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Schwerpunkt Schwein

Schon heute für morgen gebaut

Der neu angebaute Deckstall von Wilken und Jürgen Langreder (v.l.) verfügt über einen Innen- und einen Außenklimabereich. Letzterer ist wiederum in einen Laufbereich auf Spaltenboden und einen Liegekojenbereich mit Gummimatten, abgetrennt durch Balken (vorne) aufgeteilt.

Jürgen Langreder und sein Sohn Wilken können heute zumindest etwas entspannter nach vorne schauen als viele ihrer Berufskollegen: Die Landwirtsfamilie aus Neustadt am Rübenberge im Kreis Region Hannover hält 440 Sauen an zwei Standorten. Im 2005 ausgesiedelten Sauenstall, ca. 1.500 m vom Hof entfernt, gibt es seit kurzem ein neues Deckzentrum, das schon heute den Vorgaben der neuen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung entspricht. Für den Großteil der Sauenhalter bedeuten die neuen Vorgaben gerade für den Deckbereich umfangreiche Umbau-/Erweiterungsmaßnahmen, da unter anderem das Platzangebot deutlich erhöht werden muss.

Erfahrungen MuD-Projekt

Am 2005 ausgesiedelten Sauenstall ist das neu angebaute Deckzentrum gerade fertiggestellt, die ersten abgesetzten Sauen sind eingezogen. Das neue Deckzentrum ist ein Beispiel für Stallum- und Stallneubauten im Kontext der Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz, Netzwerk 8. In dem Netzwerk 8 „Anreicherungen der Haltungsumbegebung tragender Sauen“ haben Langreders und die anderen neun teilnehmenden Betriebe in Teilen ihrer Sauenhaltung modellhaft Veränderungen ausprobiert. Das seit 2017 laufende Netzwerk wird von MuD Tierschutz-Beraterin Theresa Belz (Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen) mit betreut. Jürgen und Wilken Langreder bauten für das MuD Tierschutz-Vorhaben ihr altes Deckzentrum auf dem Hof um zu einer Gruppenhaltung um. Dabei wurden die (vorhandenen) Selbstfangbuchten neu angeordnet, der Laufgang für die Eber wurde schmaler. Dadurch konnte der Laufbereich für die Sauen hinter den Selbstfangbuchten auf 2,20 m vergrößert werden.

Dort im umgebauten Deckzentrum wurden dann unterschiedlich lange Fixierungszeiten bei unterschiedlichen Gruppengrößen getestet. Letzteres war möglich durch rollbare Trenngitter. Wilken Langreder, der im vergangenen Jahr sein Studium Agrarwirtschaft in Osnabrück abgeschlossen hat, untersuchte daneben im Rahmen seiner Bachelorarbeit die Auswirkung verschieden langer Fixierungszeiten im Deckzentrum (3/12/28 Tage) auf die Umrauschquote. Auf den Punkt gebracht kam er zu dem Ergebnis, dass die Dauer der Fixierung keinen Einfluss auf die Umrauschquote hatte. „Ich habe auch eine Gruppenhaltung ab dem 12. Tag nach Besamung getestet. Um diesen Zeitpunkt herum nisten sich die befruchteten Eier ja in der Gebärmutter ein. Die Befürchtung, dass dann mehr Sauen umrauschen, wenn sie zu diesem Zeitpunkt in die Gruppe kommen, bestätigte sich bei uns nicht“, erzählt Wilken Langreder.

Anbau rasch genehmigt

Im vorderen Bereich des 2005 errichteten Sauenstalls wurde das neue Deckzentrum mit Außenklimabereich angebaut, die Wände bestehen oberhalb des Sockels aus Lochblechplatten, wie sie in Rinderställen Verwendung finden.
Im Außenklimabereich des neuen Deckstalls sind zusätzliche Beckentränken angebracht, sie werden viel genutzt.

