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Renaissance unterm Blätterdach

Erfolgreiches Verjüngungsverfahren im Forstamt Nienburg: Die Weißtannen-Saat ist aufgegangen. Sämlinge recken sich ins Licht.

Bei der Neubegründung von Waldbeständen können Forstleute aus einer Vielzahl von Optionen wählen und so an Ort und Stelle die Weichen für mehrere hundert Jahre Waldbau stellen. Die Niedersächsischen Landesforsten (NLF) setzen in dieser Pflanzsaison vermehrt auf die Saat von Waldbäumen. Das Verfahren wird derzeit nicht nur im von Trockenheit und Borkenkäfer geplagten Harz praktiziert, sondern auch im Nordwesten. Auf der sogenannten „Nordtour“ sollen in dieser Pflanzsaison rund 100 Hektar durch Saat begründet werden, vor allem mit Weißtanne. Ein großer Teil dieser Flächen befindet sich im Bereich des Forstamtes Nienburg, das nicht nur mit dem sogenannten Erdmann-Wald bei Sulingen einen schon heute bunt gemischten Waldbestand vorzeigen kann.

Altes Wissen im neuen Gewand

Oberförster Friedrich August Christian Erdmann startete Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Umbau der kargen Kieferbeständen und setzte schon damals vor allem auf die Saat (s. auch Beitrag zum Waldgebiet des Jahres in Nr. 49/2021). Was damals überwiegend Handarbeit war, kehrt nun in neuem Gewand in den Wald zurück. „Für die Saat setzen wir einen 14-Tonnen-Bagger ein, der statt einer Schaufel über ein entsprechendes Anbaugerät verfügt“, erklärt Forstamtsleiter Henning Schmidtke.


Zum Einsatz kommt ein Scheibenräumgerät (SRG) von Unternehmer Robert Schmidt aus Sachsen, das vom Bagger für die Saat durch den Waldboden gezogen wird. Es besteht aus einem grün lackierten Stahlrahmen, der von zwei Pflugscheiben flankiert wird. An der Front befinden sich zwei stählerne Trichter für das Saatgut, auf denen jeweils ein weißer Plastikbunker sitzt. In den kleinen weißen Kanistern wird das Saatgut sicher verschlossen mitgeführt. Über einen Schraubverschluss können die Bunker schnell und individuell befüllt werden. „So können wir auch zwei verschiedene Baumarten in einem Durchgang säen“, erläutert Maschineneinsatzleiter Jendrik Niebel vom Maschinenstützpunkt Nienburg.

Andreas Haag leistet mit Hilfe von Großtechnik Präzisionsarbeit: Das am Bagger anhängende Scheibenräumgerät ist mit Bunkern und einem Trichter für das Saatgut ausgerüstet.

Bodenschonende Saat von der Gasse aus
 

Für die Saat ist Dank des Baggers kein flächiges Befahren der Bestände erforderlich, das Kettenfahrzeug bewegt sich nur auf den ohnehin vorhanden Rückegassen im üblichen 20-Meter-Abstand. Mit einer Auslage von etwa achteinhalb Metern kann der Bagger fünf Meter lange Streifen für das Saatgut ziehen, etwa zehn Meter bleiben in der Mitte unbearbeitet.


Abgesetzt in maximaler Kranreichweite, zieht der Baggerfahrer das SRG wieder an die Gasse heran. Dabei wird der Humus beiseitegeschoben und der Mineralboden freigelegt. So kommen die Pflugscheiben in Bewegung, die wiederum kleine Rädchen und damit Bürsten in Gang setzen, die für den Austritt des Saatgutes sorgen. „Über diese Bürsten lässt sich auch einstellen, wie viel Saatgut bei dem Vorgang abgegeben wird“, sagt Jendrik Niebel. Mit einem Teleskoparm soll die Reichweite zukünftig nochmals um zwei Meter vergrößert werden.


Für das Verfahren werden vor allem Forstwirte wie Andreas Haag als Fahrer eingesetzt, die ein gewisses waldbauliches Auge mitbringen. „In Erdmannshausen haben wir 2021 so 30 Hektar gesät und Waldbau nach Augenmaß betrieben“, berichtet Henning Schmidtke.

