mäßige Gewinnerwartung. Es überrascht also nicht, dass einige Teilnehmer bemängeln, die angebotenen Ausgleichsleistungen seien insgesamt zu niedrig, um den Ausstieg anzugehen.

Wir haben ganz bewusst niedrige Zahlungen gewählt. Ziel eines Ausstiegsprogramms ist ja keinesfalls die Abschaffung der deutschen Schweinehaltung. Effiziente Betriebe mit hohen Gewinnen sollen auch weiter am Markt bleiben. Ein Förderprogramm soll nur die Bauern unterstützen, die einen Ausstieg ernsthaft in Betracht ziehen.

Was sind die größten Hemmnisse?

Eine mögliche Verpflichtung zum Abriss der stillgelegten Ställe. Würden die Kosten erstattet, trübt die Abrisspflicht die Teilnahmebereitschaft kaum noch. Einige wünschen sich den Abriss sogar, um mit dem Thema Schweinehaltung abzuschließen. „Ansonsten bleiben überall Ruinen. Dies hat negative Auswirkungen auf das Ortsbild und eine negative psychologische Wirkung auf den Betriebsleiter. Zu einer Aufgabe gehört ein Schlussstrich“, meint ein Landwirt.

Ähnlich negativ bewerten die Teilnehmer Einschränkungen bei der Aufnahme von Gülle anderer Betriebe. In den viehhaltungsstarken Regionen werden dafür hohe Preise gezahlt. Die frei werdenden Aufnahmekapazitäten möchten die Landwirte natürlich für einen Zuverdienst nutzen. Das Verbot des Neubaus von Ställen und eine Beschränkung auf Tierwohlställe wird ebenfalls kritisch bewertet, wenn auch weniger stark. Ein Landwirt meint: „Wer einen Umbau der Tierhaltung möchte, der sollte das Geld in den Umbau stecken.“

Gibt es ein Ergebnis, dass Sie überrascht hat?

Wir waren überrascht vom großen Interesse der Landwirte und überwältigt von der großen Teilnahmebereitschaft der Befragten an einem möglichen Ausstiegsprogramm: 60 Prozent! Das zeigt den Frust, der herrscht. Wir haben die Befragung vor dem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest und dem Schweinestau durchgeführt. Jetzt ist der Frust in Verzweiflung umgeschlagen. Kaum auszumalen, wie die Ergebnisse ausfallen würden, wenn wir die Umfrage jetzt noch einmal wiederholen würden.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie?

Die „Erfolgsgeschichte“ der Niederlande würde sich in Deutschland wiederholen, wenn die Politik hierzulande ein Ausstiegsprogramm auf den Weg brächte. Aber Ausstieg allein ist vielleicht zu kurz gesprungen. Viele Landwirte wünschen sich eher Umstiegs- statt Ausstiegsprämien – Umstieg auf Haltungssysteme, die gesellschaftlich akzeptiert sind.

Auch die Verlagerung der Produktion ins Ausland bereitet vielen Kritikern Bauchschmerzen. In Deutschland können die Umweltprobleme so zwar bekämpft werden, aber so lange die Nachfrage nach Fleisch weiterhin hoch bleibt, treten sie dann woanders auf. Die Verbesserung des Tierwohls ist womöglich gar nicht mehr möglich. Deutlich wird dennoch: Die Schweinehaltung steht vor großen Herausforderungen. Lösungen müssen her. Förderprogramme wie die warme Sanierung könnten die Problematik in den Hochburgen entschärfen. Sie aber flächendeckend einzuführen, wäre wohl nicht zielführend. ●

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