Logo LAND & FORST digitalmagazin

Artikel wird geladen

Das System dem Standort anpassen

Jansens Kühe grasen hier am alten Bahndamm, über den ein Teil der Weideflächen gut zu erreichen ist.

Das Hauptziel auf dem Betrieb von Arnold Jansen und seinem Sohn Theis in Stadland im Landkreis Wesermarsch ist seit jeher eine kostengünstige Milcherzeugung. Theis Jansen zur Betriebsphilosophie: „Wir wollen, dass unsere Kühe so viel Gras fressen wie möglich und so wenig Kraftfutter wie nötig.“ Wie das gehen könnte, hat sich der junge Landwirt vor einigen Jahren in Irland angeschaut. Dort werden Kühe intensiv ohne Kraftfuttereinsatz geweidet. Doch passt dieses Konzept der grünen Insel auch auf dem Wesermarschbetrieb? Um es vorwegzunehmen: In Stadland lässt sich das irische Weidesystem nicht eins zu eins umsetzen, dafür sind die Standorte mit Boden und Klima zu verschieden. Außerdem sind die Kühe in der Wesermarsch normalerweise hochleistender als irische Kühe und die Stallhaltung im Winter aus Witterungsgründen erforderlich. Das bedeutet aber nicht, dass auf dem Betrieb Jansen nicht doch wesentliche Merkmale der irischen Weidestrategie umgesetzt werden.

Theis Jansen arbeitet ständig an seinem Weidesystem.

Weidereife bestimmen

„Ich richte mich bei den Gräsern nach dem Dreiblattstadium, bevor die Kühe auf die Weideflächen kommen“, erklärt Theis Jansen, der ein halbes Jahr lang in Irland den Landwirten dabei „über die Schulter geschaut“ hat, wie sie die Weidereife ihrer intensiv genutzten Flächen bestimmen. Wenn das vierte Blatt geschoben wird, ist der optimale Zeitpunkt bereits überschritten, erklärt Jansen der Gruppe Landwirte, die im Rahmen einer Exkursion des Netzwerk Tierwohl und des Grünlandzentrums Niedersachsen/Bremen kürzlich den Betrieb in der Wesermarsch besuchten. Dann leidet auch die Verdaulichkeit der Gräser und ebenso deren Schmackhaftigkeit. Jansen: „Das erste Blatt wird bereits gelb, wenn das vierte Blatt geschoben wird.“

Doch der Junglandwirt setzt mit Hilfe von Lena Dangers vom Grünlandzentrum noch ein weiteres Messinstrument ein, um den Zeitpunkt für die Weidereife einer Fläche herauszufinden: Er wirft einen Rahmen von 50 x 50 cm irgendwo in die Weidefläche und schneidet das Gras in Höhe von 4 bis 5 cm ab (angestrebter Weiderest). Die Trockensubstanz wird vor Ort geschätzt und liegt je nach Witterung zwischen 10 bis 20%. „Aus der Grasmenge und dem Trockenmassegehalt errechnen wir die Trockenmasse je ha“, erklärt Jansen. Sind 1.200 kg Trockenmasse je ha erreicht, treibt er seine 140 Kühe auf die Fläche. Die Bestimmung des Aufwuchses während der Weidesaison ist ebenfalls in Irland üblich. Mit der Zeit bekommen die Landwirte ein Auge für die Menge an Trockenmassezuwachs und brauchen die exakte Messung nicht mehr vorzunehmen.

Aufwuchs messen

Auch Theis Jansen hat mittlerweile durch seine wöchentlichen Messungen einen guten Überblick über den Aufwuchs seiner insgesamt 40 ha Weideflächen erhalten. Mehr Hektar stehen dem jungen Wesermärschler, der mit seinem Vater eine GbR gegründet hat, nicht zur Verfügung, denn sein Betrieb wird durch eine stark befahrene Bundesstraße zerschnitten. Jansen: „70 ha Grünland liegen jenseits dieser Bundesstraße und werden jetzt durch unsere Kälber und durch Grassilagebereitung genutzt.“ Früher standen die Kühe auch auf diesen Flächen und wurden in einem Weidemelkstand gemolken.

