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THEMA DER WOCHE

Wein-Pionier aus dem Ammerland

Die Chance genutzt: Gerd zur Brügge war im Jahr 2018 einer der ersten Winzer in Niedersachsen, der mit offizieller Anbaugenehmigung eigenen Wein abgefüllt hat.

Pastoors Kamp heißt das Stück Land im Volksmund. „Der leicht erhöht liegende Eschboden eignet sich gut für den Weinanbau; das haben wir vorher prüfen lassen“, sagt Gerd zur Brügge und blickt über die 18 Reihen mit insgesamt 1292 Weinreben nahe Bad Zwischenahn (Landkreis Ammerland). Mehr als anderthalb Hektar soll der Weinberg bald umfassen, so die Planung. „Aber in diesem Jahr beträgt die Fläche für unsere Reben noch genau einen Drittelhektar“, erklärt der Gastronom und Neu-Winzer.

Seit 1791 lebt die Familie zur Brügge ganz in der Nähe des heutigen Weinbergs auf dem Hof Eiden. Ursprünglich betrieben die zur Brügges Landwirtschaft; in mittlerweile fünfter Generation steht jedoch der familiengeführte Hotel- und Gastronomiebetrieb mit dem „Romantik Hotel Jagdhaus Eiden am See“ sowie mehreren Restaurants im Mittelpunkt.

Die Idee vom eigenen Weinberg hatte vor Jahren bereits Gerd zur Brügges Vater. Der langjährige Jagdhaus-Eiden-Sommelier Francesco Floris bestärkte den Senior darin, dass man auch im Ammerland Wein anbauen könne – und dass sich dieser auch gut auf der Restaurant-Speisekarte machen würde. Kein Wunder also, dass Familie zur Brügge die Chance nutzte, als das Land Niedersachsen im Jahr 2016 zum ersten Mal Weinbaurechte vergab. Seitdem dürfen die zur Brügges kommerziell Wein anbauen und auch verkaufen.

Robuste Trauben gefragt

„Unser Weinberg besteht aus zwei Dritteln Solaris-Reben und einem Drittel Muscaris – das sind die Traubensorten, die sich für uns hier im Norden am besten eignen, denn sie wachsen auch in etwas kälteren Klimazonen sehr gut und sind widerstandsfähig gegen Pilzbefall“, weiß Gerd zur Brügge. Die Sommeliers seiner Gastronomie bilden sich laufend über Anbau und Pflege der Reben weiter; beim Pflanzen und beim Schnitt berät die Weinbauexpertin Yvonne Rottmann aus Bremen.

Die Trauben der Sorten Solaris und Muscaris sind durch Kreuzungszüchtung widerstandsfähig gegen Pilzbefall.

„Hier in Niedersachsen entsteht in Sachen Wein etwas ganz Neues“, sagt die 35-Jährige. Sie ist selbstständige Winzerin – Fachbezeichnung: staatlich geprüfte Technikerin für Weinbau und Önologie. „Dadurch, dass wir hier andere Sorten anbauen als zum Beispiel in Rheinhessen, teils spezielle Neuzüchtungen für ein raueres Klima, bekommen wir hier auch anderen Wein.“

Die Trauben für den Norden müssen besonders robust sein. „Sorten wie Solaris, die früh reifen, werden im Süden eher für Federweißen verwendet, also für den ersten Wein im August. Ein Riesling würde hier dagegen gar nicht reif werden, denn das Licht und die Sonne fehlen“, erklärt Rottmann. Aber wird es nicht immer wärmer, auch im Norden? „Auf der einen Seite hat der Klimawandel durch höhere Durchschnittstemperaturen den Anbau ermöglicht, aber die Nachteile wiegen mehr“, sagt sie. „Es gibt häufigere Extremwetterlagen wie Hagel und Sturzregen, und der frühere Austrieb erhöht die Gefahr, das die Reben vom Spätfrost im Mai getroffen werden.“

Ein Platz in der Sonne

Der finanzielle Aufwand für Winzer in spe ist zunächst groß: 25.000 und 30.000 Euro pro Hektar muss man nur für das Anlegen und Bepflanzen des Weinbergs rechnen. Nachdem die Reben gesetzt sind, müssen sie regelmäßig beschnitten werden, damit die Trauben genug Licht bekommen und nicht zu hoch, aber auch nicht zu niedrig hängen. Der Boden um die Stämme herum sollte frei von Unkraut sein, damit die Sonne die Wurzeln wärmen kann; die Beeren wiederum bekommen bei zu viel direkter Sonneneinstrahlung einen „Sonnenbrand“, das heißt, die Schale wird zu dick, und die Trauben schmecken bitter. Auch zu große Trockenheit kann zu Fehlaromen führen.

