Logo AFZ DerWald digitalmagazin

Artikel wird geladen

Wasserhaushalt im Wald in Baden-Württemberg

Abb. 1: Der Klimawandel verändert den Wasserhaushalt des Waldes. Das bekommen zunehmend auch Buchenwälder zu spüren.

Schneller Überblick

  • Flächig verfügbare Eingangsdaten von Boden, Relief und Klima wurden aufbereitet und in ein Wasserhaushaltsmodell überführt
  • Die einheitliche Modellparametrisierung ermöglicht eine überregionale Vergleichbarkeit der Wasserhaushaltsstufen
  • Hotspots von Wasserhaushaltsänderungen in Baden-Württemberg sind der nördliche Oberrheingraben, die Gäulandschaften und die Flächenalb

Der Wasserhaushalt ist einer der wichtigsten Standortsfaktoren von Wäldern. Er beeinflusst nahezu alle Prozesse in Waldökosystemen und steuert damit unter anderem die Vitalität und das Wachstum der Bäume. Aktuell wird der Wasserhaushalt eines Waldstandorts anhand der Wasserhaushaltsstufe in der Forstlichen Standortskartierung eingeschätzt. Die Wasserhaushaltsstufe wird von erfahrenen Standortskartierer*innen im Feld über zahlreiche Teilaspekte wie die Lage im Gelände, die Bodenvegetation, die Zusammensetzung und Wüchsigkeit des Bestandes und die Bodenentwicklungstiefe abgeschätzt. Dieses traditionelle Kartierverfahren kommt jedoch zunehmend an seine Grenzen, da der Standortsfaktor Wasserhaushalt im Zuge des Klimawandels sehr dynamischen Änderungen unterliegt, welche durch eine nur in großen zeitlichen Abständen wiederholte Standortskartierung nicht erfasst werden können. Eine Ergänzung der Standortsinformationen um eine dynamische, modellgestützte Wasserhaushaltseinschätzung stellt daher einen wertvollen Zugewinn für das Wissen über die Wasserverfügbarkeit von Wäldern dar.

Vor diesem Hintergrund wurden im Verbundprojekt „Standortsfaktor Wasserhaushalt im Klimawandel (WHH-KW)“ in Kooperation mit der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF), der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) und der Universität Hamburg flächig vorliegende Daten zu Klima, Relief und Boden aufbereitet und in ein Wasserhaushaltsmodell überführt (eine ausführliche Beschreibung der Methodik findet sich im Beitrag von Weis et al. in dieser Ausgabe. Der vorliegende Artikel beschreibt die Umsetzung der Modellierung für die Waldfläche Baden-Württembergs.

LWF-Brook90 – Modell und Parametrisierung

LWF-Brook90 ist ein in der Forsthydrologie weit verbreitetes, eindimensionales Wasserhaushaltsmodell, welches auf dem Modell Brook90 [1] basiert und an der LWF entscheidend weiterentwickelt wurde [2]. Durch eine Vielzahl anpassbarer Parameter ermöglicht es eine differenzierte Abbildung der Wasserbewegungen durch Vegetation und Boden. Für vier Baumarten (Fichte, Buche, Kiefer, Eiche) wurden mithilfe der Daten des intensiven forstlichen Monitorings (ICP-Forest Level II) baumartspezifische Parametrisierungen für Optimalbestände erarbeitet. Für eine objektive Vergleichbarkeit der Standorte wurde unabhängig vom tatsächlichen Vorkommen jede Baumart als 100-jähriger Reinbestand auf der gesamten Landesfläche modelliert. Die benötigten meteorologischen Eingangsgrößen – Tagesdaten für Lufttemperatur, Niederschlag, Dampfdruck, Globalstrahlung und Windgeschwindigkeit – wurden von den Projektpartnern der Universität Hamburg aus DWD-Daten auf ein 250-m-Raster regionalisiert [3]. Reliefparameter wie Hangneigung, Exposition, Längen- und Breitengrad wurden aus einem digitalen Geländemodell (DGM) hergeleitet.

