Bestandesführung künftig neu denken
Die große Bedeutung von Maßnahmen zur Krautminderung in Kartoffeln ist in der landwirtschaftlichen Praxis unbestritten. Abhängig von der Verwertungsrichtung der Kartoffeln werden dabei unterschiedliche Ziele angestrebt. Neben der gezielten Steuerung der Größensortierung der Knollen dienen die verschiedenen Methoden zur Krautregulierung auch der Förderung der Qualität des Erntegutes. Die Schalenfestigkeit zur Ernte ist dabei besonders wichtig für die Lagerfähigkeit der Ware. Aber auch die Vermeidung von Virusinfektionen in Pflanzkartoffeln sowie die Erleichterung der anschließenden Ernte stehen in Verbindung zur Krautminderung.
Verbot von Deiquat
Die bisher genutzten chemischen Mittel basieren auf dem Wirkstoff Deiquat. Diese durften in der Anbausaison 2019 letztmalig verwendet werden. Die Wirkungsgeschwindigkeit der derzeit verfügbaren chemischen Mittel zur Krautminderung in Kartoffelbeständen ist aber oft deutlich langsamer als bei den bisher eingesetzten Deiquat-haltigen Präparaten. Daher suchen Forschung und Praxis einerseits alternative, zumeist mechanische, Maßnahmen zur zügigen Öffnung des Blätterdaches, die eine anschließende chemische Behandlung zur Vermeidung von Wiederaustrieb ermöglichen. Andererseits sind aber auch zunehmend pflanzenbauliche Ansätze gefragt, die die Bestände termingerecht in die natürliche Abreife führen.
Angepasste Düngung
Aus pflanzenbaulicher Sicht ist hier zunächst die Düngung als ein wesentlicher Faktor der Bestandesführung zu nennen: Die Kartoffel reagiert deutlich auf das verfügbare Nährstoff- und insbesondere Stickstoffangebot. Erhält der Bestand in späten Entwicklungsphasen ausreichend Stickstoff, dann kann er diesen oftmals noch in Knollen- oder Blattwachstum umsetzen. Die anvisierte natürlichen Abreife steht diese Eigenschaft jedoch entgegen.
Ziel einer bedarfsgerechten, Abreife unterstützenden Düngung muss es daher sein, den standort- und sortenspezifischen Stickstoffbedarf möglichst genau zu kennen und diesen termingerecht zu applizieren. Dazu bietet es sich an, bei der Düngung in Praxisschlägen entsprechende Düngefenster mit reduzierter N-Gabe anzulegen. Entscheidend für die Wirkung im Bestand ist jedoch nicht nur die absolute Höhe der Düngung, sondern vielmehr auch deren zeitliche Verfügbarkeit. Innerhalb der Vegetationsperiode spät freigesetzter Stickstoff, beispielsweise aus organischer Düngung oder Bodensubstanz, kann die Abreife des Bestandes deutlich verzögern. Als wesentliche Einflussfaktoren der Mineralisation sind dabei Temperatur und Bodenfeuchte zu nennen.
Während die Temperatur im großflächigen Kartoffelbau nicht beinflussbar ist, kann die Bodenfeuchte durch die Bewässerung reguliert werden. Die Bewässerung stellt also sicher, dass die gedüngten Nährstoffe zur richtigen Zeit aufgenommen werden. Sie leistet auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zur termingerechten Abreife des Bestandes.
Da der Witterungsverlauf und somit die temperaturabhängige Stickstofffreisetzung durch Mineralisation nicht im Vorfeld bekannt ist, sollte die Düngung so geplant werden, dass in kühlen Jahren mit einer Nachdüngung auf die geringere Nachlieferung reagiert werden kann. Die Düngung in mehrere Teilgaben aufzuteilen, ist bei Sorten mit geringer Knollenanzahl pro Einzelpflanze auch im Hinblick auf den Einfluss des N-Angebotes auf den Knollenansatz sinnvoll: Ein hohes Stickstoffangebot führt zu tendenziell geringeren Ansätzen, das heißt: Durch ein zu Beginn der Vegetationsperiode reduziertes N-Angebot mit anschließender Nachdüngung bilden sich mehr Knollen pro Hektar aus. Mit Blick in die Zukunft und auf die zunehmend umfangreichere Erfassung von Daten im Feld kann die teilflächenspezifische Düngung auch einen Beitrag zur Erleichterung der Sikkation leisten: Denkbar wäre, dass durch die teilflächenspezifische Applikation, besonders der N-Düngung, insgesamt einheitlichere, gleichmäßiger abreifende Bestände erreichbar sind.
