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Zehn Jahre „Mit den Bienen durch das Jahr“

Der Moment, wenn der eigene Honig aus dem Schleuderkessel läuft, ist ein Höhepunkt des Imkerjahres – nicht nur für die Kinder.

Bienen können stechen, das ist natürlich richtig – aber, dass sie gefährlich sind, ist ein Vorurteil, das vor allem auf Ängsten und Unwissenheit von Erwachsenen beruht. Tatsächlich sind Kinder in der Regel von Bienen begeistert, und so können sie bereits im Kindergarten ein geeignetes Thema sein.

Das Projekt „Mit den Bienen durch das Jahr“ begleitet die Kinder über ihre komplette Kindergartenzeit hinweg mit dem Ziel, nachhaltig Impulse setzen zu können. Angesichts der zentralen ökologischen und wirtschaftlichen Bedeutung von Bienen sollte sich ein solches Projekt nicht nur auf Honigbienen beschränken, sondern auch Wildbienen mit einschließen. Zudem sollte es inhaltlich offen sein für neue Ideen, die sich im Projektverlauf ergeben. Unter diesen Rahmenbedingungen wurde das Konzept für „Mit den Bienen durch das Jahr“ entwickelt und folgende Ziele definiert:

  • Interesse und Begeisterung an Bienen wecken
  • Angst, Scheu oder Ekel vor Bienen abbauen
  • Bienen mit allen Sinnen erfahren
  • verantwortungsvollen Umgang mit Bienen lernen
  • die Bedeutung von Bienen für die Natur und den Menschen kennenlernen
  • die unterschiedliche Lebensweise von Wild- und Honigbienen kennenlernen
  • einfache biologische Prinzipien verstehen
  • Kooperations- und Teamfähigkeit unter den Kindern fördern
  • nachhaltiges Handeln fördern

Um diese Ziele zu erreichen und für die Umsetzung des Projekts, bauten die Beteiligten eine Nistwand für Wildbienen, und die Kita schaffte mehrere Bienenvölker an, die imkerlich betreut werden. Doch ein Schritt nach dem anderen.

Rahmenbedingungen und Durchführung

Bevor das Projekt konkret gestartet werden konnte, mussten im Vorfeld einige Voraussetzungen geschaffen werden:

  • Organisation und Durchführung des Projektes durch engagierte und fachlich geeignete Eltern und ErzieherInnen
  • Abbau von Ängsten besorgter Eltern bzgl. der Gefährlichkeit von Bienen
  • Finanzielle Unterstützung durch örtliche Sponsoren und den Förderverein der Kita
  • Identifizierung eines geeigneten Standortes für die Nistwand auf dem Gelände der Kita sowie eines geeigneten Bienenstandes in Laufweite zur Kita (ein Standort auf dem Kita-Gelände schied aus)
  • Beschaffung von Imkeranzügen für die Kinder
  • Einholen von Einverständniserklärungen der Eltern und Abklären eventueller Bienengiftallergien

Bienenprojekte für Kinder sollten immer auch Wildbienen und ihre Lebensweise mit einschließen.

Während Aktionen zum Thema „Wildbienen“ sich an alle fünf- bis sechsjährigen Kinder richten, wird für das Thema „Honigbienen“ eine Imkergruppe aus bis zu 16 Kindern gebildet. Diese sind meist sechs Jahre alt und zeigen ein besonderes Interesse an naturkundlichen Themen. Um zum einen allen Kindern einen intensiven Zugang zu den Völkern zu ermöglichen und zum anderen effektiv an den Völkern arbeiten zu können, wird die Gruppe in zwei Untergruppen geteilt.