Da die Standortskartierung in Baden-Württemberg nur etwa 70 % der Waldfläche abdeckt und teilweise schon mehrere Jahrzehnte alt ist, wurde von einer direkten Verwendung für die Bodenparametrisierung Abstand genommen. Als alternative Datenquelle wurden regionalisierte Bodenkarten genutzt, die flächig für die Waldfläche Baden-Württembergs im 25-m-Raster vorliegen [4]. Zur Erstellung der Karten wurden Bodendaten der zweiten Bodenzustandserhebung, der Bundeswaldinventur, verschiedenste Projektdaten sowie Profildaten des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGBR) mittels statistischer Regressionsmodelle in die Fläche übertragen. Die hydraulischen Bodeneigenschaften (Wasserretentionskurve, Wasserleitfähigkeit) wurden über eine Pedotransferfunktion hergeleitet [5].

Für die Verortung von Sonderstandorten mit Grund- und Stauwassereinfluss wurde, wo vorhanden, die Standortskartierung verwendet, auf allen anderen Flächen die Geologische Landesaufnahme (GeoLa). Für Stauwasserstandorte wurde eine stauende Schicht an die Untergrenze des durchwurzelbaren Bodens angefügt und dabei die Durchlässigkeit der Stauschicht regional angepasst, sodass die Gesamtflächenanteile stauwassergeprägter Böden aus der Standortskartierung möglichst gut getroffen wurden. Grundwasserbeeinflusste Standorte wurden mit einer wasserundurchlässigen Schicht in 3 m Tiefe versehen, wodurch das sich aufstauende Wasser einen Grundwasserspiegel simuliert. Um von der Geländemorphologie geprägte Sonderstandorte, wie Kuppen und Oberhänge sowie Senken und Unterhänge, mit dem verwendeten eindimensionalen Modell abbilden zu können, wurde im Anschluss an die Modellierung eine Geländeadjustierung auf der Grundlage eines Hangpositionsindex berechnet [6] (Abb. 2).

Abb. 2: Schematische Darstellung der Modellumgebung von LWF-Brook90 für die Anwendung in Baden-Württemberg

Von Wasserhaushaltsdaten zu Wasserhaushaltsstufen

Die Wasserhaushaltsstufen wurden aus dem langjährigen Mittel des Transpirationsdefizits hergeleitet, welches als Quotient (Tratio) zwischen modellierten Tageswerten der Transpirationsrate (T) und der potenziellen Transpiration (Tpot) berechnet wird. Stufengrenzwerte von Tratio basieren auf der mittleren Transpirationseinschränkung sowie der Auftrittswahrscheinlichkeit für extreme Trockenjahre [7]. Um die flächig dominierende Wasserhaushaltsstufe „frisch“ stärker zu differenzieren, wurde diese in drei Ausprägungen unterteilt.

Der Standortswasserhaushalt – eine Dynamik in vollem Gange

Die hier präsentierten Ergebnisse zeigen die Ergebnisse der Modellierung für die landesweite Waldfläche im 500-m-Raster im Zeitraum 1961 bis 2018, aufgetrennt für die Klimanormalperioden 1961 bis 1990 und 1989 bis 2018 für die Baumart Fichte. Die Modellierungsergebnisse spiegeln ein generell bekanntes Bild wider. Die Gebiete mit der landesweit besten Wasserversorgung sind der Schwarzwald und das südwestdeutsche Alpenvorland sowie der Albtrauf. Leicht trockener, aber ebenfalls gut versorgt sind das Keuperbergland und der Odenwald. Gebiete mit teils deutlicher Transpirationseinschränkung finden sich in der Oberrheinebene, den Gäulandschaften im Nordosten des Landes und im Regenschatten des Schwarzwalds sowie auf der Flächenalb. Dass der Wasserhaushalt sich schon jetzt klimatisch bedingt als dynamische Größe zeigt, lässt sich am Vergleich der beiden modellierten Klimanormalperioden ablesen. Die Balkendiagramme in Abb. 3 zeigen den Anteil der einzelnen Wasserhaushaltsstufen an der Gesamtwaldfläche, wobei der Trend hin zu trockeneren Stufen deutlich erkennbar ist. Der Vergleich der Karten zeigt, wo zwischen den zwei zurückliegenden Klimanormalperioden die deutlichsten Änderungen zu beobachten waren. Gebiete, in denen das Risiko für Wassermangel und Trockenschäden in der Vergangenheit stark zugenommen hat, sind demnach die flachgründigen, submontanen Gebiete im Nordosten des Landes und die nördliche Oberrheinebene. Auch im Keuperbergland und dem Odenwald sieht man eine Verschiebung, die sich aber innerhalb der feiner ausdifferenzierten frischen Wasserhaushaltsstufen bewegt. Demgegenüber sind in den Hochlagen des Schwarzwalds und südlich der Alb bislang nur geringe Änderungen der Wasserhaushaltsstufen zu erkennen.