Wurden Sikkationsmaßnahmen nicht nur zur Erzielung der Lagerreife der Kartoffeln, sondern auch um die Größensortierung zu regulieren, eingesetzt, wie es im Pflanzkartoffelanbau oft die Regel ist, dann sollte auch die Pflanzdichte geprüft werden: Je dichter gepflanzt wird, desto mehr Stängel pro Hektar werden gebildet und desto mehr Knollen werden angesetzt. Dieser erhöhte Ansatz führt zu einer im Durchschnitt geringeren Knollenmasse. In der Praxis ist bei diesem Ansatz natürlich der geringfügig erhöhte Bedarf an Pflanzgut zu berücksichtigen, der die Pflanzgutkosten erhöht. Pro gepflanzte Knolle werden bei engem Pflanzabstand weniger neue Knollen angesetzt als bei einer weiten Ablage.
Stress möglichst vermeiden
Ein weiterer Aspekt, um eine möglichst termingerecht einsetzende natürliche Abreife zu fördern, ist die Schaffung günstiger Wachstumsbedingungen, ohne das Wachstum unterbrechende Stressphasen, über die gesamte Witterungsperiode hinweg. Die Kartoffel ist in der Lage, in Stressphasen das Wachstum einzustellen und dieses wieder aufzunehmen, sobald günstigere Wachstumsbedingungen eintreten. Diese Eigenschaft führt im Feld aber zu unerwünschtem Neuansatz, Kindelbildung und Zwiewuchs.
Oberirdisch können Bestände mit Abreifeerscheinungen wieder ergrünen. In den beiden vergangenen Anbauperioden, die in Norddeutschland durch Trockenheit und teilweise extreme Hitzephasen gekennzeichnet waren, konnten Trockenphasen nur durch den intensiven Einsatz der Feldberegnung überwunden werden. Feldberegnung trägt also nicht nur zur Aufnahme der gedüngten Nährstoffe bei, sondern fördert auch die gleichmäßige, in eine natürliche Abreife führende, Entwicklung der Kartoffelbestände.
Pflanzenschutz wichtig
Eine weitere Komponente, eine möglichst stressfreie Wachstumsperiode sicherzustellen, ist der Pflanzenschutz. Hierbei können Pflanzenschutzmaßnahmen einerseits durch die Gesunderhaltung des Bestandes eine durchgängige Bestandesentwicklung sicherstellen. Andererseits können diese auch Stress auslösen, beispielsweise wegen falscher Anwendung oder sortenspezifischer Unverträglichkeiten.
Grundstein: Sortenwahl
Die Sortenwahl ist im Kartoffelbau in erster Linie von Faktoren wie der Verwertungsrichtung und den Absatzmöglichkeiten der Ware auf den entsprechenden Märkten beeinflusst – beziehungsweise durch Handelspartner bereits vorgegeben. In Jahren mit geringem Angebot kommt zudem die Verfügbarkeit von Pflanzgut der jeweiligen Sorte als entscheidender Faktor hinzu. Dennoch bietet die Wahl einer Sorte mit einem, zu dem vorgesehenen Erntetermin passenden, natürlichen Abreifeverhalten eine wesentliche Möglichkeit, das chemische oder mechanische „Ausbremsen“ eines vitalen Kartoffelbestandes zu vermeiden, - und somit auch die Gefahr innerer Knollenschäden.
Ziel eines auf die zukünftigen Anforderungen der Krautminderung ausgerichteten Kartoffelbaus muss es sein, die oben vorgestellten pflanzenbaulichen Aspekte der Bestandesführung zu beachten, um die Kartoffelpflanze in eine natürlich einsetzende Abreife zu führen. Wenn dieses Entwicklungsstadium erreicht ist, kann mit den verfügbaren mechanischen, thermischen und chemischen Verfahren der Krautminderung eine die Abreife unterstützende Behandlung durchgeführt werden. Den Wiederaustrieb nachhaltig zu vermeiden, ist auch beim Einsatz der derzeitig verfügbaren chemischen Präparate deutlich leichter, wenn sich die Pflanze zum Zeitpunkt der Behandlung bereits in der physiologischen Phase der Abreife befindet.
FAZIT
- Nach dem Verbot Deiquat-haltiger Präparate müssen Alternativen zur Krautminderung her. Ansätze dazu sind vor allem mechanische, aber auch pflanzenbauliche Maßnahmen.
- Teilflächenspezifische N-Düngung ist ein wesentlicher Faktor. Spät freigesetzter Stickstoff kann die natürliche Abreife des Bestandes deutlich mindern.
- Auch die Pflanzdichte muss überprüft werden: je dichter die Pflanzung, desto höher der Knollenansatz und desto mehr Stängel, die pro Hektar reguliert werden müssen.
- Passend zum Erntetermin sollte eine Sorte mit natürlichem Abreifeverhalten ausgewählt werden.
- Nach der natürlich einsetzenden Abreife erleichtern verfügbare chemische, mechanische oder thermische Verfahren die Krautminderung.
✔ Bereits Mittwochnachmittag alle Heftinhalte nutzen
✔ Familienzugang für bis zu drei Nutzer gleichzeitig
✔ Artikel merken und später lesen
✔ Zusätzlich exklusive Videos, Podcasts, Checklisten und vieles mehr!