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Druck auf Moorbewirtschaftung wächst

Ganzjährig vernässte Moorflächen verlieren ihre Tragfähigkeit, sind ideal für Binsen und können weder befahren noch langfristig beweidet werden. Landwirte können damit nichts anfangen.

So mancher Moorbauer bzw. seine Vorfahren haben Erfahrung mit der Bewirtschaftung nasser Moorflächen und sagen: „Nein danke, wir wissen, dass dies nicht funktioniert.“ Was sie damit meinen ist: Eine wirtschaftliche Erzeugung von Nahrungsmitteln ist auf wiedervernässten Moorflächen langfristig nicht möglich. Unsere politischen Vorfahren haben das auch noch gewusst. Wie ist es sonst zu erklären, dass ganze Moorregionen in Niedersachsen mit hohem finanziellem Aufwand aus den öffentlichen Kassen kultiviert wurden, um dort landwirtschaftlichen Familien und Siedlern ein wirtschaftliches Auskommen und Lebensqualitäten zu ermöglichen, die andernorts längst üblich waren. Zudem wurden auch die Moore zur Erzeugung qualitativ guter Nahrungsmittel gebraucht. Damals zumindest.

Früher Flurbereinigung

„Die damaligen Landbauaußenstellen der Landwirtschaftskammer haben auch hier in Ostfriesland großflächig Moorflächen durch Sandmischkulturen aufwerten lassen sowie Flurneuordnungen vorgenommen“, erinnert sich Detlef Grüßing, Moorlandwirt aus Bentstreek und stellvertretender Vorsitzender des Landvolkkreisverbandes Wittmund. „Unser Ort Bentstreek ist etwa 1.000 ha groß, 800 ha Moorfläche davon sind damals in eine Sandmischkultur umgewandelt worden“, schildert Grüßing weiter. Von den 180 ha, die der Milcherzeuger bewirtschaftet, sind nur noch 30 ha reines Hochmoor, das er als Grünland nutzt. Der Rest sind eben diese Sandmischkulturen aus Moor und Sand. Etwa 7 ha von Grüßings Hochmoor liegen im Naturschutzgebiet Lengener Meer im Stapeler Moor. Damit verfügt Grüßing über genug eigene Erfahrung mit den verschiedenen Moorbodenzuständen seiner Region. Ein wichtiger Aspekt für die landwirtschaftliche Nutzung der Moorflächen war damals wie heute die Wasserregulierung mit dem Ziel, die Flächen so weit zu entwässern, dass sie gut befahrbar bleiben. Doch gerade diese dränierten Moorflächen neigen zum Torfabbau (Degradation) und damit zur CO2-Freisetzung, die aus heutiger Klimaschutzsicht nicht mehr akzeptiert wird. „Diesen Zusammenhängen können und wollen wir uns nicht verschließen“, betont Grüßing, doch bei den im Moorschutz-Konzept der Bundesregierung angedachten Moorschutz- und damit Klimaschutzmaßnahmen vermisst Grüßing das Augenmaß.

Detlef Grüßing ist Moorlandwirt aus Bentstreek und stellvertretender Vorsitzender des Landvolkkreisverbandes Wittmund.

Damit steht er nicht allein da. Grüßing ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Moorbauern, die sich zu Zeiten des Niedersächsischen grünen Landwirtschaftsministers Christian Meyer gegründet hat, um sich zu vernetzen, Kräfte zu bündeln und die Interessen der Moorlandwirte im Landesverband des Niedersächsischen Landvolks vertreten zu können. „Damals ging es uns Moorbauern noch um das Gleichgewicht zwischen Landwirtschaft und Torfabbau, Klimaschutz war da noch nicht das Thema“, blickt Grüßing zurück.

Aber schon zu Meyers Zeit wurde seitens der Landesregierung mit Kartenmaterial gearbeitet, das zu alt war, um die Moormächtigkeiten vor Ort richtig abzubilden. Und heute kritisieren die Moorbauern immer noch, dass seitens der Behörden oft mit nicht zutreffendem Kartenmaterial gearbeitet wird. Grüßings Flächen liegen zum Großteil im Landkreis Leer, wo das Kartenmaterial veraltet sei. „Anders bei uns im Landkreis Wittmund, wo im Zuge des Regionalraumordnungsprogramms die Karten aktualisiert wurden“, so Grüßing, der auch im Gemeinderat der Gemeinde Friedeburg sitzt. Bei den Fehlern in den Karten geht es auch darum, dass viele staatlich geförderte Sandmischkulturen (Tiefpflügen, Übersandung oder Baggerkuhlung, über 3 m Tiefumbruch), die heute als sehr gute Ackerböden genutzt werden, in den Karten noch als Moorflächen dargestellt sind.

