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Mit AUDIO-Interview 

Ein Schock: ASP in Deutschland

Das Foto von einer ASP-Übung 2018 in Schleswig-Holstein wurde von der Realiät eingeholt: Vergangene Woche wurde das erste mit der Afrikanischen Schweinepest (ASP) infizierte tote Wildschwein in Deutschland gefunden.

Fachleute haben seit Monaten immer wieder betont, dass die Frage nicht lautet, ob die Afrikanische Schweinepest (ASP) nach Deutschland kommt, sondern nur, wann. Grund für diese Meinung war vor allem, dass es in Polen immer wieder Funde von ASP-infizierten Wildschweinekadavern sehr nah an der deutschen Grenze gegeben hat. Vergangene Woche Mittwoch war es dann soweit: Im brandenburgischen Landkreis Spree-Neiße, direkt an der polnischen Grenze, wurde bei einem Wildschweinkadaver ASP nachgewiesen.

Noch ist laut Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) nicht bewiesen, dass das tote Wildschwein aus der polnischen Population jenseits der Grenze stammt, doch die Vermutung liegt nahe. Da der Kadaver schon älter war, besteht die Gefahr, dass das Virus sich schon länger in Deutschland bewegt. Inzwischen wurden laut Medienberichten unweit des Fundorts weitere Wildschweinkadaver entdeckt. Proben werden derzeit im Landeslabor untersucht (Stand: 15.9.2020)

Die vorhersehbaren und gefürchteten Folgen des ersten ASP-Falls ließen nicht lange auf sich warten. Sie betreffen keineswegs nur die Schweinehalter in den sofort eingerichteten Restriktionsgebieten um den Fundort: Deutschland ist Schweinefleisch-Exporteur, ein guter Teil geht in Drittländer außerhalb der EU. Diese verlangen in der Regel ein Zertifikat der ASP-Freiheit. Als erstes Drittland stoppte Südkorea am Tag nach der offiziellen ASP-Bestätigung Schweinefleischlieferungen aus Deutschland. China und Japan folgten am Wochenende. Damit waren die Hoffnungen begraben, dass es kurzfristig zu Regionalisierungsabkommen kommen könnte, sodass Schweinefleisch aus nicht betroffenen Regionen weiter exportiert werden könnte.

Auch auf die Schlachtschweinepreise gab es unmittelbare Auswirkungen. Die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften (VEZG) rief am Freitag eine außerordentliche Preiskonferenz ein und senkte die Notierung um 20 Cent auf 1,27 €/kg Schlachtgewicht. Dieser Preis soll bis Mittwoch dieser Woche gelten. Auch die Ferkelpreisnotierung ging mit minus 12 € deutlich zurück. VEZG-Geschäftsführer Dr. Hortmann-Scholten erläuterte die drastischen Maßnahmen: „Wir benötigen einen funktionierenden Markt, das heißt, der Abfluss der Schlachttiere muss weiterhin gewährleistet sein. Das Preissignal geht mit einem Appell an die Schlachthöfe einher, die zugesagten Mengen auf der neuen Preisbasis auch aufzunehmen.“

Schweinehalter sollten nur schlachtreife Schweine vermarkten und sich an die Mengenabsprachen mit ihren Vermarktungspartnern halten. Leichte Schweine müssten im Stall der Mäster bleiben, betonte Hortmann-Scholten, um die Vermarktungsmöglichkeit für schwere Tiere nicht zu behindern. Er zeigte sich zuversichtlich, dass es zunächst keine weitere Talfahrt der Notierungen geben werde. Wenn deutsche Exporte gen Asien jetzt ausfallen, rechnet er damit, dass andere EU-Schweineländer wie Dänemark, Niederlande, Spanien oder Frankreich diese Lücken füllen. Deren Fleisch wurde bislang vielfach innerhalb der EU vermarktet, die frei werdende Nachfrage könnten deutsche Schlachthöfe bedienen.

Bevor ein Land den Status „ASP-frei“ zurückbekommt, muss der letzte ASP-Fund sechs Monate zurückliegen. In Tschechien, wo die ASP-Bekämpfung vorbildlich ablief, dauerte es bis dahin immerhin zwei Jahre.

ASP-Risikoampel

Mit der ASP-Risikoampel können Schweinehalter das ASP-Eintragsrisiko für ihren Betrieb einschätzen und ein betriebsindividuelles Biosicherheitskonzept erstellen.