Doch Jansens haben zwischenzeitlich einen Boxenlaufstall mit 130 Liegeplätzen und einen Melkstand am Hof gebaut, nachdem der Pachtbetrieb in ihr Eigentum übergegangen war. Nachweiden der Kuhweiden durch die Kälber und Rinder ist durch die besondere Situation mit der Bundestraße nicht möglich. „Unsere Kälber gehen mit vier Monaten auf die Weide,“ so Jansen. Das ist ihnen sogar auch in den Trockenjahren, die den Grünlandbetrieb hart getroffen haben, gut bekommen, war Jansens Beobachtung. „Der Grasaufwuchs war wirklich mässig, aber die Kälber sahen gut aus und waren zufrieden“, berichtet er den anderen Grünlandkollegen, die alle ihre Erfahrungen mit den Trocken- und dem Mäusejahr machen mussten.

Theis Jansen schaut regelmäßig auf den Weideflächen nach, ob die Gräser das Dreiblattstadium erreicht haben.

Standweide im Test

Wenn die Flächen die Weidereife erreicht haben, teilt Jansen mit einem mobilen Weidezaun den Kühen etwa 1,3 ha als Tagesration ab. Nachts werden die Kühe im Stall mit Grassilage zugefüttert und Kraftfutter gibt es im Melkstand und über den Transponder. Die Weidereste mäht Jansen bei Bedarf nach und lässt sie in Rundballen wickeln. Solange das Gras wüchsig und schmackhaft ist, funktioniert dieses Weidesystem gut, erzählt Theis Jansen seinen Berufskollegen. Doch eines stört ihn daran: „Im Laufe der Saison nimmt die Qualität des Weidegrases ab, sodass die Kühe ab einem bestimmten Zeitpunkt, meistens im Spätsommer, die Grassilage nachts im Stall dem Weidegras vorziehen.“ Dadurch entstehen auf den zugeteilten Weideflächen zu viele Weidereste, die nachgemäht werden müssen. Jansen testet daher seit diesem Jahr auf einer Fläche eine alternative Weidevariante: Eine Standweide, auf die seine Kühe nach fünf bis acht Tagen wieder zurückkommen. „Bei dieser Variante gibt es zwar überständige Bereiche, aber dazwischen wird das junge Gras immer wieder gut gefressen,“ ist Jansens erster Eindruck. Bis jetzt entfällt das kostenträchtige Nachmähen und Jansen hofft, dass es so bleibt. Geplant ist, das überständige Gras abends abzumähen, damit es den eingelagerten Zucker über Nacht nicht veratmet, und am nächsten Morgen von den Kühen auffressen zu lassen. Ob es klappt, will der Junglandwirt dieses Jahr erstmalig ausprobieren. Bei diesem Standweidesystem fressen die Kühe im Stall zwar mehr Grassilage, aber insgesamt weniger Kraftfutter, und darauf kommt es Jansen an. Leistungseinbußen bei seinen Kühen, die im Schnitt 9.000 Liter Milch mit 3,4 % Eiweiß und 4,0% Fett geben, konnte er nicht feststellen. „Die Kühe sind deutlich zufriedener und die Harnstoffwerte nicht gestiegen“, so Jansen. Dass am Ende auch das häufige Ausmähen eingespart wird, erhofft sich der Junglandwirt. Während die Kühe in Irland mit dem Grasaufwuchs klarkommen müssen, was bei ihrer geringeren Gesamtleistung auch machbar ist, will Jansen bei seinen Kühen keine Leistungseinbußen riskieren und versucht so, in erster Linie Kosten zu sparen.

