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Interview

Im Anflug: Vespa velutina

Diese Asiatische Hornisse wurde mit einem Sender bestückt, um ihren Rückflug zum Nest zu verfolgen.

Die ursprünglich aus Südostasien stammende Hornissenart gehört wie auch manche Neophyten, also nicht heimische Pflanzenarten, zu oftmals unerwünschten Neuankömmlingen aus anderen Kontinenten. Sie wurde im Jahr 2004 erstmals in Südfrankreich gesehen und ist seitdem langsam auch bis nach Deutschland vorgedrungen. Die Europäischen Union hat sie als invasive Art eingestuft, die bekämpft werden darf und soll.

Derzeit kommen vermehrt Meldungen von Imkern aus Südfrankreich und auch aus dem spanischen Galicien, dass die Hornisse dort eine wirkliche Plage geworden sei. In diesem ungewöhnlich langen und heißen Sommer muss es besonders schlimm gewesen sein. Aktuell wurden auch wieder Nester in Süddeutschland gemeldet. Wir fragten Dr. Manfred Verhaagh, wie er die Situation einschätzt.

Wird sich die Hornisse in Deutschland weiter verbreiten oder ist es ihr hier eher zu kalt?

Sicher wird sich die Asiatische Hornisse auch in Deutschland weiter verbreiten, allerdings viel langsamer und wahrscheinlich auch nicht in der Populationsdichte wie in südeuropäischen Ländern. Jedenfalls deutet der bisherige Verlauf darauf hin.

Einerseits haben wir seit dem ersten Nestfund 2014 in Rheinland-Pfalz inzwischen Nestnachweise aus vier weiteren Bundesländern: Baden-Württemberg (2016), Hessen (2019), Hamburg (2020) und Nordrhein-Westfalen (2022), aber die Verteilung der Nester ist immer noch auf den westlichen Teil Deutschlands beschränkt und die Nestdichten sind gering.

Wie ist die Wirkung der Hornisse auf Honigbienen einzuschätzen? Jagt sie eher bei schwachen Völker oder sind grundsätzlich alle gefährdet?

Asiatische wie einheimische Hornissen sind opportunistische Jäger, sie nehmen hauptsächlich das, was gerade gut im Angebot ist. Dies lässt sich auch in der Verteilung des Beutespektrums über das Jahr ablesen. Für Vespa velutina haben Quentin Rome und seine Kollegen dies 2021 publiziert, nachdem sie in Frankreich innerhalb von drei Jahren von 16 Kolonien 2151 Beutepellets untersucht hatten. Dabei fanden sie 159 Insektenarten als Beutetiere. Den Hauptteil stellten mit 1293 Individuen, darunter 820 Honigbienen und 428 Wespen, die Hautflügler, gefolgt von 643 Fliegenindividuen (Ordnung Diptera). Der Anteil der Honigbienen sank im Spätsommer und Herbst stark, dafür stiegen dann die Anteile an Dipteren und Wespen.

Ein starkes Bienenvolk stellt für die Hornissen einerseits eine permanente attraktive Futterressource dar, kann sich aber auch gegen das Eindringen der Hornissen in den Stock effizient wehren und sollte die Verluste verkraften können. Allerdings sinkt durch die Anwesenheit der Hornissen die Flug- und Sammelaktivität der Bienen. Bei schwachen Völker ist es möglich, dass die Hornissen in den Stock eindringen und das Volk vernichten.

Gibt es Möglichkeiten die Völker zu schützen, etwa mit starkem Pflanzenbewuchs vor den Fluglöchern, Klebefallen oder speziellen Beutenböden?

Die meisten bisher bekannt gewordenen Schutzmethoden gegen Vespa velutina sollen das Eindringen der Hornissen in den Stock verhindern, sie sind aber nicht geeignet, die Jagdtätigkeit zu unterbinden oder die Hornissenpopulation effektiv zu verringern. Sie reichen von der Verkleinerung des Stockeingangs, über vorgesetzte Drahtkäfige, die die Hornissen nicht passieren können, bis hin zu Fallen, die unterhalb des Stocks angebracht werden und wohin die Hornissen und andere potenzielle Eindringlinge durch den Koloniegeruch angelockt werden.