Weißtanne immer unterm Altholzschirm

Pro Hektar werden zwischen Oktober und Ende März dabei 10 Kilogramm Saatgut ausgebracht, das in den Beständen des Forstamtes Nienburg geerntet werden konnte. Pro laufender Meter finden sich später 30 bis 50 Samen im Pflugstreifen, der im Querschnitt ein doppeltes U-Profil darstellt. Dabei wird je nach Bestandsverhältnissen ein Reihenabstand von drei bis fünf Metern gewählt. 
Zum Einsatz kommt das Verfahren in geschlossenen Beständen, die für die Weißtanne als Schattbaumart die entsprechenden Lichtverhältnisse aufweisen. In Frage kommen so zum Beispiel kleinere Käferlöcher oder Kiefernbestände in der IV. bis V. Altersklasse. Im Bergland wird vor allem unter geschlossenen, frisch abgestorbenen Fichtenbeständen Weißtanne gesät. 


Pro Tag kann so bei entsprechender Flächenlage und eingespieltem Fahrer etwa ein Hektar gesät werden. Die Kosten für das benötigte Saatgut liegen bei etwa 1.500 Euro pro Hektar, hinzu kommen 1.000 bis 1.500 Euro für den Baggereinsatz inklusive Fahrer im Eigenbetrieb. „Das Scheibenräumgerät wird von uns gemietet, die Kosten liegen bei unserem Volumen bei 400 Euro pro Hektar“, sagt Henning Schmidtke. 


Die Landesforsten verzichten auf den Saatflächen auf Zaunbau, dafür ist ein entsprechender Wildbestand und die damit einhergehende Bejagung Grundvoraussetzung. „Nach der Saat ist unbedingt ein waldbauliches Management erforderlich. Einfach wegschauen und wachsen lassen funktioniert nicht“, erklärt der Forstmann.


Die Begleitvegetation muss gut im Auge behalten werden. Zumindest in den ersten Jahren lassen im Idealfall die darüber stehenden geschlossene Bestände wenig Licht zum Boden – für die Tanne als Schattbaumart ist das jedoch ausreichend. Je nach Entwicklung muss beizeiten nachgelichtet werden, eventuell wird auch eine Mischwuchsregulierung erforderlich.

Von der Fahrgasse aus wurde dieser Pflugstreifen gezogen und zugleich die Tannensaat darin abgelegt. Die Sämlinge können nun unter dem schützenden Altholzschirm heranwachsen.

Sämlingen bleibt Pflanzschock erspart

„Da, wo Saatbäume fehlen, ist die Saat das natürlichste Waldverjüngungsverfahren, nach der Naturverjüngung“, macht Henning Schmidtke deutlich. Anders als bei wurzelnackten Pflanzen werden die jungen Weißtannen nicht erst einen Pflanzschock überwinden müssen und auch kein Pflanzfehler wird ihnen den Start ins Leben erschweren. Das minimalinvasive Verfahren kommt zudem mit viel weniger Personal aus als die klassische Pflanzung: Zwei Personen können rund 150 Hektar in Kultur bringen.


In die Bodenstruktur muss mit dem SRG zudem kaum eingegriffen werden, die Kapillarität bleibt erhalten. Durch das doppelte U-Profil bildet sich eine Senke, in der die Samen bei Niederschlag eingeschlämmt werden. Zudem hält sich das Wasser in der Senke besser – zum Vorteil der auflaufenden Sämlinge. Je nach Bestand, kann das Verfahren der maschinellen Saat durch das SRG in Kombination mit dem Bagger die waldbauliche Palette im Bereich der Waldbegründung pro Hektar effektiv erweitern, und das bei geringen Kosten.


Neben der Weißtanne ist das Verfahren auch für andere Baumarten, wie Lärche, Douglasie, Kiefer, Birke, Eiche und Rotbuche anwendbar und ganz im Sinne Erdmanns lassen sich auf diese Weise vielfältige Wälder begründen. Erste bereits aufgelaufene Sämlinge stimmen optimistisch für die Zukunft.

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