Betriebsspiegel Jansen

  • Reiner Grünlandbetrieb
  • 150 ha, davon 125 ha intensives Grünland, Rest extensive Nutzung
  • Boden: teilweise Moor, teilweise Kleyböden, nicht ackerfähig
  • Aufteilung der Weidefläche in 40 ha auf der Stallseite (Kühe), Rest jenseits befahrener Bundesstraße (Kälber, Rinderweiden, Siloflächen)
  • Boxenlaufstall mit 130 Liegeplätzen, Melkstand, neuer Kälberstall, Jungviehstall gepachtet, Rest Altgebäude
  • 140 Kühe und weibliche Nachzucht, Herbst- und Winterabkalbung angestrebt
  • Eigenmechanisierung für Grünlandpflege und -mahd, Düngung (Gülle, Mineral)
  • Düngung mit eigener Gülle, in der Weidesaison alle drei Wochen 50 bis 70 kg N/ha mineralisch, das entspricht 15 bis 20 kg N.

Früh vorweiden

Im Frühjahr kommen die Kühe auf die Weideflächen, wenn diese trittfest genug sind. Das ist auf den Moorböden sehr stark witterungsabhängig. Jansen: „Wir streben eine Vorweide so früh wie möglich im April an.“ Damit die Flächen nicht zu stark zertreten werden, haben Jansens, wo es geht, mehrere Ein- und Auslässe angelegt. Wenn das Graswachstum schon sehr stark ist, aber die Beweidung noch nicht möglich, wird einsiliert. „Bevor der erste Siloschnitt ansteht, haben unsere Kühe etwa 15 bis 20 ha vorgeweidet“, so Jansen. Bei schwülwarmer oder trocken heißer Witterung wie 2018 kommen die Kühe nur morgens und abends auf die Weide. In dieser Zeit steigt der Kraftfutter- und Silagebedarf. In Jahren mit normaler Witterung und normalem Graswachstum verbraucht Jansen pro Kuh 2 bis 2,5 t Kraftfutter. Nur bei ganz extremen Wetterlagen bleiben die Kühe ganz im Stall.

Gute Treibewege

Wichtige Grundlage für Jansens Weidesystem ist eine gute Zuwegung zu den Flächen. Der Haupttreibeweg verläuft größtenteils über einen alten Bahndamm. „Das ist unser großes Glück“, so Jansen, der allerdings die ersten 150 m bis zu dem Bahndamm durch eine neue Zuwegung befestigen musste. Dabei orientierte er sich am irischen Vorbild: Auf 4m Breite wurde die Grasnarbe abgetragen, dann ein Bauvlies verlegt. Darüber wurde 032er Schotter ausgebracht und als Abschluss 5 cm 05er Rotstein, der weich ist. „Wir haben vor vier Jahren 5.000 € für diese 150m Weg bezahlt, aber das hat sich gelohnt“, ist Jansen ganz zufrieden. Um den Weg zu schützen, fahren keine beladenen Erntemaschinen über den Weg. Die Kühe laufen gut auf dem weichen Stein und haben nicht mehr Klauenprobleme als üblich. Das Wasser fließt auf diesem Weg gut ab und bisher waren keine Ausbesserungsarbeiten notwendig.

Sichere Treibewege sind das A und O einer intensiven Weideführung. Jansen hat sich einen Treibeweg nach irischem Vorbild angelegt. Die Kosten haben sich aus seiner Sicht gelohnt.

Die Wasserversorgung der Weidetiere erfolgt über die Gräben, was in der Wesermarsch keine Besonderheit ist. „Die Salzgehalte bei uns in den Gräben sind tolerierbar, aber erhöhte Salzgehalte bei der Zuwässerung sind ein Problem, das gelöst werden muss“, erklärt Jansen. Auch der Wolf ist noch nicht präsent. Er wird allerdings, wenn sich an der Wolfspolitik nichts ändert, ein Problem für alle Weidesysteme in der Wesermarsch, waren sich alle einig.