Köder- und Klebefallen sollten nicht angewendet werden, da sie zahlreiche andere Insekten, darunter gesetzlich geschützte wie die einheimische Hornisse Vespa crabro töten und daher gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßen.

Auch das Verhindern eines freien Flugfeldes durch Bewuchs und das Auseinandersetzen der Beuten erschweren den Hornissen den Beutefang. Der Einsatz von unter geringem Strom stehenden Drähten (elektrische Harfe) ohne oder mit zusätzlichem Köder ist noch nicht genügend auf seine Effektivität und Selektivität getestet. Als wirksamste, aber zeitintensive Methode, den Jagddruck auf die Bienen zu verringern, wird in der Literatur das morgendliche Erschlagen der anfliegenden Hornissen mit einem Badmintonschläger aufgeführt.

Wer ein Nest entdeckt, soll es melden. Die sind aber gar nicht so leicht zu finden. Welche Tricks gibt es hier? Und wie erfolgreich sind eigentlich die angebrachten Minisender, die den Rückflug der Tiere zum Nest verfolgen?

Die Lokalisation und Vernichtung der Nester wird durch zwei Aspekte stark behindert: Die meisten Nester befinden sich hoch oben in Bäumen und sind schwer zu entdecken, solange die Bäume Blätter tragen. Man kann versuchen, die Nester über Triangulation zu lokalisieren. Dazu zeichnet man auf einer Karte die Richtungen von zwei oder drei abfliegenden Hornissen ein, die am Bienenstock gefangen und räumlich versetzt wieder freigelassen wurden. Gehören die Tiere zu einem Nest, schneiden sich die Abflugrichtungen irgendwo auf der Karte. Dort sollte anschließend die Umgebung nach dem Nest abgesucht werden. Eine meist zeitintensive Methode.

Das Anbringen des Senders an einer fixierten Hornisse erfordert etwas Geschick.

Die Nestsuche mit Hornissen, die am Bienenstock gefangen und mit einem Minisender bestückt werden, steckt immer noch in der Erprobungsphase. Seit 2021 laufen dazu auch Untersuchen des Umweltministeriums Baden-Württemberg. Klar ist, dass es prinzipiell funktioniert. Allerdings müssen die Hornissen eine gewisse Größe und damit Gewicht haben, um den Sender unter dem Hinterleib tragen zu können, und nicht immer gelingt die Verfolgung bis zum Nest. Das kann daran liegen, dass die Tiere nicht direkt zum Nest zurückfliegen, sondern unterwegs in Bäumen Rast machen oder übernachten und das Funksignal nicht mehr verfolgt werden kann, weil zum Beispiel die dichte Bebauung stört oder eventuell auch ein Mobilfunkmast. Außerdem ist die Methode wegen der notwendigen Ausrüstung nicht ganz billig und fordert vom Durchführenden auch manuelles Geschick beim Anbringen der Mini-Sender.

Links zu Studien:

  • Zum Nahrungsspektrum: Rome, Q. et al. (2021): Not just honeybees: predatory habits of Vespa velutina i(Hymenoptera: Vespidae) n France. Ann.Soc. ent. France (N.S.) https://doi.org/10.1080/00379271.2020.1867005
  • Zu Schutzmaßnahmen: Turchi, L. & Derjard, B. (2018). Options for the biological and physical control of Vespa velutina nigrithorax (Hym.: Vespidae) in Europe: A rview. J. Appl. Ent. (2018: 1-10). https://doi.org/101111/jen.12515

Zur Person

Dr. Manfred Verhaagh

ist Diplom-Biologe, Spezialist für Insekten und Hauptkonservator am Staatlichen Museum für Naturkunde in Karlsruhe. Im Februar hielt er im Rahmen der Landesausstellung „Neobiota" einen Vortrag über Verhalten und Verbreitung der Asiatischen Hornisse.

Manfred Verhaagh mit einem Nest der Asiatischen Hornisse.

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