Abb. 3: Modellierte transpirationsbasierte Wasserhaushaltsstufen für Fichte für zwei Klimanormalperioden mit prozentualem Anteil der Wasserhaushaltsstufen an der gesamten Waldfläche (mittig)

Effektstärken der Einflussgrößen

Die Modellierung auf Landesebene ermöglicht einen Einblick, welche Standortsfaktoren das Trockenheitsrisiko in der Fläche entscheidend beeinflussen. Der Effekt der Modellinputgrößen auf die Wasserhaushaltsstufe wurde mittels Generalised Additive Models (GAMs) untersucht, in denen sowohl lineare als auch nicht lineare Zusammenhänge abgebildet werden können. Der Einfluss der einzelnen Standortsfaktoren wird grafisch mithilfe von Glättungskurven interpretiert (Abb. 4). Die y-Achse zeigt die Abweichung von der mittleren Ausprägung der Wasserhaushaltsstufe (der Mittelwert aller Daten liegt zwischen frisch-1 und frisch-2). Werte von +1 bedeuten, dass die jeweilige Einflussgröße die mittlere Wasserhaushaltsstufe um eine Stufe in den feuchteren Bereich verschiebt, Werte von -1 bedeuten entsprechend eine Verschiebung um eine Stufe in den trockeneren Bereich. Die einzelnen Effekte addieren sich dabei zu ihrem Gesamteffekt auf die Zielgröße (Wasserhaushaltszahl von 1: sehr trocken bis 8: sehr frisch).

„Eine klimasensitive, modellgestützte Wasserhaushaltseinschätzung kann ein wertvolles Instrument für das Waldmanagement im Klimawandel darstellen.“

Raphael Habel

Bei einigen Einflussgrößen ist zu beobachten, dass sich der Effekt auf den Wasserhaushalt über eine weite Wertespanne kaum von 0 unterscheidet beziehungsweise sich auf einem Plateau bewegt. Der Einfluss dieser Umweltvariablen wird erst ab der Über- oder Unterschreitung spezifischer Grenzwerte deutlich. So ist eine deutliche Verschiebung der Wasserhaushaltsstufen in den trockeneren Bereich bei Jahresmitteltemperaturen oberhalb von etwa 7 °C zu beobachten. Gleiches zeigt sich bei einer Unterschreitung von 1.500 mm Jahresniederschlags, noch deutlicher wird der Trend ins Trockene auf Standorten mit weniger als 750 mm Jahresniederschlag (Abb. 4, oben links). Die Reliefparameter haben im Vergleich zu den Klimavariablen eine geringere Effektstärke. Die Hangneigung, dargestellt in Rot, hat einen Effekt ab einem Wert von 40°. Die schwarze Kurve zeigt den Effekt der Südexposition auf trockeneren Sommerhänge an (oben rechts). Skelett- und Sandgehalte (unten links) nehmen ab Werten von etwa 60 % einen deutlichen Einfluss auf den Wasserhaushalt. Die Bodenentwicklungstiefe und die nutzbare Feldkapazität (nFK) haben einen stetig zunehmenden Effekt hin zu frischeren Standorten bei zunehmender Tiefe und größerer nFK (unten rechts). Der Einfluss der Bodenentwicklungstiefe ist durch die maximale Durchwurzelungstiefe begrenzt.

Abb. 4: Glättungskurven der Standortsfaktoren mit signifikantem Einfluss auf die Wasserhaushaltsstufe im Zeitraum 1961-2018 für die Baumart Fichte, inhaltlich gruppiert nach Klima (oben links), Relief (oben rechts) und Boden (unten)