Was ist Moor?

„Um die Betroffenheit der Landwirte durch Moorschutzmaßnahmen, wie einer ganzjährigen Wiedervernässung auf 10 cm unter Fluroberkante, überhaupt realistisch darstellen zu können, brauchen wir aber aktuelle Karten“, so Grüßing zu einer der Forderungen der AG Moorbauern. Denn ohne eine genaue Betroffenheitsanalyse seien erstmal alle Moorbauern tendenziell betroffen und das verursacht Unruhe. „Es werden oft Zahlen in den Raum gestellt, die bei genauer Betrachtung gar nicht realistisch sind“, so Grüßing weiter. Die Politik formuliere erstmal ihre Ziele, ohne genau zu wissen, wie die umzusetzen sind. Zudem vermisst der betroffene Landwirt im Strategiepapier der Bundesregierung eine genaue Definition, welche Flächen denn als „Moor“ bezeichnet werden. „Wir haben hier z.B. Flächen, wo das Moor übersandet wurde, aber im 60 cm-Horizont 30 % Mooranteil aufweist, oder Moorlinsen unter Mineralböden bzw. verschieden hohe Humusgehalte“. Ist das noch im ursprünglichen Sinne Moor, fragt sich Grüßing. Daher erscheint es der AG Moorbauern auch wichtig, dass genau definiert wird, was im Sinne der Moorschutzstrategie auch Moor ist und das dieses vor Ort mit den tatsächlichen Verhältnissen abgeglichen wird. Da sind noch seitens der Behörden erhebliche Vorarbeiten vonnöten, bis Moorflächen gezielt wiedervernässt werden können, ist Grüßing überzeugt.

Grüßing, dessen Flächen damals zu einem Drittel von einer Flurneuordnung betroffen waren: „Um Flächen wiedervernässen zu können, braucht man Wasser, und ich kann mir nicht vorstellen, dass hierzu Grundwasser hochgepumpt werden soll, zumal das oberflächennahe Grundwasser hier im Moor eisenhaltig ist.“ Also müsse das Niederschlagswasser zurückgehalten werden, was ein teils neues Graben-, Dränagen- und Pumpensystem erforderlich macht. Außerdem haben die Flächen nicht alle das gleiche Niveau, sodass es schwierig sein dürfte, überall den Wasserstand tatsächlich bis auf 10 cm unter Fluroberkante anzuheben. „Wir dürfen nicht die Moorsiedlungen vergessen, die dann ebenfalls Wasserprobleme bekommen“, betont Grüßing.

Es seien eben nicht nur Landwirte und der vor- und nachgelagerte Bereich betroffen, sondern ganze Siedlungen und Gemeinden. Auch Flächen, die bereits für andere Nutzungsoptionen reserviert sind, würden sicher nicht wiedervernässt. Insofern sei die Moorfläche, die tatsächlich für den Moor- und damit Klimaschutz zur Verfügung stünde, viel kleiner, als es manchem Politiker in Berlin bewusst oder lieb ist.

Angebote machen

Trotzdem sieht Grüßing die Moor-Landwirtschaft beim Klimaschutz in der Verantwortung: „Es gibt Moorflächen, die Grenzstandorte sind, die sich schon heute nicht wirtschaftlich nutzen lassen, hier sollten wir Landwirte etwas anbieten.“ Solche Flächen könne das Land nach einer Flurneuordnung mit eventueller Aussiedlung von Betrieben ja erwerben und wiedervernässen. „Wir Moorbauern sind der Meinung, dass das Land erstmal auf seinen eigenen Flächen mit der Wiedervernässung im Sinne des Klimaschutzes beginnen sollte, bevor es in das Eigentum der Landwirte eingreift“, fordert Grüßing. Strikt abgelehnt wird von den Landwirten auch jede Form von Auflagen, die schleichend die Entwertung der Flächen herbeiführt. Doch genau das geschieht gerade.