Die Umbauten im alten Deckzentrum am Hof als auch der Anbau des neuen Deckzentrums am ausgesiedelten Stall wurden zusammen mit Bauberater Hans-Jürgen Ohlhoff von der VzF GmbH, Uelzen, durchgeführt. Für den Anbau wurde im August vergangenen Jahres ein Bauantrag gestellt, Ende 2019 war die Genehmigung da. „Unsere Vorarbeit war sehr gründlich gewesen und der Antrag wurde schnell bearbeitet“, berichtet Jürgen Langreder. Die Anzahl an Sauen im ausgesiedelten Stall wurde nicht erhöht durch den Anbau. Nach wie vor finden dort insgesamt 280 Sauen Platz, unter anderem auch die Jungsauen des Betriebes in der Quarantäne und im Eingliederungsbereich. Das neu angebaute Deckzentrum bietet jetzt Platz für vier Sauengruppen zu je 18 Tieren, also insgesamt für 72 Tiere. Aufgeteilt ist der Bereich jeweils in einen Innen- und einen überdachten Außenbereich. An Platz steht jeder Sau 5,4 qm zur Verfügung. Im Außenbereich bestehen die Wände aus Lochblechplatten, wie sie im Rinderstallbau verwendet werden. „Die bremsen Zugluft und verhindern trotzdem, dass Vögel oder Schadnager in den Stall gelangen können“, so Jürgen Langreder. Im Außenbereich sind Spalten verlegt mit darunter liegendem Güllekeller. Ca. die Hälfte des Außenbereichs besteht aus unterteilten Liegekojen, dort sind Gummimatten auf den Spalten angebracht. Hier erfolgt auch eine automatisierte Gabe von Strohpellets oder kurzgehäckseltem Stroh zur Beschäftigung der Sauen.

Im innenliegenden Bereich des angebauten Deckstalls befinden sich je Gruppe 18 Selbstfang-Fressliegebuchten, derzeit dürfen die Sauen darin noch fixiert werden.

Fressstände drinnen

Im innenliegenden Teil des Deckzentrums befinden sich Selbstfang-Freßliegebuchten. Für den Stimuliereber sind unterteilbare Laufgänge vorhanden. Gefüttert wird über eine Flüssigfütterung. Zwischen Innen- und Außenbereich sind Saloontüren angebracht, die Sauen können sich frei bewegen. Die Luftführung – Zwangslüftung im Innenbereich – wird dadurch wenig gestört. Die ersten Sauen sind, wie bereits erwähnt, gerade eingestallt in das neue Deckzentrum. Angedacht ist, sie dort zunächst noch während des Zeitraums der Besamung, also für ca. drei Tage, zu fixieren.

„Sauen springen während der Rausche aufeinander auf. Keiner möchte lahme oder verletzte Sauen und wir halten den Schutz der Sauen während der Rausche für wichtig“, so Wilken Langreder. Ihre Rangordnung haben die Sauen zu diesem Zeitpunkt bereits geklärt, dafür reicht der Zeitraum vom Absetzen bis zur Rausche. „Schon im umgebauten alten Deckzentrum haben wir festgestellt, dass die Rangordnungskämpfe deutlich entspannter ablaufen, wenn die rangniedrigeren Tiere Platz zum Ausweichen haben“, berichtet Jürgen Langreder. Das sei im neuen Anbau ebenfalls sichergestellt durch das großzügige Platzangebot. Die Selbstfangbuchten bieten zudem eine weitere Fluchtmöglichkeit.

Kühlung und Suhle

Neben dem großzügigen Flächenangebot bietet der neue Deckbereich weitere „Annehmlichkeiten“ für die Sauen: Im Außenbereich sind zusätzliche offene Tränken eingebaut, außerdem gibt es für hohe Außentemperaturen im Sommer eine Hochdruckkühlung. Sowohl im Gang als auch in den innenliegenden Stallbereichen sind dafür Wasserstränge verlegt. Im Zentralgang kühlen sie die ankommende Frischluft, bevor diese in die Abteile gelangt. „Darüber kann eine Absenkung der Temperatur um 5-8 Grad erreicht werden“, so Wilken Langreder. Außerdem eingebaut im Innenbereich des neuen Deckzentrums als auch im Wartebereich wurden Mikrosuhlen. Im etwa halbstündigen Abstand rieselt hier etwas Wasser von der Decke und es bilden sich feuchte Stellen auf dem Boden. Die Sauen lernen schnell, dass es an bestimmten Stellen im Stall „Duschen“ gibt und nutzen diese viel.

Im neugebauten Deckbereich bleiben die Sauen rund 28 Tage, dann geht es in den Wartebereich mit Großgruppen und Abruffütterung.

Auf dem Betrieb Langreder wurden die Kosten für den Umbau/Neubau der beiden Deckzentren im Rahmen des MuD Tierschutz-Vorhabens anteilig gefördert vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) (Projektträger BLE). Das Deckzentrum ist jetzt neu gestaltet, aber die Anpassung des Abferkelstalls steht auf dem Betrieb Langreder noch aus. Jürgen Langreder stellt für die Zukunft fest: „Allein durch die neuen Platzvorgaben im Deckzentrum und Abferkelstall sind das teure Umbauten, die da auf unsere Berufskollegen und uns zukommen.“ Für ihn und seinen Sohn ist deshalb klar, dass das Mehr an Tierwohl auch von jemandem bezahlt werden muss, sei es der Politik oder den Verbrauchern. Sonst hat die Sauenhaltung in Deutschland keine Zukunft mehr – sind die beiden sich sicher.

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