Dafür müssen Sie online 111 Multiple-Choice-Fragen aus den Bereichen Sicherung von Betrieb und Stall sowie Arbeitsabläufe beantworten. Das System bewertet, wie stark jeder Aspekt das Risiko eines ASP-Eintrags verringert oder erhöht. Als Ergebnis erhalten Sie eine betriebsindividuelle Risikoeinschätzung mit einer durch Ampelfarben visualisierten Risikoklasse. Außerdem bekommen Sie Optimierungshinweise in Form einer Liste mit konkreten Schritten, um die Biosicherheit Ihres Betriebes zu erhöhen.
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In Deutschland werden jährlich rund 55 Mio. Schweine geschlachtet. Mit einem Selbstversorgungsgrad von etwa 120 % werden rein rechnerisch 20 % exportiert. Von der Exportmenge gehen etwa zwei Drittel in andere EU-Staaten, ein Drittel in Drittländer vor allem in Asien.

In den vergangenen Wochen gab es verschiedene Meldungen zu Fortschritten bei der Entwicklung eines ASP-Impfstoffes. Prof. Artur Summerfield von der Universität Bern schilderte jedoch kürzlich bei einer ASP-Online-Tagung, dass sich die Impfstoffentwicklung schwierig gestaltet. Er begründete das unter anderem damit, dass das ASP-Virus in Aufbau und Wirkung deutlich komplexer sei als andere Viren. Es gebe eine Vielzahl vielversprechender Forschungsansätze zu Impfstoffen, aber die meisten befänden sich noch in experimentellen Studien. Eine chinesische Forschergruppe sei einen Schritt weiter mit einem Impfstoff in der klinischen Prüfung. Einen praktischen Einsatz wird es laut FLI aber in absehbarer Zukunft nicht geben. Summerfield bestätigt das: „Bis ein geeigneter Impfstoff verfügbar ist, wird es noch fünf bis zehn Jahre dauern“, vermutet der Virologe.

In Brandenburg haben Fachleute Restriktionsgebiete im Radius von 3 beziehungsweise 15 km um den Fundort eingerichtet. Verschiedene Maßnahmen sind dort angeordnet wie ein Verbringungsverbot für Hausschweine, Jagdverbot, intensivierte Fallwildsuche und die Prüfung von Nutzungsbeschränkungen landwirtschaftlicher Flächen. Im gefährdeten Gebiet gibt es 17 gemeldete Schweinehaltungen, eine in der Kernzone.Brandenburg will nun den mobilen Zaun an der Grenze durch einen festen Zaun im Kreis Spree-Neiße ersetzen. Auch um die Kernzone wird ein Zaun gezogen, um Wildschweinebewegungen zu verhindern.

Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) ist zuversichtlich, betonte aber, man müsste schnell wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen, damit sich die Seuche nicht ausbreite. Dazu gebe es eine Schweinepestverordnung und Krisenpläne, womit man „nicht bei Null“ anfange. Auch die Landesbauernverbände waren sich einig, dass alles getan werden müsse, um eine Ausbreitung des Virus und einen Eintrag in die Nutztierbestände zu vermeiden. Auf den Betrieben müssten „die Hygienemaßnahmen zum Schutz der eigenen Tiere und der von Nachbarbetrieben konsequent eingehalten werden“, unterstrich Niedersachsens Landvolkvizepräsident Jörn Ehlers. Prof. Eberhard Haunhorst vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES), äußerte die Hoffnung, dass Deutschland mit einem „blauen Auge“ davonkommen könne, man sei gut vorbereitet.

„Noch könnten wir glimpflich davonkommen.“

Prof. Eberhard Haunhorst, LAVES

Der Deutsche Jagdverband (DJV) und der Landesjagdverband Brandenburg (LJV) forderten die zuständige Veterinärbehörde auf, mit Landwirten und Jägern vor Ort eine Strategie zur Eindämmung der Seuche zu erarbeiten und umzusetzen. Jäger vor Ort hätten die beste Orts- und Fachkenntnis und seien bereit, sich einzubringen.

Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast rief dazu auf, „nun noch wachsamer zu sein“, auch wenn das Land bereits diverse Maßnahmen zur Vermeidung eines ASP-Eintrags umgesetzt habe.

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