Grüßing hält es für den falschen Weg, dass sich Landwirte auf die Bewirtschaftung von nassen Moorflächen einlassen. „Das ist selten wirtschaftlich darzustellen unter dem noch üblichen Marktsystem, und für uns Moorbauern werden sie das nicht ändern.“ Grüßing hat das selbst erfahren. Daher sollte eine Bewirtschaftung von wiedervernässten Flächen nur als reell bezahlte Dienstleistung von Landwirten durchgeführt werden. Denn was mit Moorflächen passiert, die nass sind, hat Grüßing selbst erfahren: „Die Grasnarbe zersetzt sich, verbinst, die Flächen sind weder befahrbar, noch zu beweiden, die Tiere versacken und der Parasitenbefall erhöht sich.“ Wenn „Moor nass muss“, um dem Klimaschutz zu dienen, will und kann das kein Landwirt mehr nutzen.

Moorschutz: Flächendeckende Extensivierung bereitet Sorge

Auf allen politischen Ebenen steht die Klimaneutralität bis spätestens 2050 (Landwirtschaft, Landnutzung und Forst bis 2035) mit an oberster Stelle, stellt Hartmut Schlepps, Umweltexperte des Landvolk Niedersachsen, fest. „Das Thema geht nicht mehr weg, auch wenn z.B. keine Moorschutzstrategie der Bundesregierung vor der Wahl beschlossen wird,“ so Schlepps. Wer CO2 freisetzt, muss an anderer Stelle CO2 langfristig speichern, unterm Strich soll es keine Netto-CO2-Emissionen mehr geben. „Als Speicher ist Biomasse gut geeignet, wenn sie langfristig erhalten bleibt, wie z.B. bei einem Wald oder Bauholz, aber auch in natürlichen Mooren,“ fährt Schlepps fort.

Damit Moore kein CO2 mehr emittieren, müssen sie laut Moorexperten ganzjährig auf 0 bis 10 cm unter Geländeoberkante vernässt sein, andernfalls wird die organische Substanz zu CO2 abgebaut. „Die Politik wird also weiterhin Druck auf die Moorbewirtschafter ausüben“, ist Schlepps überzeugt, vor allem auch deshalb, weil die CO2-Emissionen aus genutzten entwässerten Moorböden bundesweit von bis zu 40 Mio. t CO2/Jahr keine Kleinigkeit sind. Denkbar wäre auch, dass der Druck über den Markt kommt, so wie aktuell beim Tierwohl. In der gescheiterten Moorschutzstrategie des Bundes waren freiwillige Leistungen seitens der Landwirte für mehr Klimaschutz angelegt, so z.B. die freiwillige Umwandlung von Acker in Grünland oder gezielte Wiedervernässung von Teilgebieten.

„Sorge bereiten uns aber die Vorschriften, die zu einer flächendeckend geringeren Intensität der Moorbewirtschaftung zwingen sollen, wie z.B. die Einschränkungen bei der Grünlanderneuerung auf Moor in den GAP-Bestimmungen“, so Schlepps. Auch bei der Gewässerunterhaltung, die in Moorgebieten natürlich wichtig ist, will das Bundesumweltministerium den Hebel ansetzen, um die Intensität der Moorbewirtschaftung zu erschweren. Denkbar sind auch Schwierigkeiten bei zukünftigen Baugenehmigungen in Moorgebieten. Als „Daumenschraube“ beschreibt Schlepps die Auflage, in großen Biogasanlagen zukünftig keinen Mais mehr von Moorflächen einzusetzen, weil ansonsten die EEG-Vergütung entfällt. „Auch, wenn nicht vernässt wird, werden die Moorhöfe durch solche Maßnahmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit geschwächt“, sieht Schlepps. Ob dadurch die Importe von Nahrungsmitteln steigen müssen, hinge davon ab, ob sich auch die Ernährungsgewohnheiten der Gesellschaft änderten (Fleischverzicht). Druck auf die Moorgebiete wird zukünftig vielleicht auch durch weitere EU-Bestimmungen ausgeübt. „Im Herbst rechnen wir mit Vorschlägen, wie die Landwirtschaft den Kohlenstoff im CO2 im Boden speichern soll. Es ist unklar, wie man dabei mit entwässerten Moorböden umgeht, auf denen das von Natur aus nicht möglich ist.“

Vor diesem Hintergrund sei es gerade für die Moorgebiete wichtig und richtig, den Bauern die Klimaschutzleistungen anzurechnen, die sie bereits erbringen (Dach-Photovoltaik, Biogas). Alternative Nutzungsmöglichkeiten wie Freiflächen-PV auf Moorflächen oder auch Pflanzenbau auf vernässten Flächen (Paludi-Kulturen) wären dann auch eine Perspektive.

Kt

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