Entscheidend bei der Durchführung des Projektes ist, die Inhalte auf ein für die Kinder verständliches Niveau anzupassen, die theoretischen Einheiten durch Anschauungsmaterial lebendig zu gestalten sowie Ideen, Gedanken und Fragen der Kinder aufzugreifen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Zu Beginn jeden Jahres gibt es zwei Einführungen in die Thematik, bei der ersten geht es u.a. um folgende Aspekte:

  • Kennzeichen von Bienen im Allgemeinen
  • Unterscheidung von sozial (Honigbienen, Hummeln) und solitär lebenden Bienen (z. B. in Hohlräumen nistende Wildbienen) und ihrer prinzipiellen Lebensweisen
  • Bedeutung von Bienen für die Bestäubung von Pflanzen, auch als Grundlage für das Wachstum von Obst und Gemüse

Inhalte der zweiten Einführung sind der Aufbau eines Bienenvolks, die drei Bienenwesen und ihre Aufgaben, Bestandteile eines Bienenkastens, Werkzeuge und Arbeiten des Imkers im Jahresverlauf. Daran schließt sich i.d.R. eine mehrtätige Bienenwerkstatt an, bei der die Beteiligten Nisthilfen für Wildbienen aus Bambus, Holz und Ton anfertigen, die Nistwand reinigen und ausbessern, außerdem Zargen anmalen und Mittelwände einlöten.

Der Verkauf des Honigs unterstützt die Finanzierung des Projektes.

Die Kinder betreuen jeweils zwei bis drei Völker. Dabei lernen sie mit großer Begeisterung den Umgang mit Stockmeißel und Smoker, ziehen Waben, erstellen Ableger und verfolgen die Entwicklung der neuen Königinnen, setzen Honigräume auf, begutachten die Honig- und Brutwaben, füttern die Ableger und erfahren so sehr viel über die Biologie der Honigbienen. Der Höhepunkt eines jeden Imkerjahres ist natürlich das Schleudern des eigenen Honigs. Nach dem Sieben und Abfüllen werden die Gläser mit selbst gestalteten Etiketten beklebt. Jedes Kind darf ein Glas mit nach Hause nehmen. Die übrigen werden in der Kita zur weiteren Finanzierung des Projektes verkauft.

Darüber hinaus findet das Thema Bienen seinen festen Platz auch in der täglichen Arbeit. So wurde eine kleine Bienenbibliothek eingerichtet, in der kindgerechte Bücher sowie Zeitschriften ausliegen und Bilder der verschiedenen Aktivitäten hängen. Außerdem wird das Thema immer wieder in Geschichten, Spielen, Tänzen, Liedern sowie durch Basteln und Malen aufgegriffen. Als besondere Facette wurde die Aktion „Kinder können Kunst – Bienen in der Malerei“ durchgeführt, für die ein Bensheimer Künstler gewonnen werden konnte.

Lernort der Zukunft

Die Erfahrungen der letzten zehn Jahre zeigen, dass Bienen bei entsprechender Konzeption, Vorbereitung und didaktischer Reduktion bereits für Kindergartenkinder ein faszinierendes und facettenreiches Thema darstellen. Sehr schnell sind die Bienen zu einem Identifikationsprojekt der Einrichtung geworden, sodass die Kinder dem Start der Bienensaison jedes Jahr entgegenfiebern. Für sie ist es eine einzigartige Möglichkeit, erste Einblicke in das Leben von Wild- und Honigbienen zu erlangen und ein Verständnis über grundlegende biologische Zusammenhänge zu bekommen. Dabei überraschen die Kinder oft mit scheinbar kuriosen Fragen und verblüffen immer wieder mit ihrem Wissen. Kinder, die eher zurückhaltend und ängstlich im Umgang mit Tieren waren, gewinnen an Mut und Selbstvertrauen. So ist es für einige Kinder eine besondere Faszination, für andere eher eine Herausforderung, Wildbienen auf die Hand zu setzen, zu beobachten und sogar vorsichtig zu berühren, oder eine Hand auf bienenbesetzte Waben zu legen und so Honigbienen hautnah zu spüren. Aus diesem Grund wurde die Einrichtung bereits 2012 für dieses Projekt vom Land Hessen als „Lernort der Zukunft“ ausgezeichnet. Und wenn einmal etwas nicht so klappt wie geplant, sind Fantasie und Kreativität gefragt, um neue Wege zu suchen und Lösungen zu finden.

Autor

Dr. Johannes Lückmann

ist Insektenkundler und Hobbyimker. Vor zehn Jahren hat er mit Karsten Wendland das Bienenprojekt in der Kita gestartet. Im BZV Bensheim ist er Imkerberater, und seit mehr als 20 Jahren arbeitet er im Pflanzenschutz und beschäftigt sich dort mit Wild- und Honigbienen.

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