Anpassen an Wetterextreme

Gruppenarbeit | In kleinen Gruppen sammelten die Grünlandwirte Anpassungsstrategien an zu wenig Zuwachs auf der Weide bzw. extreme Hitze. Diese Vorschläge kamen dabei heraus:

  • Zukauf von Grundfutter, Maissilage passt gut
  • mehr Kraftfutter einsetzen, bei zu wenig Graswuchs
  • Herde abstocken, Schlachtkühe früher weggeben
  • Kühe im Stall lassen und Silage füttern, Jungvieh im Stall lassen und mit Stroh und Kraftfutter füttern
  • oder Jungvieh auf kurzer Weide zufüttern, statt im Stall Futterreserven aufzubrauchen.
  • Grasnarben reparieren, aber nur, wenn die langfristige Witterung geeignet ist
  • Bei Hitzestress mehr Tränken anbieten, Kühe nur morgens und/oder abends weiden, Kuhduschen und Ventilatoren einsetzen
  • Futterreserven aufbauen/Maissilage zukaufen
  • trockentolerante Gräser/Pflanzen in der Ansaatmischung ausprobieren

Der Gedankenaustausch mit anderen Weideprofis bringt weitere Anregungen für den eigenen Betrieb.

Abkalbeschwerpunkt

Anders als in Irland strebt Jansen keine Blockabkalbung im Frühjahr an, sondern einen Abkalbeschwerpunkt im Herbst/Winter. So kann er die frischmelkenden Kühe im Stall ordentlich ausfüttern, was auf der Weide schwierig ist. Weidegenetik wie in Irland kommt für Jansen auch nicht infrage. Es gibt hier keinen Markt für die oft kleineren Rinder. Außerdem sind Jansens mit ihren Holstein-Friesenkühen sehr zufrieden. Als Theis Opa und Vater Anfang der achtziger Jahre aus Holland in die Wesermarsch kamen, hatten sie 40 rotbunte Tiere dieser Rasse dabei.

Fazit

  • Intensive Weidehaltung erfordert ein ausgeklügeltes Weidemanagement.
  • Der Betrieb Jansen in Stadland setzt sich mit dem irischen Weidesystem auseinander.
  • Regelmäßige Aufwuchsmessungen und -begutachtungen optimieren die Grasnutzung.
  • An erster Stelle steht die Kosteneinsparung bei gleichbleibender Tierleistung.

Fokus Tierwohl Projekt läuft seit einem Jahr erfolgreich

Im Rahmen des Bundesprogramms Nutztierhaltung fördert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter dem Projekttitel „Fortschritte mit Kompetenz und Spezialwissen für eine tierwohlgerechte, umweltschonende und nachhaltige Nutztierhaltung“ den Aufbau eines Netzwerkes aller Bundesländer und Landwirtschaftskammern. Fokus ist der Wissenstransfer in die Praxis zur Verbesserung des Tierwohls.

Das Netzwerk Fokus Tierwohl ist eingebettet in das Bundesprogramm Nutztierhaltung als wesentlicher Teil der Nutztierstrategie des Bundes. Das Gesamtkonzept der Nutztierstrategie wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft initiiert, um den großen Herausforderungen einer zukunftsfähigen Landwirtschaft in Deutschland Rechnung zu tragen.

Die Gesamtprojektkoordination im Verbund mit 17 Partnern aus allen Bundesländern liegt in der Hand des Verbandes der Landwirtschaftskammern.

Über eine Vielzahl von Veranstaltungen in ganz Deutschland soll über eine Laufzeit von drei Jahren den Tierhaltern das gebündelte, aufbereitete und fokussierte Wissen zur tierwohlgerechten Haltung von Rindern, Schweinen und Geflügel vermittelt werden. Das Land Bremen hat seit einem Jahr eine Stelle für das Projekt mit 50 % besetzt. Schwerpunkt ist hier die Rinderhaltung.

Behrens, LWK Bremen

Digitale Ausgabe LAND & FORST

Holen Sie sich noch mehr wertvolle Fachinfos.
Lesen Sie weiter in der digitalen LAND & FORST !

 Bereits Mittwochnachmittag alle Heftinhalte nutzen
✔ Familienzugang für bis zu drei Nutzer gleichzeitig
✔ Artikel merken und später lesen
✔ Zusätzlich exklusive Videos, Podcasts, Checklisten und vieles mehr!