„Eigentlich heißt es, dass Weinreben so tief wurzeln, dass sie kein Wasser extra brauchen“, sagt Gerd zur Brügge. „Die Wurzeln unserer jungen Weinreben sind jedoch noch nicht so weit ausgebildet, daher haben wir doch gewässert, als es lange trocken war.“

Die Rebzeilen sind nach Westen ausgerichtet, sodass die Sonne zur Mittagszeit alle Weinstöcke gleichmäßig bescheint. Foto: Finn

Seine Ernte lässt zur Brügge in Freinsheim im Weinland Rheinland-Pfalz verarbeiten. 2018 wurde der erste „offizielle“ Wein vom Pastoors Kamp in Flaschen gefüllt. „Wir waren überglücklich und auch mit der Qualität zufrieden“, so zur Brügge. Der zweite Jahrgang toppte die Erwartungen sogar: „Ein Geschmack ähnlich einem Sauvignon Blanc, sehr ausgewogen. Ich hätte nicht gedacht, dass wir hier so etwas erzeugen können“, schwärmt der Gastronom. „In diesem Jahr gab es leider eine Frostnacht im Mai – zwei Stunden, und mehr als die Hälfte der Triebe war erfroren. Wenn alles gut gelaufen wäre, hätte ich nach 2018 mit circa 600 Flaschen und 2019 mit 800 Flaschen für 2020 mit rund 1000 Flaschen gerechnet. Jetzt werden es wahrscheinlich nur um die 200.“

Die Lese findet in diesem Jahr später statt als sonst – erst Mitte September. „Wann es soweit ist, bestimmt auch der Oechsle-Wert der Trauben, also der Zuckergehalt. Den lassen wir vorher testen; er sollte etwa bei 90 liegen.“ Bei der Lese helfen die Angestellten aus Hotel und Restaurant – „das ist mal eine Abwechslung für unsere Azubis“, erklärt der 60-Jährige. Auch Hotelgäste haben in den vergangenen Jahren schon mitgemacht. „Einige packen auch bei der Kartoffelernte mit an, sie haben einfach Spaß daran.“

„Pastoors Kamp“ heißt das Stück Land bei Bad Zwischenahn. Jetzt trägt auch Gerd zur Brügges Weinberg diesen Namen.

Wein für die Gäste

Neben Kartoffeln und Gemüse aus eigenem Anbau landet auch das Fleisch der eigenen Bentheimer Schweine auf den Tellern der Gäste in zur Brügges Sterne-Restaurant Apicius. Ein selbst angebauter Wein, zum Menü kredenzt, ist da das Tüpfelchen auf dem i. „Zumal wir in der Speisekarte darauf hinweisen können, dass der Wein von unserem eigenen Weinberg stammt“, so zur Brügge. Auch der Einzelhandel in Bad Zwischenahn, einem Kur- und Ausflugsort nahe Oldenburg, hätte Interesse, den Wein zu verkaufen. „Aber wir dürfen aus rechtlichen Gründen vorne auf dem Etikett nicht mit dem Anbauort werben.“ Der Grund: Niedersachsen wurde noch nicht offiziell zum Weinanbaugebiet erklärt. Der Ausschank des Weins in der eigenen Gastronomie ist für die zur Brügges darum die perfekte Lösung.

Gerd zur Brügge ist nicht nur Gastronom und Winzer, seine Familie hält auch Bentheimer Schweine und baut Gemüse an. Foto: Finn

28 Winzer mit Anbaugenehmigung gibt es inzwischen in Niedersachsen. Sie haben die Ernte 2020 sehr unterschiedlich erlebt. „Vom Totalausfall wegen Frost bis zu einem sehr zufriedenstellenden Ergebnis war alles dabei“, sagt Jan Brinkmann, der Vorsitzende des niedersächsischen Winzerverbands. Der Sauenhalter aus Bad Iburg ist im Jahr 2018 in den Weinanbau eingestiegen – er erhofft sich ein neues Standbein für seine Landwirtschaft.

Im vergangenen Jahr konnte Brinkmann rund sechs Tonnen Trauben ernten, die in Rheinhessen zu 1100 Flaschen Wein verarbeitet wurden. In diesem Jahr ist er optimistisch, insgesamt über sechs Tonnen zu kommen. Die Arbeit für den Anfang des Jahres gegründeten Verband mit Sitz in Verden wurde jedoch durch die Coronapandemie erschwert.

Eigentlich stand die Anerkennung Niedersachsens als Landweingebiet auf der Agenda, damit die Winzer ihren Wein mit regionaler Kennung vermarkten dürfen. „Das nehmen wir uns für nächstes Jahr vor“, so Brinkmann. Erst einmal wollen die Mitglieder sich weiter vernetzen und Wissen austauschen.

„Die Neu-Winzer haben hier noch nicht viele Möglichkeiten, sich vor Ort über Fachfragen zu informieren“, findet Beraterin Yvonne Rottmann. Sie plant im Oktober ein entsprechendes Einsteiger-Seminar. In den großen Weinbaugebieten gebe es viele solcher Veranstaltungen; hier machten die Winzer noch über das Bundesland verteilt ihre ersten Erfahrungen. „Aber solche Strukturen werden wir in den nächsten Jahren aufbauen, auch als Winzerverband in Niedersachsen“, ist Gerd zur Brügge überzeugt.

Deutscher Wein

In 13 Weinanbaugebieten werden in Deutschland auf rund 100.000 Hektar Rebfläche durchschnittlich 9 Millionen Hektoliter Wein im Jahr erzeugt, so das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Mit 26.800 Hektar Rebfläche ist Rheinhessen das größte Weinbaugebiet.

In Niedersachsen darf seit 2016 professionell Wein angebaut werden. Im ersten Jahr wurden hier 7,6 Hektar Anbaufläche bewilligt, inzwischen sind es 24,5 Hektar, laut Niedersächsischem Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) in Oldenburg.

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