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MIT PODCASTFOLGE

Was landet zukünftig auf dem Teller?

Mehr Gemüse, weniger Fleisch? Ist das der Ernährungstrend der Zukunft?

Viele Verbraucher beschäftigen sich mit dem Thema „Ernährung“. Aber was ist wirklich richtig? Regional, Bio, Fleisch ja oder nein?

Wir haben im wissenschaftlichen Beirat viel darüber diskutuiert, ob es diese einfachen Handlungsempfehlungen gibt. Und ja, es gibt sie. Zum Beispiel die Kombination von saisonal und regional. Alleine reicht das nicht, aber wenn man es zusammennimmt, ist das eine gute Handlungsregel. Weniger tierische Erzeugnisse konsumieren, ist in Bezug auf mehr Nachhaltigkeit eine gute Handlungsregel. Auch „bunt“ und vielfältig essen wird empfohlen. Hier wird es für den Verbraucher schon schwieriger, es richtig umzusetzen. Wir brauchen daher auf den Produkten die entsprechende Kennzeichnung, um dem Verbraucher die Entscheidung zu erleichtern. Deswegen ist es gut, dass auf immer mehr Produkten der Nutri-Score zu finden ist.

Vor Kurzem wurden Sie und ihr Team mit der Erstellung eines Klima-Labels beauftragt. Zielt das in dieselbe Richtung?

Der Verbraucher kann einem Produkt derzeit nicht ansehen, wie viel Treibhausgasemissionen sind mit der Produktion, dem Transport und der Verpackung verbunden. Das ist momentan sehr intransparent und es helfen hier keine einfachen Handlungsempfehlungen. Wenn ich das an einem Beispiel erläutere, wird es deutlicher: Tomaten sind aus dem Freiland oder einem unbeheiztem Gewächshaus, hier aus der Region, sehr klimafreundlich. Wenn sie aber aus einem fossil beheizten Gewächshaus kommen, tragen sie einen ziemlichen Klimarucksack. Aber woran soll ich das als Verbraucher erkennen? Vielleicht kann ich aufgrund der Herkunft und Jahreszeit noch darauf schließen, ob sie aus einem Gewächshaus kommen, aber wie dieses möglicherweise beheizt wird, fossil oder regenerativ, lässt sich nicht erkennen. Und daher müssen wir den Menschen diese Klimainformationen mitliefern. Denn auch das haben wir bereits erforscht, die Menschen haben keine gute Intuition dafür, sie wissen nicht welche Produkte besonders klimafreundlich oder -schädlich sind.

Es gibt also neben dem Nutri-Score möglicherweise bald ein Klima-Label. Wie sieht es beim Tierschutz und den sozialen Bedingungen aus? Bekommen wir auch hier ein Label, eine Ampel?

Für den Tierschutz gibt es ja bereits einige Initiativen und Kennzeichnungen. Dennoch wäre es schön, wenn auch dort zukünftig eine bestimmte Farbcodierung den gesamten Tierschutz und die gesamte Kette abdecken würde. Also beispielsweise bei den Schweinen auch die Sauenhaltung und die Ferkelaufzucht entsprechend Berücksichtigung finden würde. Bei den sozialen Themen sind wir noch weit entfernt von einer Farbcodierung, hier wurde bisher auch wissenschaftlich weniger dran gearbeitet. Da gibt es die Kennzeichnung „Fair trade“ für internationale Produkte. Für Deutschland gibt es bisher wenig Verlässliches, da muss noch geklärt werden, ob man eine Art Ampelsystem will, oder wie der Arbeitnehmerschutz zukünftig aussehen wird. Vieles ist dort gesetzlich geregelt, wenn Sie beispielsweise an den Mindestlohn denken. Aber in Bezug auf die Bewertung der sozialen Bedingungen stehen wir sicherlich noch sehr am Anfang.

Zum Gesprächspartner

Prof. Achim Spiller
ist seit mittlerweile 22 Jahren Professor für „Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte“ der Georg-August-Universität Göttingen und hat in dieser Zeit viele Beobachtungen zum Thema Ernährung, Lebensmittelkonsum und Verbraucherverhalten gemacht.

Prof. Achim Spiller.

Aber bleibt die Verantwortung schlussendlich beim Verbraucher? Wenn es darum geht, welcher Aspekt wichtig ist?

Nein, da würde ich wiedersprechen. Natürlich hat der Verbraucher eine Teilverantwortung und ist auch für die Umsetzung der Nachhaltigkeit verantwortlich. Aber ein zentrales Learning aus der Tierschutzdebatte war ja, dass die Verbraucher durch ihr individuelles Kaufverhalten eine Umorientierung der gesamten Landwirtschaft, hin zu einer deutlich tierfreundlicheren Produktion, nicht schaffen. Das geht nicht nur über die Ladentheke. Menschen wollen sich ja bewegen und setzen das teilweise um, aber diese großen gesellschaftlichen Veränderungen, wie wir sie jetzt benötigen, zu mehr klimafreundlichen Produktionen, die werden nicht allein über die Verbraucherverantwortung laufen können. Das war auch der Ansatz der Borchert-Kommission, die gesagt hat, wir brauchen verlässliche Zahlungen für die Landwirtschaft neben dem Label.

Die Kennzeichnung der Lebensmittel ist die eine Seite, aber wenn wir zukünftig nachhaltiger sein wollen, müssen wir unser Essverhalten doch auch generell verändern, oder?

Ja, die WHO empfiehlt täglich fünf Portionen Obst und Gemüse zu sich zu nehmen, davon am besten drei Gemüse und zwei Obsteinheiten. Wenn wir uns die Zahlen in Deutschland anschauen, dann sind wir im europäischen Vergleich eher die Gemüsemuffel. Wir liegen bei einer Einheit Gemüse am Tag und die deutschen Männer sogar noch darunter. Hier ist also aus gesundheitlicher Sicht, aber eben auch aus Klimaschutzgesichtspunkten erheblicher Ausbaubedarf. Hier müssen wir Deutschen unser Essverhalten anpassen und mehr Gemüse auf unsere Teller bringen.

Und wie sehen Sie die Forschungen darüber, bald Quellen, Algen oder gar Insekten in unseren Speiseplan aufzunehmen? Geben Sie dem eine Chance?

Ich glaube hier muss man genau hinsehen, nicht in allen Fällen ist diese Produktion klimafreundlicher. Wir wissen aus Studien heraus, dass es dort erstmal eine Abneigung vieler Menschen gibt, diese Dinge probieren zu wollen. Da bin ich tatsächlich sehr skeptisch, dass das in absehbarer Zeit eine Rollen spielen wird. Was aus meiner Sicht spannend bleibt, ist die Frage, ob es gelingt, Fleisch im Labor so günstig und nachhaltig herzustellen, dass es eine echte Alternative für unsere Ernährung wird. Es werden derzeit Milliarden investiert, aber alles findet hinter verschlossenen Türen statt, sodass ich Ihnen keinen aktuellen Stand der Forschung nennen kann.

Hörtipp

Das Gespräch können Sie in unserem LAND & FORST-Podcast „Die Wegweiser“ unter anderem auf unserer Webseite www.landundforst.de und bei allen gängigen Podcastanbietern wie etwas Spotify (nach-)hören.

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