Ausblick – modellgestützte Wasserhaushaltsmodelle in der Standortskartierung

Der Vergleich der zwei zurückliegenden Klimanormalperioden zeigt bereits, dass der Klimawandel den Standortsfaktor Wasserhaushalt der Wälder entscheidend verändert und eine statische Abschätzung der Wasserverfügbarkeit als Grundlage für ein adaptives Waldmanagement häufig nicht mehr genügt. Durch die Verwendung unterschiedlicher baumartspezifischer Parametrisierungen, die im Rahmen des Projekts entwickelt wurden, können mit LWF-Brook90 für die vier Baumarten Fichte, Buche, Eiche und Kiefer Wasserhaushaltsdaten berechnet werden, die dieser Dynamik Rechnung tragen und die Grundlage zukünftiger Baumarteneignungskarten bilden können. Speist man die Modelle mit Daten aus verschiedenen Klimaszenarien, lassen sich darüber hinaus Prognosen über den zukünftigen Wasserhaushalt erstellen und die Klimasensitivität von Waldstandorten untersuchen. Die Informationen der modellgestützten Wasserhaushaltsklassifikation sind dabei in der Fläche nicht als Ersatz des traditionellen Kartierungsverfahrens gedacht, sondern sollen die vor Ort erhobenen Standortsaufnahmen ergänzen und die voraussichtliche Entwicklung der Wasserverfügbarkeit eines Standorts einschätzen helfen. Zudem lassen sich mithilfe der Modellierung für bislang unkartierte Gebiete, besonders im Privatwald, schnell und ressourceneffektiv Wasserhaushaltsinformationen bereitstellen.

Literaturhinweise:

[1] FEDERER, C.A. (2002): BROOK90 – A simulation model for evaporation, soil water, and streamflow. Documentation for versions 4 and 3.2/3/4. Compass Brook, Durham, New Hampshire. [2] HAMMEL, K.; KENNEL, M. (2001): Charakterisierung und Analyse der Wasserverfügbarkeit und des Wasserhaushalts von Waldstandorten in Bayern mit dem Simulationsmodell BROOK90, in: Forstliche Forschungsberichte München, Technische Universität München: Freising. S. 94. [3] DIETRICH, H.; WOLF, T.; KAWOHL, J.; WEHBERG, G.; KÄNDLER, T.; METTE, A.; RÖDER, A.; BÖHNER, J. (2019): Temporal and spatial high-resolution climate data from 1961 to 2100 for the German National Forest Inventory (NFI). Annals of Forest Science. 76(1): S.1–14. [4] ZIRLEWAGEN, D.; WILPERT, K. V. (2011): Regionalisierung bodenphysikalischer Eingangsgrößen für bodenhydraulische Pedotransferfunktionen. Waldökologie, Landschaftsforschung und Naturschutz. 12: S.73–83. [5] WESSOLEK, G.; KAUPENJOHANN, M.; RENGER, M. (2009): Bodenphysikalische Kennwerte und Berechnungsverfahren für die Praxis, in: Bodenökologie und Bodengenese, M. Facklam, Editor, Technische Universität Berlin, Insititut für Ökologie: Berlin. S. 82. [6] TAGIL, S.; JENNESS, J. (2008): GIS-based automated landform classification and topographic, landcover and geologic attributes of landforms around the Yazoren Polje, Turkey. [7] WEIS, W.; WELLPOTT, A.; FALK, W.(2020): Standortfaktor Wasserhaushalt im Wald. LWF aktuell. 3(126): S. 14–17. [8] Standortskartierung, A.F.A.f., ed. (2016): Forstliche Standortsaufnahme – Begriffe, Definitionen, Einteilungen, Kennzeichnungen, Erläuterungen zur forstlichen Standortaufnahme 7ed. IHW-Verlag: Eching bei München. 400 S.

Raphael Habel

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Boden und Umwelt der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) und bearbeitet dort das Projekt WHH-KW, Dr. Heike Puhlmann leitet diese Abteilung. Ann-Christin Müller war dort im Projekt „DynWHH - Dynamische Modellierung des Standortwasserhaushalts“ angestellt. Sebastian Peters arbeitet in der forstlichen Standortskartierung in der Abteilung Waldnaturschutz der FVA.

Digitale Ausgabe AFZ-DerWald

Holen Sie sich noch mehr wertvolle Fachinfos.
Lesen Sie weiter in der digitalen Ausgabe AFZ-DerWald !

Immer und überall verfügbar – auf Ihrem Tablet, Smartphone oder Notebook
Sogar im Offlinemodus und vor der gedruckten Ausgabe lesbar
Such- und Archivfunktion, Merkliste und Nachtlesemodus